Dexter Palmen & Freunde
Dexter, das ist doch dieser schizophrene Kinderarzt, der einerseits allerfeinsten Bummtschack aus seinem Sampler zaubert und vermutlich heimlich gemeinsam mit WSP und MPM über genau die Chart-Rapper und deren Anhängerschaft lacht, für die er dann auch schon‘ paar Dinger geschraubt hat, oder? Um ehrlich zu sein, habe ich diesen Satz nur geschrieben, damit ihr nach dem »schizophrenen Kinderarzt« noch weiterlest. Das nennt man nämlich guten Journalismus, ha!
Aber es stimmt natürlich irgendwie auch. Nur sollte man »schizophren« vielleicht durch »vielseitig« und »Kinderarzt« durch »Keinen-Fick-Geber« ersetzen. Nach den ihren Namen entsprechenden »The Jazz Files« unternahm der vielseitige Keinen-Fick-Geber 2012 einen auf Albumlänge gestreckten Exkurs in die hinterletzten Ecken des Psychedelic Rock namens »The Trip« und lädt jetzt seine besten Kumpels zu Extrem-Chillaui unter Bäumen in südlichen Gefilden ein. Dafür hat er ein paar irre Beat-Hybriden zwischen klassischem, samplebasierten Boombap von gestern und wavy Cloud-Rap-Beats (wenn es so etwas überhaupt gibt) von morgen dabei – und rappt, nach den beinahe schon vergessenen Projekten mit Maniac und Jaques Shure, sogar selbst mal wieder.
Laut eigener Aussage kommt das auch nur »alle paar Schaltjahre« vor und da ich glaube, dass dieses Jahr eines war, passt das ja auch. Fein. Und so stylet sich Diggi Dexy wie ein unehelicher Sohn von Fumanschu (of M.O.R.-Fame) und Phase (of Team-Avantgarde-Fame) durch 14 Tracks, huldigt Max B, Money Boy, Migos und Gerd Müller gleichermaßen, kramt die legendäre »Dennisda«-Line von Denyo wieder raus und hat die Crème de la Crème der MCs dabei, die es nicht nötig hat, limitierte Papp-Boxen ihrer Alben zu releasen, in denen sich T-Shirts, Fischerhüte, Brusttaschen, Turnbeutel, Lautsprecher, Aufnäher, Gürtelschnallen, Dog Tags, Jutebeutel und all der andere Quatsch befinden.
Musikalisch gibt’s, wie schon erwähnt, alles von beschleunigten Vocal-Schleifen bis hin zu verlangsamten Funk-Exzerpten, dazu ein paar fiepende Synthiespuren, bisschen Knisterknister und Snares, die – das sagt Dexter selbst – wie Ohrfeigen schallern. Früher hätte man solche Beats noch »mellow« genannt, ohne riskieren zu müssen, dafür Maulschläge oder Auslacher zu kassieren. Was ich jedenfalls meine, ist, dass das hier Track für Track eine wirklich tiefenentspannte Geschichte ist, zu der man ganz wunderbar seinen Drahtesel lowriden, sich in den Park knallen und einen aufrollen kann, um dann die Augen zu schließen und sich rot-lilane Fabelwesen auf die Innenseite der Lider projizieren zu lassen. Got it?
Nachdem wir das Musikalische jetzt kunstvoll verhandelt haben, würde ich gerne ein paar der Freunde noch namentlich hervorheben. Gemeinsam mit Audio88 und Yassin erteilt Dexter zum Beispiel Proktastinateuren eine Absage, weil das Trio infernale eben dies, das, verschiedene, aber eben auch sehr normale Dinge erledigen muss. Zum Beispiel, im Fall von Audio88, auf das »Behindertenwitze«-Mise en abyme von Kool Savas, dessen altbekanntes »Dinge«-Vocalsample aus »Bitte Spitte« natürlich auch für die Hook herhalten muss. Das kommt ebenso souverän daher wie Fatoni, der selbstklebende Fick-dich-Post-Its an Denkerstirnen pappt und nebenher noch Münchener Quadratmeterpreise bilanziert, während Dexter den »F.U. Nachricht«-Track nutzt, um ein paar Wollmützenmädels – vermutlich von ihren Longboards – zu smacken.
Mit Jaques Shure gibt’s unter anderem Weißwein-Fachsimpelei (»Chardonnay«), der guuude Mädness zelebriert in »Doobies« das Fünfe-gerade-sein-Lassen auf Kneipenklavierklimperbasis, während Döll, Dexy und Waldo The Funk gemeinsam was am aufrollen sind und Morlockk Dilemma zu Protokoll gibt, Zigarren in der Größe von F.R.s Gliedmaßen zu rauchen, was mich köstlich amüsiert hat.
Überhaupt lacht man sehr viel und oft. Insgesamt wirkt das Album wie ein entspannter Hangaround am Weiher, bei dem ein Doobie nach dem anderen die Runde macht und man aus dem Handgelenk die nächste Weißblechbierdose aufknackt, um sich über ein paar Dexter-Beats augenzwinkernd Luft zu machen oder auch mal demonstrativ die Eier baumeln zu lassen – alles in allem ist »Palmen & Freunde« eine wirklich lustige Angelegenheit, die diesen Sommer zehnmal mehr Spaß macht, als die herbeikonstruierte Schwermütigkeit auf einem Sierra-Kidd-Album.