Killer Mike Michael
Dass »Michael« ein intimes Selbstportrait von Killer Mike sein soll, weiß man in erster Linie deshalb, weil der Rapper das in Interviews immer wieder betont hat. Leider fühlt sich das Album glattgebügelt und identitätslos an. Schade eigentlich.
Killer Mike hat nun also ein autobiografisches, nach Innen gerichtetes Soloalbum über sich selbst gemacht. War ja nur eine Frage der Zeit, schließlich kannte man ihn in den letzten zehn Jahren fast exklusiv im Kontext des Randale-machenden Duos Run The Jewels. Obwohl es ehrlicherweise eher weniger besonders ist, dass eine Rap-Platte als Abbild ihres Protagonisten funktioniert – geschätzte 91% der allerbesten HipHop-Alben tuen das –, wollte Killer Mike seine Intention in diesem Fall unmissverständlich klarmachen, gab seinem neuen Solowerk dementsprechend den Titel »Michael« (man glaubt es kaum: Killer Mike ist lediglich sein Künstlername) und entschied sich im Hinblick auf das Albumcover natürlich für ein putziges Kinderfoto. Ehrensache. Damit es auch ja kein Vertuen gibt, dass das Konzept hier Selbstportrait heißt.
»Michael« soll laut eigenen Angaben also eine Art origin story sein, damit die Welt endlich den Typen hinter der Superhelden-Maske kennenlernt. Die große Frage: Was geht vor in diesem Mann, der sich als politischer Aktivist immer wieder in seiner Heimatstadt Atlanta engagiert und außerdem als lautstarker Befürworter für den Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders in Erscheinung trat (das ist sehr sympathisch; Killer Mikes Meinungen hinsichtlich gun control hingegen eher weniger). In Interviews bewirbt er das Album mit Sätzen wie »That’s me for real!« und will sich im Vergleich zu seinem vorherigen Solowerk, dem politisch aufgeladenen »R.A.P. Music« (2012), diesmal persönlich und verletzlich geben. Etwas, dass – wenn man sich beispielsweise die letzten, Therapie-thematisierenden Platten von Denzel Curry, slowthai oder Kendrick Lamar anschaut – ja generell gerade ein Ding im Album-fokussierten HipHop zu sein scheint.
Doch während die Alben dieser Künstler jeweils mit einer originellen Identität überzeugen konnten, handelt es sich bei »Michael« lediglich um glattgebügelten, farblosen Prestige-Rap. Man merkt fast in jeder Sekunde, dass zu viele Köpfe sich zu viele Gedanken gemacht haben, dabei keine wirklich besonderen Ideen entstanden sind und der Platte als Konsequenz daraus jegliches Leben ausgesogen wurde. Vielmehr wurde hier zwanghaft versucht, ein pompöses Rap-Meisterwerk zu kreieren. Nur: das muss man halt auch können. Sonst lieber kleiner denken. Und Killer Mike selbst ist zwar die am häufigsten auftauchende Stimme, fühlt sich aber kaum wie das leitende Zentrum der Platte an – obwohl die tiefgehende Darstellung seiner Person ja das ursprüngliche Ziel war.
Wenn Killer Mike also in »Shed Tears« darüber rappt, dass ihm jeden Morgen vor dem Badezimmerspiegel die Tränen kommen, ist das ganze Grundgerüst des Albums zu ausdruckslos, um mit ihm mitfühlen zu können. Die gelegentlich sehr klischeehaften Lyrics helfen da auch nicht wirklich: »Lord, I cried, almost died, empty inside / The devil whispers in your ear, you contemplate suicide«. Oder diese eine Textzeile aus »Motherless«, dessen Titel relativ selbsterklärend sein sollte (Killer Mikes autobiografische Platte ist nämlich auch eine Hommage an die wichtigsten Leute in seinem Leben): »I be missin‘ huggin‘ you, I miss kissin‘ you, I miss all the jewels and I miss all your wisdom too«. Er führt seinen Schmerz detailliert aus – und doch lässt mich der Song kalt. Es fehlt schlichtweg zu viel; vor allem Ecken und Kanten, die bei Run The Jewels ja immer so schön präsent sind. Nichts an »Michael« ist wirklich schlecht, genauso wie nichts daran wirklich interessant ist. Wenn man es gerade hört, nervt es nicht. Ich werde das aber nicht tun.
Vielleicht eine kleine Anmerkung zum Schluss: Das Feature von André 3000 in »Scientists & Engineers« hat mich besonders enttäuscht. Vor allem aufgrund der Kombination mit Future waren meine Erwartungen sehr hoch, schließlich haben die beiden mit »Benz Friendz (Whatchutola)« einen der tollsten Rap-Songs der 2010er Jahre veröffentlicht. In den 54 Minuten, die »Michael« dauert, könntet ihr euch diesen Song fast dreizehnmal anhören. Viel Spaß dabei!