LX & Maxwell Obststand

obststand
ALL GOOD Punchline Straßenrap ohne Firlefanz.

Was Straßenrap aus Deutschland angeht, gibt es für mich derzeit kein Vorbeikommen an den Hamburgern von der 187 Straßenbande. Warum? Weil die Jungs von der Hansestadt aus gerade ein gutes Album nach dem anderen auf den Markt bringen, sich dabei einen Dreck darum scheren, was im HipHop gerade wie gemacht werden muss und dabei mit ihrem unbändigen Hunger und ganz eigenen Humor an den vollkommen überdrehten Vibe der frühen Jahre von Aggro Berlin erinnern. In einer Zeit, in der deutscher Straßenrap in Sachen Images oder den Inhalten von Deluxe-Boxen gimmickbehafteter denn je ist, kann man das Engagement von Bonez MC und seinen Jungs nur begrüßen.

Nach »High & Hungrig«, dem Kollabo-Album von Bonez und Gzuz steht jetzt die nächste Veröffentlichung eines Zweiergespanns, nämlich die der beiden 187-Rookies LX und Maxwell an. Maxwell dürfte aufmerksamen Straßenbanden-Aficionados spätestens seit seinem »Maxwell, Toplevel – 1A-Stoffwechsel / ein Leben zwischen Fast Food und Ott-Päckchen« auf dem »187 AllStars 2013«-Medley und den Features auf »High & Hungrig« ein Begriff sein. LX hingegen machte mit der letzten Labelsampler-Single »Compton«, in der er noch mal kurz aufzeigte, worin genau die Parallelen zwischen den unschönen Ecken von L.A. und HH liegen, von sich reden.

Der »Obststand«, vor dem LX und Maxwell platinkettenbehangen und beschürzt auf dem Cover ihres gemeinsamen Albums mit saftigen Früchten in den Händen stehen, ist – vermutlich – natürlich nur eine Metapher für den schnellen aber zeitgleich auch serviceorientierten Handel mit einer frischen und wohlriechenden Ware, die eher wenige Vitamine, dafür aber umso mehr THC beinhalten dürfte. Über genau jenes Bauchtaschen-Business und alles was dazu gehört, rappt das Duo auf den 15 Tracks dann auch in aller Ausführlichkeit, ohne den Lifestyle dabei zu verherrlichen.

Heißt konkret: Tagsüber im Lacoste-Trainingsanzug und mit superleichten Turnschuhen draußen rumhängen, ein bisschen Obst verkaufen, zwischendurch mal einen aufrollen, dazu eine 0,33-ml-Dose Eistee mit Kohlensäure schlürfen und aufpassen, dass einem der Blueline-Pitbull nicht abhaut… Danach kann man dann mal den V8 im Benzer aufheulen und sich vom Sound der Bose-Boxen hypnotisieren lassen, ehe es Abends entweder in U-Haft oder auf eisgekühltem Jägermeister in den Club geht.

Neu ist das natürlich nicht. Aber die beiden feuern ihre mit Schlitzohrigkeiten und Synonymen für Rauschmittel gespickten Doppelreimketten dermaßen unprätentiös und gleichzeitig on point über Beats fernab vom dieser Tage so omnipräsenten Prollo-Trap- und BoomBap-Einheitsbrei, dass es eine wahre Freude ist. Maxwells entspannt-arrogante Vortragsweise wechselt sich dabei so passend mit LX’ aggressiven ADHS-Flows ab, wie man es zuletzt auf dem »Mietwagentape« von Celo & Abdi aus dem Jahr 2011 gehört hat.

Das funktioniert auch so gut, weil Jambeatz wieder allerfeinste Spuren aus seinem Fruity Loops gebounced hat. Die etwas einfallslosen Imitationen aktueller Amitrends wie auf »Wir gehen hoch« oder »Salz & Pfeffer« braucht es da meiner Meinung gar nicht. Songs wie »Geschäfte«, für die der Haus- und Hofproduzent Sägezahnbässe und das Hintergrundgedudel aus der nächstbesten Shisha-Bar zusammengeschmissen hat, erinnern mich in ihrer Machart an die ersten Bushido-Beats von anno ‘99 und sind folglich atmosphärischer als 90 Prozent aller pseudomusikalischen HipHop-Arrangements der letzten zwei Jahre.

Dieser erfrischend firlefanzfreie Straßenrap gipfelt dann gegen Ende im heimlichen Hit der Platte: dem Posse-Cut »Haifisch Nikez«, einer Hymne auf den Nike Air Max Plus, für den neben LX und Maxwell auch Gzuz einen mächtigen Part abliefert und Bonez und Sa4 die Hook klären. Insbesondere Gzuz macht damit ordentlich Lust auf sein hoffentlich noch dieses Jahr erscheinendes Soloalbum. Bis dahin ist »Obststand« von LX und Maxwell aber definitiv das Beste, was deutschem Straßenrap in 2015 bis dato passiert ist.