Raz Simone Cognitive Dissonance
HipHop-Hochburg Seattle. Nee, echt jetzt. Grammy für Macklemore hin oder her – was derzeit Rap-technisch an der amerikanischen Nordwestküste passiert, ist größer als jemals zuvor. Seien es die Cloud-Rap-Pioniere Blue Sky Black Death, der böse Clown Nacho Picasso oder Raider-Klan-Sprössling Key Nyata: Seattle ist im Jahr 2014 endlich Mal on the map. Raz Simone ist ein weiterer Name aus dem Bundesstaat Washington, den man sich spätestens mit der Veröffentlichung von »Cognitive Dissonance« merken sollte.
Mit seiner kratzigen, geschundenen Stimme und den introvertierten Texten aus dem Leben eines gequälten Hustlers erinnert Raz Simone ein Stück weit an den derzeit angesagtesten New-Orleans-Export Kevin Gates. Ähnlich wie Gates überzeugt Simone durch die reflektierte Mischung aus Ich- und Vogel-Perspektive, mit der er die eigene, raue Lebensgeschichte schildert. Poetisch anmutende Spoken-Word-Einlagen, die zwischen den Liedern immer wieder aufschimmern, verstärken den Eindruck des unwahrscheinlichen Straßenpoeten.
»8 Rangs« lässt die Formel perfekt aufgehen. Ein knackiger, von Tribal-Sample-Passagen durchzogener Beat liefert die Grundlage für ein widerwilliges Bekenntnis zum Thug Life – hervorgetragen mit hörbarem Herz in der Stimme und großartigem Flow-Gespür.
Wenn Simone wie auf »Don’t Shine« oder »Hometown« die Pop-Keule schwingt, versteht man auch, weshalb der Industrie-Veteran Lyor Cohen sich den Rapper für sein neues Label 300 Entertainment unter den Nagel gerissen hat. Auch wenn diese Songs sich manchmal ungemütlich direkt dem EDM-Ekzem annähern – durchdachte und berührende Aussagen schlummern in jeder Anspielstation des Albums.