Blu Good To Be Home
Als Blu-Fan hat man es nicht leicht. Er ist einer der rätselhaftesten, aber auch bodenständigsten Rapper unserer Zeit. Aus seinem direkten Umfeld hört man Horrorgeschichten über die Unzuverlässigkeit und Wankelmütigkeit, die Unsicherheit und die Sturheit des MCs aus Los Angeles. Vor mittlerweile acht Jahren erschuf er mit seinem damaligen Produzenten Exile sein persönliches »Illmatic«: »Below The Heavens« ist im eigenen Œuvre bis heute unerreicht, für ihn selbst so sehr Maßstab und Landmarke wie auch Blockade und Hindernis.
Seine Veröffentlichungspolitik der letzten Jahre war geprägt von seltsamen Geschichten um einen Major-Deal bei Warner, der offenbar völlig aus dem Ruder lief. Der missverstandene 2009er »XXL Freshman« machte keine Anstalten, sich der Mainstream-Industrie zu beugen. Sein letztes großes Album »York« ist mittlerweile drei Jahre alt. Es fand seine musikalischen Bezugspunkte in der progressiven »Low End Theory«-Blase und dem Brainfeeder-Camp in Los Angeles. Auf »Good To Be Home« beackert Blu die Felder Heimat und Heimkehr nun vor allem inhaltlich: Es geht um die »Boyz N The Hood« und den »Dre Day«, um den kalifornischen Sommer und ein Lebensgefühl zwischen Sideshows und Kunstgalerien, zwischen Soulsamples und Skateparks.
Die Beats, die offenbar von dem bislang kaum in Erscheinung getretenen Produzenten Bombay stammen, schulden Madlib, Alchemist, Hi-Tek und dem frühen Kanye West mehr als jener Westküste, die etwa YG oder Schoolboy Q gerade erfolgreich referenzieren. Ich vermute ja heimlich, dass Bombay ganz einfach ein weiteres Produzenten-Alias von Blu selbst ist: Die langen, unsauber geschnittenen Loops, die mehrstimmigen Doowop-Harmonien, die weitgehende Absenz harter Drums …
Nun kann musikalische Kohärenz gerade auf Doppelalbumlänge auch zu Eintönigkeit führen. Doch dass »Good To Be Home« auf zwei Discs (respektive zwei Kassetten oder zwei Vinyls) verkauft wird, ist vor allem eine strukturelle Entscheidung. Mit jeweils 10 Stücken sind die beiden Teile knackig kurz, rein rechnerisch passen sie zusammen auf eine CD. Hier geht es eher darum, ein bestimmtes Format zu bedienen. Doch das Konzept geht höchstens halb auf: Die inhaltliche Klammer bleibt zu vage, die zahlreichen Gastauftritte von Evidence, MED und Planet Asia bis Fashawn, Co$$ und Casey Veggies liefern spontanen Jamsession-Charakter, aber wenig echten Mehrwert. Die herausstechenden Momente sind rar gesät.
Blu ist im letzten Jahr 30 geworden. Wie er in mehreren Interviews ankündigte, wollte er zu diesem Zeitpunkt die Rapmusik längst gegen das Filmgeschäft eintauschen. »Good To Be Home« wäre jedoch als Abschiedsstatement zu wenig progressiv. Über weite Strecken ist dies gefälliger, handwerklich einwandfrei gemachter Retro-Rap, der zwar einige schöne Momente bereithält, in seiner Ballung aber auch minimal langweilt. Blu bewegt sich weiter auf den Fährten seiner großen Vorbilder Nas und Common, aber wenn man ehrlich ist, dann machen wie Earl Sweatshirt, Vince Staples oder Ab-Soul in L.A. gerade einfach spannendere Musik.
Nicht falsch verstehen: »Good To Be Home« ist kein schlechtes Album. Einen echten Ausfall gibt es nicht. Mit der Fresh-Prince-Hommage »Summer Time«, die einmal mehr die analogen Synthies aus Kool & The Gangs »Summer Madness« verwurstet, gibt es sogar ein kleines Playlisten-Hitchen für die Grillsaison. Doch das Album bietet mehr wohlige Atmosphäre als schlüssige Songs: Wir lauschen jenem ADHS-Blu, den man von Projekten wie »Open«, »Jesus« oder »HerFavoriteColo(u)r« hinlänglich kennt, und der Tracks als Momentaufnahmen betrachtet, die man lieber nicht nachbearbeitet. »Good To Be Home« ist eine Formulierung des Status Quo, ein Audio-Tagebuch voller guter bis brillanter Ideen.
Es ist nicht das Album, auf das ich gewartet habe.
Bei den Kollegen der »L.A. Weekly« kann man Blus neues Album »Good To Be Home« in voller Länge streamen.