Gibmafuffi Still Storch
Eigentlich ist alles an der Aufmachung dieses Albums irreführend. Zuerst der Titel »Still Storch«: Gibmafuffi, aufgewachsen in Offenbach, will an keiner Stelle nach dem Mittnuller-Bombast von US-Hitmaschine Scott Storch klingen. Er klimpert keine Keys und er lässt auch keine Synth-Streicher durch seine Produktionen stampfen. Gibmafuffi liebt Samples und er liebt Boombap-Drums. Aber er versucht auch nicht, sie kompliziert zu zerschnipseln oder sie so richtig nostalgisch knistern zu lassen. Und damit zum Cover: Gibmafuffi greift für »Still Storch« auf das Design alter BASF-Tonbänder zurück. Die Platte aber – oder besser: der Stream – will gar nicht so doll Rauschen, wie die Aufmachung nahelegt. Was also steckt hinter dieser Kuriosum? Ganz einfach: ein Album, das wunderbar ins Jetzt passt.
Im Grunde ist »Still Storch« die sympathische Antwort auf die Frage, was ein Album voller HipHop-Beats eigentlich im Jahr 2019 so will. Früher, vor sagen wir mal 20 Jahren, da konnte man tonnenweise 12-Inches kaufen, auf denen man erst die Radio-Edits umgehen musste und dann die jeweiligen Instrumentals für hängengebliebene Freestyle-Sessions fand. Aber erstens kauft heute zu Recht keiner mehr 12-Inches und außerdem darf Rap mittlerweile auch in der Studioversion so klingen wie ein endloser Freestyle. Parallel dazu haben HipHop-Beats Mitte der Nullerjahre ihr Dasein als Dienstleister ein Stück weit abgelegt – spätestens Dillas Schnipseljagd »Donuts« aus dem Jahr 2006 sollte das klarstellen. Noch mal ein paar Jahre später widmete man Beatmaking dann auch diesseits des Atlantiks mit dem »Hi-Hat-Club« eine ganze LP-Reihe, die vor allem für eines einstand: dass Beatmaker/HipHop-Produzenten eine eigene Identität haben dürfen.
Doch 2019 ist gar nicht mehr so klar, was das eigentlich sein soll, dieses Beatmaking. Es gibt Produzenten, die genau das machen: (für) einen Künstler produzieren. Am liebsten Hits. Dann gibt es zahllose Type-Beats auf YouTube, die erst gar keinen künstlerischen Anspruch an sich selbst erheben. Es gibt Playlists voller Beats, zu denen du lernen sollst. Und dann gibt es korrekter Weise noch so Alben wie »Still Storch«, auf denen eine neue Mitte Platz findet: Beats mit Eigenleben, die aufgeräumt genug sind, dass Platz ist zum Atmen. Weniger Funktion, mehr Fühls; Vibe statt Virtuosentum.
So wie auf »Sudfass«: Die Querflöte läuft im Loop, spielt aber nie im Solo. Dazu drückt die Kick alles nieder, ohne dabei je brutal aufzutreten. Auf »Hobbytrinker« und »Rosenpep« klebt Gibmafuffi wunderbar leiernde Rhodes-Flächen zusammen, die auch Gil Scott-Heron gefallen hätten. In bester Pete-Rock-Manier lässt er darüber dann Hi-Hats auf alle vier Zählzeiten scheppern, um die ein paar ungerade Kickdrums herumtänzeln. Das ist Boombap im klassischen Sinne – und alles andere als langweilig, weil so viel Feingeist in der Formel steckt. »Mainpark« ist dann erstmal eine Minute Ambient, bis es zum HipHop-Beat wird und würde auch als Film-Score bestens funktionieren. Und warum »Freispielmodus« nicht auf einem deutschen Rapalbum gelandet ist, kann man nicht erklären. Überhaupt würde es Deutschrap gerade ganz gut stehen, mal wieder ein bisschen Gefühl fürs unaufgeregte Detail walten zu lassen. »Still Storch« macht vor wie.