Nicki Minaj The Pinkprint

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ALL GOOD Punchline Weniger Skips, mehr Gespitte.

Es ist ja so: Je heißer man das Releasedate eines Albums herbeisehnt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, am Ende enttäuscht zu werden. Bei Nicki Minaj besteht diese Gefahr erst recht: zwar rasiert die Queen der Young-Money-Bande Female Rap in jeder Hinsicht, doch ihre Alben waren bisher immer auch von Quietsch-Pop im Stile Ariana Grandes durchtränkt.

Als ich den Namen ebenjenes Kinderstars auf der Rückseite dieser Minaj-Platte, obendrein beim Tracknamen »Get On Your Knees« las, musste ich stutzen: Ist das noch Kinderstar-konform? Whatever – es muss wohl an der Beziehung Ariana Grandes mit Kanye-Jüngling Big Sean liegen. Der Chance stattgegeben.

Also rein in die Platte. »All Things Go« – und Menschen ebenso. Zum Beispiel Nickis Cousin, der 2011 in Brooklyn verwechselt und erschossen wurde. »His sister said he wanted to stay with me, but I didn’t invite him / Why didn’t he ask, or am I just buggin’? / Cause since I got fame, they don’t act the same / Even though they know that I love ’em.« Alles für die Familie – doch von der Distanz, die das Starsein gegenüber dem Ottonormalverbraucher schafft, bleiben selbst familiäre Bindungen nicht verschont.

Tatsächlich geht es mit ganz viel Herzschmerz weiter, auf typisch minimalen YMCMB-Beats, die Drake schon auf »Nothing Was The Same« den nötigen, ernsthaften Unterbau für Tracks wie »The Language« oder »Too Much« lieferten. Den Höhepunkt des emotional schweren Einstiegs in »The Pinkprint« bildet dann aber erst »Crying Game«, denn dafür hat Jessie Ware ihre wunderbar zarte, aber ebenso erwachsene Stimme hergegeben. Auch später kommt Nicki immer mal wieder auf ihre vergangene Beziehung zu sprechen – es muss hoch hergegangen sein im »Bed of Lies« mit Safaree Lloyd Samuels alias Scaff Breezy.

Aufgebrochen wird diese Gefühlsschwere dann durch das bereits erwähnte Nickelodeon-Stimmchen Ariana Grande. Wobei »Get On Your Knees« einen völlig anderen Eindruck hinterlässt, als noch das lollipoppig-quietschende »Bang Bang«.

Das erste echte Highlight ist aber das Beyoncé-Feature »Feeling Myself«. Denn schon bei Nickis Gastverse auf dem »Flawless«-Remix hatte man das Gefühl, dass sich hier zwei gefunden haben. Die Stimme von Bey klingt seit ihrem out-of-the-blue-Release im letzten Jahr rau und interessant wie nie zuvor und geht seitdem eine Liebe mit HipHop ein. Außerdem dürften sich die beiden Damen einig sein, was den von ihnen propagierten Feminismus angeht. Feminismus trotz (oder gerade wegen) selbstgewählter Objektivierung der eigenen Sexualität? Das funktioniert easy, denn im Kern geht es um Gleichberechtigung – und dafür treten beide seit Jahren ein, jede auf ihre Art: mal offensichtlich über Songs, mal eher hintergründig in Interviews.

Apropos starkes Duett: Bei »Four Door Aventador« fragt man sich, wer denn bitteschön die zweite Stimme ist, die sich da ganz plötzlich zu Nickis Biggie-Flow gesellt. Es ist Asabe Ighile, die Schwester des Produzenten Parker Ibrahim Ighile und das Wechselspiel in bester Lil-Kim-und-Missy-Elliott-Manier weckt Erinnerungen an gute alte Zeiten. »Buy A Heart« zieht dann mit seinem UK-inspirierten Downbeat, der zur Hook von Meek Mill kanyesque explodiert, noch einmal gut rein. Die Pophymne »Pills and Potions« ist allerdings mittlerweile genauso »overdozen« wie die im Track besungene Beziehung – und bei »Anaconda« sieht’s auch nicht anders aus, was die zweite Hälfte der Platte letztlich stark abfallen lässt.

Nichtsdestotrotz ist »The Pinkprint« das bisher beste Album von Nicki Minaj. Weil: weniger Girlie, weniger Barbie, dafür mehr Gespitte, Ausgeteile und Persönliches. Poptracks hier, Raptracks dort? Diese Trennung funktioniert nicht mehr, Skip-Pflichten gibt es weniger. Wer allerdings Songs wie »Bed of Lies« über seine zu lauten Kopfhörer in der U-Bahn mit den Sitznachbarn teilt und dabei Hubba-Bubba-Blasen platzen lässt, darf sich über den Verlust seiner street credibility nicht wundern – aber es ist eben auch »The Pinkprint« und nicht die Blaupause vom Jigga.