Verrückte Hunde Tohuwabohu

VerrueckteHunde_Tohuwabohu_Cover
ALL GOOD Punchline Zurück in die echten™ Neunziger.

Ich fürchte, dass das Publikum einer Deutschrap-Platte, die mit den Worten »Hu! Ha! Booyakah! / Meine Crew ist da!« eröffnet, im Jahr 2014 rasch sortiert sein dürfte: Etwa 80 Prozent gehen sofort, rund zehn Prozent bleiben zwecks Ironie-Verdacht noch bis zum zweiten Song – verlassen dann aber ebenfalls, um im Bild zu bleiben, die Jam. Die restlichen zehn Prozent kriegen davon nix mit, weil: am Feiern. Was in den folgenden 42 Minuten »Tohuwabohu« passiert, lässt sich auf zwei Arten zusammenfassen: die eine lautet ›Hängengeblieben‹ – und erübrigt jede weitere Diskussion. Die andere, mir näherstehende, geht so: ›Oh. Macht Spaß.‹

Das sagt, dies sei der Vollständigkeit halber erwähnt, ein ab circa ’94 von House of Pain, Funkdoobiest und Das EFX sozialisierter Mittdreißiger, der schon alleine deswegen nicht im Ansatz neutral bleiben will. Und auch wenn Boom-Bap gerade wieder allerorten fleißig reüssiert, ist »Tohuwabohu« eben kein zeitgeistiges Instagram-Remake der Neunziger, sondern wirklich echt™ – will heißen: Staubige, knackende, gesampelte und gescrachte Soul-Assassins-, Artifacts- und Wu-Tang-Beat-Ästhetik, also simple, hämmernde Drums mit ziemlich, ja, funky Loops und reichlich Cuts oben drauf, frei von saisonalen Zusatzstoffen. Und obschon ich mit Live-Instrumenten im Rap ja eher argwöhne: der extra eingespielte Kontrabass ist Gold wert. »Same as it ever was« ist sowas von back from the dead.

Dass das dann auch noch so gut in Deutsch funktioniert, hat andere Gründe: Erstens sind SCU und Foxn zwei langjährig erfahrene, perfekt eingespielte und sich optimal ergänzende MCs. Schnell, sauber und stimmlich – einer oben, einer unten – abwechslungsreich, operieren die beiden irgendwo zwischen Everlast, Fu-Schnickens und Das EFX. Und trotz der unzähligen textlichen und sprachspielerischen Querverweise auf die Vorbilder klingt’s nie einfach kopiert.

Zweitens hauen die beiden ihre fast exemplarisch hängengebliebenen Inhalte so empörend aufrichtig raus, dass üblichem Format-Hate wenig Angriffsfläche bleibt. Ob nun die Rucksack-Kaputtnik-Story vom gestreckten Weed, die vergleichsweise schwermütige Abrechnung mit der Leistungsgesellschaft oder – allen Ernstes – eine treibend schnelle Piraten-Analogie auf die gute-Rapper/schlechte-Rapper-Nummer: so nachdrücklich selbstbewusst hat lange niemand mehr alle angesagten Strömungen ignoriert.

Würden andere Rapper diese Texte vortragen, wär’s mindestens befremdlich, vermutlich einfach peinlich. Wack MCs als »Katzen« zu bezeichnen, die »draussen bleiben müssen« und entsprechende DJs, die »nicht mehr alle Platten im Schrank haben«, sind nicht unbedingt die Ansagen, mit denen man raprethorische Unantastbarkeit demonstriert. Das wollen die Verrückten Hunde, die ihre Erfahrung als ›Die L.P.‹ in Teilen bereits in den Neunzigern gesammelt haben, aber auch längst nicht mehr – und sagen lieber »Ohne mich«.

Kurzum: »Tohuwabohu« ist eine offen und ehrlich rückwärtsgewandte und dabei sensationell gute HipHop-Platte mit einer niedrigen, für, äh, erfahrenere HipHop-Semester im Prinzip non-existenten Einstiegshürde: Das Teil läuft vom Intro bis zum Outro problemlos durch. Gerne mehrmals hintereinander. Wie damals die »Black Sunday«. Dankeschön.