Prinz Pi Im Westen nix Neues

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ALL GOOD Punchline Chance leider verpasst.

Mit der Namensgebung für sein neues Album hat Prinz Pi sich eine große Aufgabe aufgehalst. Die Referenz auf Erich Maria Remarques (fast) gleichnamigen Roman lässt einen Rundumschlag gegen die politischen Mächte des Abendlandes und ihren rücksichtslosen Ellenbogenkapitalismus vermuten. Im Vorfeld kündigte Pi an, einen eher subtilen Ansatz zu verfolgen und die großen Zusammenhänge aus dem Kleinen heraus thematisieren zu wollen.

Doch so sehr sich dieser Kunstgriff in letzter Zeit bewährt haben mag – man denke nur an das großartige »Parallelen« von Celo & Abdi –, sorgt doch genau diese Idee dafür, dass das Album hinter den Erwartungen zurückbleibt. Pi verliert sich über den Großteil der Tracks hinweg viel zu sehr in diesem kleinen Rahmen, sodass der größere Kontext nahezu vollständig verschwindet. »Kreuzung atmet im rotgrünen Rhythmus, stockend/ Paar Kids jetzt, mit grad geholten Sixpacks hockend/ Auf den Stromkästen, Handylautsprecher werfen Tonfetzen/ Zu denen LEDs in Bremsleuchten zu Rot wechseln« Still und heimlich wird die vermeintliche Kritik so gegen Pathos und Nostalgie eingetauscht.

Das wäre an sich gar nicht schlimm, die Songs sind deshalb auch nicht grundsätzlich schlecht. Das ewige Kreisen um Mittelstandsprobleme aber klingt lyrisch oftmals eher nach als Vorlage für Fan-Tattoos konzipierten Aphorismen als nach Musik gewordener Kapitalismuskritik, und wirkt daher auf Dauer einseitig. Pi erzeugt mit seinen Worten Bilder im Kopf, die zur Identifikation nur so einladen, doch hier und da hätte eine Prise mehr Meinung statt Beschreibung dieser klammheimlichen Romantisierung sicherlich entgegengewirkt. So aber schleicht sich spätestens zur Hälfte des Albums das Gefühl ein, das alles schon einmal so oder ähnlich auf »Kompass ohne Norden«, Pis letztem Album aus dem Jahr 2013, gehört zu haben.

Da ist es schon bezeichnend, dass ein Song wie »Weiße Tapete« zu den Highlights zählt. Genau genommen handelt es sich hier auch nur um einen weiteren Representer im typischen Stil des Berliners – aber endlich nimmt das Album mal ein bisschen Fahrt auf! Das Rebellentum, das sich Pi einst auf die Fahne schrieb, blitzt wenigstens für einen kurzen Moment auf: »Hälfte John F. Kennedy, Hälfte Sons of Anarchy/ Ich brauche keinen Arzt, der mir mein Leben in die Länge zieht/ Vielleicht zerstör‘ ich mich, vielleicht zerstör‘ ich dich/ Doch egal, was mir alle sagen wollen, ich höre nicht« Pi rappt klug, frech und vor allem: motiviert. Ein ähnlich hohes Energielevel erreichen ansonsten nur noch der Titeltrack und »Werte« (mit Sample von Marylin Mansons »Sweet Dreams«).

Dass Pi der Versuch, die große Weltpolitik mit dem Alltag des Einzelnen zu verknüpfen, durchaus gelingen kann, beweist schließlich der Track »Schornsteine«, für den Pi in die Rolle eines Arbeiters in einer Waffenfabrik schlüpft. Ein ungewöhnliches und unbequemes Sujet, mit dessen Hilfe er die Leichen aus dem Keller der Bundesrepublik holt. Leider funktionieren so die wenigsten Titel auf dem Album. Zu zaghaft geht Pi letztlich vor, zu abgegriffen sind die gewählten Konflikte und Geschichten. Es fehlt einfach der Biss.

Da passt das Soundbild nur allzu gut ins Bild: Flächig und unaufdringlich eingesetzte Streicher, Orgeln und Piano-Klänge, hier und da angereichert mit gesungenen Background-Vocals und folkigen Akustikgitarren. Wenn dann auch noch Philipp Dittberner für eine Hook vorbeischaut, ist der Easy-Listening-Gipfel endgültig erreicht. Kaum etwas kracht oder knallt. Auch wenn einige wenige Songs links und rechts mal ausscheren: Insgesamt klingt das alles zu glattgebügelt. Hier wurde die Chance verpasst, etwas Großes zu schaffen.