YG My Krazy Life
YG dürfte ganz schön froh sein, dass er nicht bereits 2009, als seine erste Single »Toot It And Boot It« direkt durch die Decke ging und ihm einen Majordeal bei Def Jam verschaffte, auch sein erstes Album veröffentlicht hat. Die Gefahr eines übereilten, unreifen Sammelsuriums, veröffentlicht auf Druck der Plattenfirma und auf Basis eines glücklichen Hits, wäre immens gewesen. Stattdessen nahm sich der inzwischen 24-Jährige die notwendige Zeit, um nun mit einem erstaunlich reifen, ausgewogenen und eigenständigen Debüt daherzukommen — und damit auch die entsprechenden Kritikerlorbeeren einzufahren.
Immerhin eines haben junge Rapper offenkundig von »good kid, m.A.A.d. city« gelernt: Dass man sich Mühe geben sollte, wenn man sein erstes richtiges Album aufnimmt und zusammenstellt. Und dass ein kohärentes Werk für einen MC auch heute noch eine kommerziell relevante Strategie darstellen kann. Das inhaltliche Konzept von »My Krazy Life«, das YG einen Tag lang durch sein stressiges Leben in Compton begleitet, ist jedoch nicht allein Kendricks 2012er Meisterstück entlehnt. Es steht auch in einer direkten Tradition von Westcoast-Klassikern wie »Doggystyle«, »EFIL4ZAGGIN« und »The Chronic«.
Letztlich hat YG keine wesentlich neue Geschichte zu erzählen. Der ganzkörpertätowierte Rapper stammt aus Compton, gehört zu den Piru Bloods, hat offenbar bereits einige Zeit im Knast verbracht und berichtet so glaubwürdig wie nachvollziehbar von einem Alltag zwischen Kriminalität und Eskapismus. Glücklicherweise sagt das platte Akronym in seinem Namen (Kurzform von »Young Gangsta«) wenig bis nichts über seine Fähigkeiten aus. Der Bursche ist kein außergewöhnlicher Techniker, aber ein äußerst eloquenter Geschichtenerzähler, der es mit stimmlicher Präsenz und interessanter Betonung versteht, seine Anliegen verständlich und bildhaft zu transportieren. Selbstironische Skits wie die Biggie-Hommage zwischen »Do It To Ya« und »Me & My Bitch« vervollständigen das Bild eines jungen Traditionalisten, der seinen Teil zur Kultur beitragen will — nicht mehr, nicht weniger.
»My Krazy Life« ist jedoch nicht nur das Werk von YG, sondern vor allem auch eine beeindruckende Demonstration der Fähigkeiten seines Produzenten und Geschäftspartners DJ Mustard, der gut die Hälfte der Tracks auf dem Album gebaut hat. Dessen charakteristische Formel aus clubtauglichen Synthies, klassischem Westcoast-Bounce und monströsen 808- und Bass-Linien führt den guten alten G-Funk-Gedanken auf postmoderne Weise fort. Schlüssige Referenzen wie der Talkbox-Einsatz auf »Meet The Flockers« oder das Dogg-Pound-Zitat in »Do It To Ya« betten dieses Album in einen eindeutigen historischen Zusammenhang ein, den letztlich auch The Game bereits erfolgreich bemühte, um die eigene Glaubwürdigkeit zu untermauern.
YG reitet inhaltlich allerdings nicht ansatzweise so sehr auf der eigenen Zugehörigkeit zur Musiktradition der Westküste herum, sondern konzentriert sich stattdessen auf eigene inhaltliche Ansätze ohne käsigen Metaebenenbezug. Hier zahlt sich das jahrelange, exakte Studium seiner musikalischen Helden DJ Quik, E-40, Lil Wayne, Biggie und 50 Cent aus. Wo The Game allzu oft der Versuchung erlag, den Geist seiner Vorbilder durch bloße Namensnennung zu beschwören, anstatt ihre Techniken tatsächlich zu adaptieren und auf eigene Ideen anzuwenden, beweist YG in Songs wie der »Next Episode«-Hommage »1 A.M.«, dass er imstande ist, ihre Geschichte adäquat weiterzuerzählen.
Wenn also ganz linksaußen Odd Future und ihr trotziger California-über-alles-Ansatz stehen und TDE als das progressive Bindeglied zwischen Avantgarde und Mainstream in der kulturellen Mitte fungieren, so bewegen sich YG und DJ Mustard deutlich tiefer in ganz klassischen, ja beinahe konservativen Rap-Gefilden, ohne dass ihre Raps und Beats auch nur ansatzweise altbacken klingen würden. Damit gehört »My Krazy Life« zu den spannendsten Alben des noch jungen Jahres und beweist einmal mehr, dass Los Angeles derzeit eines der kreativen Epizentren der HipHop-Welt darstellt.