Ras Kass & Apollo Brown Blasphemy

Gotteslästerung ist in manchen Zusammenhängen eine strafbare Angelegenheit. Auch im Rap gab es Götter, gegen die man seinerzeit besser nicht opponierte. Dass Detroit-Producer Apollo Brown und Westcoast-Legende Ras Kass für ihr gemeinsames Album abgestraft werden, ist aber sehr unwahrscheinlich. Ihnen sind die HipHop-Götter auf dem eigenen Weg in den Olymp schließlich heilig (ohne zum Götzenanbeter zu werden). Auf ihrem gemeinsamem Album »Blasphemy« wurde formal-ästhetisch zunächst alles korrekt abgearbeitet, was man aktuell in diesem Genre, das manche »Neo-BoomBap« nennen, so zu tun hat. Massive Kickdrum und prägnante Snare? Check. (Zerhackte) Soul-Samples? Check. Gepitchte Vocals und Vocal-Scratches? Check. So weit, so langweilig, mag da manch einer sagen. Wer will noch den x-ten Aufguss einer Beatästhetik zelebrieren, die ohnehin (mittlerweile auch im deutschen Straßenrap) so was von zurück ist, dass sie schon bald wieder weg sein könnte?
Hier liegt der Fall aber anders. Natürlich wird bei Apollo Brown und Ras Kass die MPC nicht grundsätzlich neu erfunden, hier wird klassische Ästhetik behutsam, aber zutiefst überzeugend einem Update unterzogen. Feintuning ist das Rezept – Dilated-Peoples-Style: Immer schön wissen, was man kann und das zur Perfektion treiben, ohne langweilig zu werden. Apollo Brown ist dabei keiner dieser Produzenten, die in allen noch so abseitigen Genres nach Samples und Einflüssen wildern und versuchen, sich Track für Track neu zu erfinden. Hier bekommen soulige Streicherflächen und die druckvolle Kick – und das ist von entscheidender Bedeutung – ein Klangvolumen, das sich der eine oder andere Genrekollege noch abgucken muss.
Ganz klar: Wer momentan straight auf dem Trap-, Cloud- oder Experimental-Film ist, greift nicht zwangsläufig zu »Blasphemy«. Dennoch hat dieses Album großes Konsenspotenzial. Was auf diesen 15 Tracks passiert, ist souverän beherrschtes Handwerk – am Beat und am Mic. Wie der Detroiter Producer ästhetische Versatzstücke, die stark an Premier (»Bon Voyage«), RZA (»Strawberry«), frühe G-Unit-Produktionen (»Animal Sacrifice«) oder auch Dilated Peoples (»H20«) erinnern, zu einer epischen Verbeugung vor dem Golden Age montiert, hat große Klasse. Einzig der Kollabotrack mit Royce da 5′ 9“ sowie Xzibit und Bishop Lamont (»Giraffe Pussy«) bricht ein wenig aus dem Klangbild heraus und hätte vielleicht als Bonustrack einen konzeptuell besseren Stand gehabt. Wer dafür Hymnen wie »48 Laws Pt. 1« bekommt, der kann solche Minimalirritationen lächelnd abstreifen. Das Resultat ist eine Platte mit gut ausgewählten Features, die – wie zuvor bereits die Kollaborationen mit Guilty Simpson und OC (beide 2012) – im besten Sinne zeitlos ist, ohne hängengeblieben zu sein.
Endlich bekommt der mittlerweile 41-jährige Kalifornien-Veteran Ras Kass mal das, was er sich innerhalb seiner wechselhaften Karriere zu selten an Land ziehen konnte: Beats, die seinem unorthodoxen Flow eine grandiose Plattform bieten. Dass hier lyrisch keine überdurchschnittlich anspruchsvollen oder (übermäßig) modisch-melancholischen Ausrufezeichen gesetzt werden – geschenkt. Hier geht es um das eigene Geilsein und Representing – manchmal bildhaft oder biografisch-anekdotisch aufbereitet, manchmal in Battlemanier, schlussendlich also um das, was im gehuldigten Golden Age die Essenz von Rap war. Dank Apollo Browns Produktionsarbeit wird sich tatsächlich zeigen, ob RZA mit »A Better Tomorrow« und Premo mit seinem PRHyme-Projekt (beide noch für dieses Jahr angekündigt) das produktionstechnische Level von »Blasphemy« erreichen.