Azealia Banks Broke With Expensive Taste

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ALL GOOD Punchline Debüt und Werkschau.

Azealia Banks hat schon mehr Labels und Produzenten verschlissen als Damon Dash weiße T-Shirts mit V-Ausschnitt. Sie wurde als 17-Jährige von XL-Mastermind Richard Russell unter Vertrag genommen, hat mit Paul Epworth und Pharrell gearbeitet und sich öffentlich mit Iggy Azalea und Perez Hilton gefetzt. Nach einem kolportierten Millionen-Dollar-Investment seitens Interscope ließ man sie nach zwei Jahren voller Querelen mitsamt des Masters ihres Debütalbums ziehen. »Broke With Expensive Taste« veröffentlichte sie nun mit der Hilfe ihres Managers ohne große Promo-Kampagne kurzerhand selbst und kassierte von den Geschmacksinstanzen für die mutige Mischung aus Hip-House, Tropical und UK Bass fast ausschließlich Lob. Soweit die Sage.

Tatsächlich ist »Broke With Expensive Taste« ein beeindruckendes Debüt einer Künstlerin, die man nicht auf die Rolle als Rapperin oder Sängerin reduzieren sollte. Ein großer Einfluss des Albums ist britische Clubmusik. Stilsicher pickt Azealia genau die Beats von Machinedrum, Lone, Boddika oder Pearson Sound, die ihr gut stehen. Dazwischen platziert sie Musikfarben, die von Araabmuziks MPC-Trance über Early-80s-Punk-Funk, Deep House und Merengue bis zu Ariel Pinks verhuschtem Indiepop reichen. Trotz dieser Breite an Sounds wirkt das Album kein bisschen beliebig. Der gemeinsame Nenner bleibt Azealia Banks und ihre Persönlichkeit. Obwohl musikalisch anders ausgerichtet, erinnert ihr künstlerisches Selbstverständnis an das einer jungen Lauryn Hill oder Erykah Badu.

Trotz der allgegenwärtigen UK-Einflüsse klingt Azealia Banks in jeder Sekunde auch nach ihrem heimatlichen New York. Man assoziiert die belebten Gassen des Harlems der späten Achtziger, als Freestyle Music oder Dancehall aus jeder Bodega schallten, als Todd Terry und Kenny Dope die Grenzen zwischen HipHop und House verschwimmen ließen. Die inzwischen 23-Jährige vermeidet dabei jeglichen EDM-Verdacht, indem sie äußerst geschmackssicher in der Historie von elektronischer Tanz- und Popmusik wildert. Ihre eigene Performance changiert zwischen furios gespuckten Flows in den Strophen und zuckersüßen Hooks. Die zeitweilige Nostalgie auf musikalischer Ebene konterkariert sie geschickt mit plötzlichen Ausflügen ins Jetzt wie den Drum-Figuren des Trap und zeitgenössischem Slang-Vokabular. Azealia Banks ist – Stand Dezember 2014 – ganz einfach die coolere, progressivere und selbstbestimmtere Nicki Minaj.

»Broke With Expensive Taste« funktioniert gleichzeitig als Debütalbum wie als bisherige Werkschau dieser jungen, talentierten Frau aus Harlem. Ihr großer Hit »212« mit Lazy Jay, der ihr vor zwei Jahren erste Aufmerksamkeit und einen Plattenvertrag verschaffte, ist darauf enthalten, aber vor allem auch viel Material, das im Verlauf der Albumproduktion für Interscope entstand und von den dortigen A&Rs als nicht »hittig« genug befunden wurde. Kompromisse wie den Pharrell-Song »ATM Jam« warf sie hingegen eigenhändig wieder von der Platte, nachdem das Feedback ihrer Fans darauf eher negativ war. Sie hätte dieses Album vermutlich ohne das Geld des Majors nicht produzieren können, doch am Ende ist es in keiner Weise ein Major-Album geworden. So gesehen, hat Azealia Banks das System der Musikindustrie gepimpt. Chapeau.