JPEGMAFIA & Danny Brown SCARING THE HOES

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ALL GOOD Punchline Brutal!

Die wichtigste Voraussetzung, um das – ich sage mal – unkonventionelle Album »SCARING THE HOES« in all seiner Pracht genießen zu können: Gar nicht erst versuchen, beim wiederholten Hören irgendeine Form von Orientierung zu bekommen, sondern die chaotische Unordnung lieben lernen. Wie viele Produktionsentscheidungen sorgfältig platziert wurden und wie viele einfach im Affekt entstanden sind, ohne dass ein zweiter Gedanke daran verschwendet wurde, ist ja letztendlich auch egal. Wichtig ist nur, dass sich hier japanische Werbespots aus den 80ern mit verzerrten Rockgitarren vermischen und kurz danach dann der 2003er R&B-Hit »Milkshake« zu einem (im guten Sinne!) stressigen Hyper-Rap-Banger umgewandelt wird.

Zwischendurch wirft einem die Platte außerdem oldschoolige DJ-Scratches, Gameboy-Gedudel und vollgekoksten Chipmunk-Soul um die Ohren; das alles häufig in Kombination mit schnarrenden Synthesizern und/oder aufgekratzten Drum’n’Bass-Grooves. Es werden auf »SCARING THE HOES« demnach nur sehr wenige Ficks gegeben, was ziemlich befreiend ist. Wenn du mit so einem Ansatz, also Randomness als ästhetische Entscheidung, deine Musik machst, hast du alle Möglichkeiten dieser Welt. Daraus dann ein vernünftiges Endprodukt zu gestalten, das nicht albern oder lächerlich rüberkommt, gelingt lediglich den Allerbesten.

Und die Allerbesten sind im Universum des Experimental Hip-Hop nunmal JPEGMAFIA (kurz: Peggy) und Danny Brown, die mit »SCARING THE HOES« nun ihr erstes Kollabo-Album veröffentlicht haben. Die beiden passen so perfekt zusammen, dass ein Zusammenkommen eigentlich unvermeidbar war – vor allem, weil sie die größten Fans voneinander sind. »Kanyes a Nazi now, so hes my #1 rapper at this point«, teilte JPEGMAFIA vergangenen Monat dem Musikmagazin Stereogum mit. Und Danny Brown meinte ja schon vor ein paar Jahren, dass Peggys ebenso irritierendes wie wundervolles Werk »All My Heroes Are Cornballs« das beste Rap-Album seit »To Pimp A Butterfly« gewesen sei.

Als JPEGMAFIA erstmals auf sich aufmerksam gemacht, erkannte der fast zehn Jahre ältere Brown sich so sehr in ihm wieder, dass er Angst bekam; mit den Worten »This ni**a is about to take my job!« beschrieb er im Podcast Danny’s House seine damaligen Gedanken. (Kleine Randnotiz für die Indie-Kids: Die beiden Rapper harmonieren mindestens genauso gut wie die drei Singer-Songwriterinnen von boygenius, die ja gerade wieder in aller Munde waren – und das soll schon was heißen.)

»To this day I give people beats and they’re just confused«, erzählte JPEGMAFIA – der alleinige Produzent von »SCARING THE HOES« – mal in einem Interview mit The Cambridge Union. Sein neuer Duo-Kollege scheint von diesen Beats jedoch alles andere als verwirrt zu sein, denn Browns Verse im Highlight »Burfict!«, zu dem ich momentan täglich durch mein Zimmer hüpfe, ist mehr als perfekt, und z.B. auch in der melancholischen Betäubungsmittel-Ballade »Orange Juice Jones« sorgt er für großartige Momente.

Auf dem fantastischen Gospel-Beat in »God Loves You« (Peggy hätte »Jesus Is King« von Kanye West produzieren sollen) fühlt Brown sich so pudelwohl, dass er sich sein ikonisches Lachen zwischendurch nicht mehr verkneifen kann. Brown ist hier also super, doch Peggy überzeugt auf »SCARING THE HOES« erstmals genauso sehr als Rapper wie als Produzent und hat ebenso beeindruckende Flows in petto. Worauf ich eigentlich hinaus wollte: Gut zu rappen ist cool, doch auf solchen Beats zu rappen ist genial.

Auch wenn sich die Instrumentals auf diesem Album so anfühlen, als hätte Peggy auf seine eigene Art oldschoolige 90s-Beats machen wollen – das liegt vor allem daran, dass er sie erstmals an einem alten Sampler (Roland SP-404) produziert hat, als Herausforderung an sich selbst und als Hommage an Legenden wie Madlib oder RZA –, klingen sie trotzdem noch wie geisteskranke Moshpits. Doch nicht nur innerhalb der Beats knallt alles gegeneinander: Durch das unkonventionelle Mixing kämpfen auch die Stimmen der beiden Rapper gegen den Rest, wodurch die Energie der Platte umso brutaler wird.

Und Konfrontation findet man auch in den Lyrics, schon die erste Zeile im ersten Song ist »First off, fuck Elon Musk«. Die beiden verabscheuen weichgespülte Pop-Rapper (»Ni**as don’t rap no more, they just sell clothes«), die wahrscheinlich mit dem Wort »Hoes« im Albumtitel gemeint sind, und wissen ganz genau, wie ANDERS ihre eigene Musik ist (»Play something for the bitches / How are we supposed to make money of this shit?«). Kämpfen kann ja auch was Gutes sein, manchmal. Zumindest wenn man’s so wie JPEGMAFIA und Danny Brown macht.