Young Krillin & Crack Ignaz Bullies in Pullis II

Bullies in Pullis 2
ALL GOOD Punchline Spannende Diskrepanz.

Deutschrap wirkt wie ein QVC für Nobelmarken: Versace, Cazal, Rolex, Fiorucci oder Balenciaga. Es wird in Hooks nur aufgezählt und in Videos in die Kamera gehalten, was maximal teuer und vermeintlich exklusiv ist. »Dein Wasser Fiji, mein Wasser Wasserhahn. Du rappst von Gucci und dass du ballst wie Alaba«, setzt Young Krillin diesem spätkapitalistischen Wahnsinn auf »Immer mehr«, der ersten Videosingle von »Bullies in Pullis II«, entgegen. So stellt er unmissverständlich klar, dass zumindest seinerseits auf dem Kollabo-Projekt mit Crack Ignaz nicht nur darwinistischer Poser-Rap zu erwarten ist. Es findet sich dann tatsächlich viel Tiefgründiges und Reflektiertes auf den sechs Tracks. Das kommt jedoch überwiegend durch ebenjenen Young Krillin. Crack Ignaz, auf diesem Release und auch sonst eher für die QVC-Facette zuständig, ist auf »BiP II« aber keineswegs überflüssig.

Die besten Momente auf dieser Platte entstehen meist dann, wenn sich Ignaz und Krillin in ihren Aussagen widersprechen, gar unterschiedliche Werte propagieren. So antwortet Ignaz auf Krillins eingangs erwähnte Konsumkritik mit dem Name-Dropping von Wodka- sowie Auto-Edelmarken. Er betont dabei ausdrücklich, dass er mit »Brot brechen« immer nur das Money und nicht etwa irgendwelche altruistischen Grundnahrungsmittel-Gebergesten à la Jesus meint. Verschiedene, sich widersprechende Weltanschauungen stehen hier also direkt nebeneinander, was zu einer spannenden Diskrepanz, einer intensiven Reibung führt. Dass die Vertreter dieser unterschiedlichen Werte zudem seit Jahren beste Freunde sind, macht Hoffnung in einer Welt, in der die meisten sich nur noch mit Meinungen zu umgeben scheinen, die exakt den ihren entsprechen.

Die Beats zur Fortsetzung von »BiP GP« aus dem Jahre 2012 stammen durch die Bank von den Wiener Hector-Macello-Paten Fid Mella und Clefco. Mit Vinyl-knisternden Loops und Samples geben sie hierbei ein angenehm moderates Tempo vor, das auf die vom gängigen Trap-Geballer überlasteten Ohren einen geradezu wohltuenden Effekt hat. So schweben Saxophone, Gesangsfetzen und Glockenspiele melodisch vor sich hin, die Drums scheppern dazu. Als wäre das nicht schon genug, gelingt den beiden Producern dabei der Kunstgriff, dies alles nicht verstaubt, sondern maximal zeitgeistig klingen zu lassen. Gepaart mit eindrücklichen Milieu-Schilderungen wie auf »Nimm an Schluck« entsteht so eine dichte Atmosphäre, die selbst von den drei holprigen Hörspiel-Skits nicht zerstört werden kann. Dass die beiden Salzburger Rap-Brudis aber auch mal ganz entspannt Battle-Raps flexen können, zeigen sie dann auf »Gilmore Boys«.

Unter dem Strich bleibt Young Krillin nach dem wiederholten Anhören von »BiP2« im Gedächtnis, vor allem wegen seines hohen lyrischen Levels. »Ich tu mit Bordsteinschwalben den Portwein wegschwaben, mit einer Fahne bis Nordrheinwestfalen«. Mit Lines dieser Art und seiner charakteristischen, immer wieder fast wegbrechenden Stimme, kreiert er Bilder, die die absolute Hoffnungslosigkeit der Abgehängten – egal ob in Österreich auf Lesbos oder in Sachsen – transportieren. Vielleicht kann man sich auf dem nächsten Release ja dann doch noch dazu durchringen, denen auch mal was abzugeben, statt all seinen Besitz, wie auf »Gödlife 4 Life« propagiert, sogar mit ins Grab nehmen zu wollen. Und wenn es nur der nicht mehr benötigte Ferrari ist.