Prezident Handfeste EP
So paradox es klingt: Für seine kostenlos veröffentlichte »Handfeste«-EP hat Prezident die Konzeptlosigkeit zum Konzept erhoben. Themensongs? Fehlanzeige. Braucht er auch gar nicht. Am besten war er seit jeher, wenn er frei von der Leber weg über Gott und die Welt gerappt hat.
Dabei macht er der einst selbstgewählten Schublade »Whiskeyrap« mal wieder alle Ehre, denn der inhaltliche Horizont reicht hier gerade mal so von der Theke bis zur Bühne – diverse Nebenschauplätze inbegriffen. Dass dieser stark begrenzte Themenkomplex nicht spätestens beim dritten Song langweilt, sondern von Anfang bis zum Ende in den Bann zieht, ist eine Kunst, die Prezident mittlerweile aus dem Effeff beherrscht: »Ich fress‘ Notizzettel, trink ‚nen Kaffee, hau ‚ne Aspirin weg / und kacke kurz ein paar Klassiker nach ‚nem Katerfrühstück.«
Selbstbewusst und zielsicher arbeitet sich der Wuppertaler der Reihe nach an Prototypen der deutschen Rap-Szene ab und spielt dabei »mit Sprache wie Katzen mit Beute«. Gewichte stemmende Muskelprotze werden ebenso abgewatscht wie Möchtegern-James-Dean-Reinkarnationen. »Für was für einen Scheiß es Applaus gibt, ist schlichtweg unglaublich«, stellt auch NMZS posthum auf dem gemeinsamen Track »Special Effects« fest.
Ganz besonders hat es Prezident auf glattgebügelte Chart-Rapper abgesehen, die für ein bisschen Rampenlicht ihre Seele zum Spottpreis verhökern. »Erfolg kann man auf Pump haben, aber Soul kann man nicht lernen«, verkündet er und bietet sich selbst als Beweisstück A an – vollkommen zu Recht. Mit präzisen Punchlines zeigt er Deutschraps wunde Punkte auf, während er sich selbst als trunkenen Philosophen inszeniert.
Die größtenteils düsteren und von Streichern dominierten Sample-Beats von Epic Infantry, Jefkoe, Orange Field und Bojanglez setzen dieser Sprachgewalt die nötige Portion harte Drums entgegen. Abgerundet wird das Ganze durch zahlreiche Vocal-Cuts und eingespielte Filmzitate. »Man könnte meinen, ich wüsste, was ich tue, doch ich weiß es nicht«, rappt Prezident auf »Mount Average«. Angesichts dieser virtuos erzeugten Atmosphäre des intellektuellen Untergrunds müsste man ihn eigentlich der Lüge bezichtigen.
Wenngleich Prezident ein lupenreiner MC alter Schule ist, so befindet er sich dennoch auch im Jahr 2015 am Puls der Zeit. Der Wuppertaler spielt zwar nicht in Sachen Verkaufszahlen, dafür aber raptechnisch seit langem in der obersten Liga mit – nur wissen tun das bisher die Wenigsten. Es wäre daher sehr wünschenswert, dass er mit dem kommenden Album »Limbus« endlich die Beachtung erfährt, die ihm zusteht. Sowohl für Prezident als auch für ganz Deutschrap.