Bushido & Shindy CLA$$IC

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ALL GOOD Punchline Schade um die Beats.

»Happy Release Day an Shindy und mich ;) Ich freue mich auf euer Feedback und hoffe euch gefällt CLA$$IC!!!« ließ Bushido am Freitag auf Instagram im Rahmen der Veröffentlichung von »CLA$$IC«, seinem Kollaboalbum mit Shindy verlauten. Die ehrliche Antwort: Hmjoar, geht so.

Woran das liegt? Vielleicht fängt es schon damit an, dass die beiden in den leider oft spielfilmlangen Interviews nicht müde wurden zu betonen, dass »Watch The Throne«, jenes gemeinsame Großprojekt von Jay Z und Kanye West aus dem Jahr 2011, sicherlich nicht das Vorbild für »CLA$$IC« gewesen sei.

Nun, wenn eines nicht von der Hand zu weisen ist, dann sicherlich die frappierende Ähnlichkeit zu genau diesem Album. Sei es das Sich-Zusammentun zweier egomanischer MCs, die auf Albumlänge in übergeschnappten Allmachtsfantasien schwelgen und ihren üppigen Lebensstil preisen – oder eben gerade auch die musikalische Gestaltung von »CLA$$IC«: »Megalomanie« erinnert mit seinen euphorischen Fanfaren an das Aufbruchstimmung verbreitende »Lift Off«, während »Gravitation« mit fauchenden Bässen und wilden Dschungellauten auch eine alternative Version vom »WTT«-Opener »No Church In The Wild« sein könnte. Die Titelnummer »CLA$$IC« sampled dann, genau wie »Otis«, den Soulklassiker »Try A Little Tenderness« von Otis Redding.

Zwar sind die restlichen Beats – ganz im Gegensatz zu manchen Instrumentals auf Shindys letztem, sehr guten Album »FVCKB!TCHE$GETMONE¥« – nicht 1 zu 1 übernommen, erinnern in ihrer ganzen Machart aber durchwegs an Produktionen, die auch Kanye West und Jay Z gut gestanden hätten: »G$D« hat frappierende Ähnlichkeiten mit Kanyes »All Day« und »Brot brechen« erinnert mit opulentem Bläserbombast, genau wie die Pianopassagen auf »Freier Fall nach oben«, an »All of the Lights«. »Rap Leben« hat dann mindestens das Drumset von Drakes »0 to 100« stibitzt und »FAZ« klingt schließlich wie ein Update zu Shindys Videoversion von »JFK«.

Das kann man dreist, uninspiriert oder berechnend nennen. Ich für meinen Teil sage: Schade um die Beats! Denn Shindy, der laut eigenen Angaben 600 Schallplatten für die Produktionen von »CLA$$IC« durchgehört und zusammen mit Djorkaeff, Beatzarre und Bushido zu Beats verarbeitet hat, hat definitiv ein Gespür für gute Samples.

Wenn er für »Adel« etwa einen Vocalschnipsel aus dem Album »Big Science« der Performance-Künstlerin Laurie Anderson – die übrigens auch das Sample für den MC-Rene-Diss »Renexekution« von Savas und Eko lieferte – verwendet und mit eiernden Streichern von 70er-Jahre-Platten vermengt, dann kann man sich sogar einen Morlockk Dilemma auf diesem Beat vorstellen.

Aber ganz egal ob Rip-Off oder Eigenleistung: Shindy macht sich gut auf den Beats von »CLA$$IC«. Weil er den wuchtigen Drums und Snare-Stakkatos immer noch seinen tiefenentspannten Flow in geschmeidiger Stimmlage entgegensetzt. Weil er immer noch sehr gute Reime auf hochpreisige Modemarken, Hotelnamen und Gerichte aus der Sterneküche parat hat. Weil er Schmankerl wie eine »Reimemonster«-Referenz in seine Text einbaut, ohne dabei anbiedernd zu wirken. Und weil er die Instrumentals fühlt und weiß, wo man Pausen Pausen sein lässt oder mit laszivem Stöhnen oder zusätzlichen Silben füllen muss.

Bushido weiß das leider nicht immer so ganz genau und versucht stattdessen seine Iszenierung mit Zeilen über die Zahnfee und Kindersitze zu konterkarieren und geht folglich neben seinem Zögling auf ein paar der Songs im Pomp der Arrangements unter. Es scheint fast, als sei er mit Beats, die nicht nach Schema F – meint: Sample oder Pianoloop, 90 bis 100 bpm, Kick, Snare und Hi-Hat – strukturiert sind, heillos überfordert. Nicht nur auf dem klaviergeklimperten Intro von »Brot brechen« liegt Bushido alle paar Silben gehörig neben dem Takt. Zumindest sein an alte »Carlo Cokxxx Nutten«-Zeiten erinnernder Solotrack »$onny« ist dann immerhin ganz solide gerappt.

Letztendlich demonstriert »CLA$$IC« leider nicht die gewünschte Überlegenheit, sondern zeigt in erster Linie auf, wie unterschiedlich Bushido und Shindy als Rapper sind. Aus derartigen Diskrepanzen kann natürlich oft auch etwas Neues und Spannendes entstehen. Im Fall von »CLA$$IC« kommt aber leider nur ein ziemlich egales Album dabei heraus, das auch durch plumpe Provokation nicht besser oder hörenswerter wird. Das ist schade – vor allem um die Beats.

Ausserdem: Money Boy und Hustensaft Jüngling mit einem Solo-Song, also ohne Feature von Bushido und Shindy, auf dem Hidden Track zu verstecken, nachdem die Deutschrap-Szene den Boy im Jahr Fünf nach »Dreh den Swag auf« in ihren Reihen akzeptiert hat, ist in meinen Augen auch nicht das groß angekündigte »Statement des Jahres«, sondern einfach nur pures Kalkül. Ein Statement wäre gewesen, die Jungs auf der ersten Single zu featuren oder ein ganzes Mixtape der Glo Up Dinero Gang beizulegen.

Nach dem Hören von »CLA$$IC« hoffe ich inständig, dass noch ein paar dieser pompösen Beats aus den gemeinsamen Sessions für Shindys nächstes Soloalbum übrig geblieben sind. Auf das freue ich mich nämlich mindestens genauso wie auf das nächste Bushido-Album, das hoffentlich die mit »Sonny Black« und »CCN 3« eingeleitete Reasozialisierung weiterführt.