Mobb Deep The 1994 Infamous Sessions

Mobb Deep - The Infamous Sessions_ALL GOOD
ALL GOOD Punchline Wehmütige Erinnerung.

Irgendwann hatten Mobb Deep mich verloren. Dabei war ich echter Fan. Ich hatte sogar den Move zur G-Unit »aus wirtschaftlichen Gründen« gutgeheißen, noch auf »Blood Money« ein paar echt gute Songs gefunden und Prodigys Solo-Mixtape »Product Of The 80s« zu einer der besten Veröffentlichungen der nuller Jahre hochstilisiert. Doch 2012 war endgültig Schluss. Meine beiden inzwischen 37-jährigen Helden beleidigten sich gegenseitig auf Twitter, als wären sie minderjährige Drill-Rapper. Ich konnte die einfach nicht mehr ernst nehmen.

Das neue, inzwischen achte Mobb-Deep-Studioalbum »The Infamous Mobb Deep« versöhnt mich mit Prodigy und Havoc zumindest ein Stück weit. Produziert von alten Helden wie Havoc und Alchemist, aber auch von jungen Wilden wie Michael »Uzi« Uzowuru und Kaytranada, markiert die Platte eine Rückkehr zur Form, auch wenn am Ende der große Hit und vor allem das Momentum fehlt. Doch die eigentliche Sensation ist die Bonus-Disc, die dem neuen Album still und heimlich beigelegt wurde: »The 1994 Infamous Sessions«.

Die ewige Diskussion darum, ob »The Infamous«, »Hell On Earth« oder gar »Murda Muzik« das letztgültige Meisterwerk von Prodigy und Havoc darstellt, können wir an dieser Stelle ignorieren. Immerhin dürften wir uns einig darüber sein, dass die beiden jungen MCs aus Queensbridge nach ihrem ersten, nicht mehr als okayen Album »Juvenile Hell« einen beeindruckenden Qualitätssprung gemacht haben. Diese Entwicklung dokumentieren die jüngst aufgetauchten Demos, die für diese Bonus-Disc zusammengefasst wurden.

Hier gibt es Demos von heute kanonischen Songs wie »Eye For An Eye«, »Survival Of The Fittest« oder »Temperature’s Rising« zu hören, die schließlich in ähnlichen oder anderen Versionen auf »The Infamous« gelandet sind. Außerdem wurden Songs wie »Get It In Blood«, »The Bridge« oder »We About To Get Hectic«, die bislang lediglich auf schlecht kopierten, verrauschten Kassetten im Umlauf waren, endlich mal vernünftig gemischt und gemastert. Man begleitet Havoc, wie er im Verlauf des Jahres 1994 aus gut gemeinter MPC-Stümperei seinen charakteristischen Produktionsstil entwickelt, der unter Q-Tips Anleitung auf »The Infamous« weiter ausdefiniert wurde.

Gerade für jemanden, der »The Infamous« in den letzten 19 Jahren so oft gehört hat, dass er die meisten Prodigy-Verse auswendig rezitieren könnte, wenn man ihn nachts aus dem Schlaf reißen würde, sind »The 1994 Infamous Sessions« eine willkommene Ergänzung. 1994 war ein ausgezeichneter HipHop-Jahrgang: Nas, Biggie und Method Man definierten das Rap-Spiel neu, die Beastie Boys und die Digable Planets bedienten die B-Boys und Bohémiens, parallel dazu werkelten zwei junge Halsabschneider aus Queensbridge an ihrer Weltübernahme. Diese Demos evozieren mehr noch als das endgültige Album ein bestimmtes Gefühl — eine verblasste, wehmütige Erinnerung an eine vergangene Ära.