Zugezogen Maskulin Alle gegen Alle

ZM - Alle gegen Alle
ALL GOOD Punchline So konsequent wie gelungen.

Eigentlich hätten sich Zugezogen Maskulin nur wiederholen können. Denn seit Testo und grim104 vor rund zweieinhalb Jahren ihr Debüt-Album »Alles brennt« veröffentlichten, haben die Umstände, die sie dereinst schon auf beeindruckende Weise porträtierten und sezierten, nur noch weiter an Brisanz gewonnen. Die Welt steht auch weiterhin in Flammen; ein wahnsinniger, unberechenbarer Egozentriker ist plötzlich der mächtigste Mann der Welt und die Rechtspopulisten feiern ihren Einzug in den deutschen Bundestag.

Glücklicherweise bleiben ZM angesichts dieser thematischen Eindimensionalität nicht resignierend in der Sackgasse stecken. Ebensowenig versuchen sich jedoch an einer 180-Grad-Wende. Die Texte wurden einen Tick persönlicher, der Sound ein wenig runder. Die großen Überraschungsmomente bleiben auf »Alle gegen Alle« demnach zwar weitestgehend aus. Dennoch ist die Platte eine so konsequente wie gelungene Weiterentwicklung vom einstigen Erstling.

Was sich musikalisch bereits auf »Grauweißer Rauch« oder »Sparkassengirl« angedeutet hat, spielt Testo diesmal vollends aus: Gleich mehrere Songs versieht er mit gesungenen Hooklines, die auf Anhieb im Ohr hängen bleiben, ohne sich unangenehm anzubiedern. Auch grim versucht sich zeitweise an Gesangseinlagen und ist dabei von einem deutlich schieferen Organ gesegnet, was Songs wie »Nachtbus« jedoch erst das gewisse Etwas verleiht. In Zusammenspiel mit den mal unterschwellig, meist jedoch offensiv aggressiven Zeilen entfaltet sich so eine bedrückende, aber gerade dadurch extrem fesselnde Atmosphäre.

Allein die Texte: Ein Kosmos voller Antagonismen! Arm gegen Reich, Jung gegen Alt, Dorf gegen Stadt, Individuum gegen Kollektiv, Leben gegen Tod – Alle gegen Alle eben. ZM springen munter rein in das Haifischbecken namens Ellenbogengesellschaft, rein in eine Welt zwischen Dagi-Bee-Fans und Detox-Verfechtern, AfD-Wählern und Supreme-Käufern. Den Höhepunkt bildet das hochemotionale »Steine & Draht«, auf dem das Duo nachzeichnet, wie der Ost-West-Konflikt von Generation zu Generation weitergetragen wird.

Und gerade dann, wenn man als Hörer nicht mehr so recht weiß, wo einem eigentlich der Kopf steht, kommt grim im »Nachtbus« vorbei und bringt alle Emotionen auf einen einfachen Nenner: »Wie soll ich mich fühlen?/ Steh‘ zwischen den Stühlen/ Doch wenn ich mich dann hinsetz‘ und falle/ Weiß ich es wieder: Ich hasse alle!« Natürlich ist hier nicht einfach stumpfer, blinder Hass gemeint. Vielmehr jene starke Antipathie, die aus der Unzufriedenheit mit der Welt und den Wunsch nach einer besseren resultiert.

Bei all dieser Ablehnung, die natürlich in vielen Fällen auch ihren Rapper-Kollegen gewidmet ist, wird »Teenage Werwolf« fast so etwas wie ein Schlüsseltrack: Auf knapp drei Minuten schildern Testo und grim ihre Jugend in der Einöde bis dem Punkt, an dem die Rap-Musik in ihr Leben trat: »Mein Zimmer war eng, klein und muffig/ Punk war tot und das Lego verstaubt/ Durch die Straßen dröhnte die Stille/ und dann kam da dieser Sound!« Eine schönere Liebeserklärung an sich selbst hat Deutschrap schon seit vielen, vielen Jahren nicht mehr hevorgebracht. Zugezogen Maskulin drückten einfach nur »auf Play, eine Welt tat sich auf«. Mit ihrem neuen Album ist ihnen nun dasselbe gelungen.