Ab-Soul These Days

Ab-Soul_TheseDays
ALL GOOD Punchline Kleiner, merklicher Rückschritt.

Der Weg, den Ab-Soul in Sachen Cover-Artwork von »Control System« zu »These Days« beschreitet, ist bezeichnend. Von verschlüsselter Kabbalah-Anspielung geht es schnurstracks zur messianischen Selbstdarstellung. Eine »Longterm Mentality« sieht anders aus. Nun soll man ein Buch nicht an seinem Umschlag messen – aber »These Days« ist leider über weite Strecken mehr Umschlag als Buch.

Als »last Black Hippy to get a Wiki« stellte sich Soul noch in der 2013er Freshman Cypher mit einem selbstironischen Augenzwinkern vor. Die Rolle als fünftes Rad am TDE-Geländewagen war lange Zeit sein wichtigstes Ass im Ärmel und er spielte es gerne aus. Zu belesen für die coolen Kids, zu prollo für die Streber. Auf früheren Releases war es Ab-Soul scheinbar relativ schnuppe, wer ihn feiert. »Control System« glänzte gerade deshalb, weil sich der Black Hippy darauf an waghalsige Inhalte traute und seinen Hörern ein Mitdenken nahelegte, ohne es einzufordern. »These Days« ist Ab-Souls Versuch, zumindest mit Schoolboy Q und Isaiah Rashad in der Satellitenradio-Airtime gleich zu ziehen. Es kann gut sein, dass der Plan aufgeht, denn auf dem Album bietet sich viel Raum für Konsens. Aber ein Meisterwerk wie der Vorgänger ist »These Days« nicht.

Großartige Momente lassen sich auf »These Days« durchaus finden. Die Gospel-inspirierte Gesangseinlage am Ende von »Just Have Fun« hätte sich zwar besonders als Album-Intro angeboten, bringt als Mittelstelle aber auch viel frischen Wind rein. »Kendrick Lamar’s Interlude« ist eine wahrhaftige Glanzleistung der Rap-Kunst in freier Form, erinnert in seinem Jazz-Ansatz an Kendricks exzellente BJ The Chicago Kid-Collabo »His Pain«. Die Breakup-Ballade »Closure« dringt direkt ins Knochenmark mit ihrer schamlosen und aufrichtigen Ehrlichkeit. »Stigmata« knüpft an, wo Soul auf einem seiner besten Parts bis dato aufhörte: Der Generationsprophet von »Enter The Void« lässt sich blicken und entfaltet im Zusammenspiel mit Action Bronson und Asaad seine volle Dynamik. Und wann hast du das letzte Mal einen Rapper sagen hören: »I’m interested in photosynthesis«?

Leider wirken viele der übrigen Bauteile des Albums wie eben nicht mehr als Bauteile, die bisweilen stark ins Formelhafte abrutschen. Ein 15-jähriger Rapanfänger mit Wörterbuch hätte Hooks wie die von »Nevermind That« und »Sapiosexual« schreiben können. »TWACT« klingt wie der Versuch eines jungen Soccer-Dads, cool zu wirken, wenn die Freunde vom Sohnemann zum X-Box-Zocken rüberkommen. »Just Have Fun« ist eine ganz nette Kifferhymne, aber irgendwie passt es auch nicht zusammen, dass der (stereotypische) »chillige Weedtrack« die hibbeligste Produktion des Albums aufweist. Das 15-minütige Stoner Cypher-Acapella am Ende braucht kein Mensch. Insgesamt wirkt es oft so, als würde Ab-Soul eine Checkliste für die Hörerschaft durchgehen, die er erreichen möchte. Was für die Stoner? Check. Für die Ladies? Check. Für die Gs? »Hunnid Stax.« Fürs Radio? »TWACT.« Das muss an sich nicht verkehrt sein, aber diese Checklistentracks sind klar die Füller auf dem Album.

Ab-Soul scheint sich auf »These Days« in seiner Haut wohl zu fühlen. Musikalisch bewegt er sich freier als zuvor. Die Beatauswahl ist seine beste bisher. Auf Grund der tragischen Umstände, die die Schaffensphase von »Control System« umschwebten (Souls langjährige Freundin Alori Joh nahm sich während der Aufnahmen das Leben), müssen sich Fans allein über diesen Fakt freuen. Nur hat die abgeschlossene Verarbeitung dieses persönlichen Schicksalsschlags den Inhalten von Ab-Soul nicht unbedingt gut getan. Verworrene und faszinierende Verschwörungs- und Polit-Rhetorik, wie sie auf »Christopher DRONEr« und »Nibiru« zu hören war, landete nicht auf dem Album. Lyrische Akrobatik dieser Art hob Ab-Soul ab von seinen Zeitgenossen. »These Days« ist ein Album, für das man viele Rapper in den Himmel loben würde. Aber für Ab-Soul stellt es einen kleinen aber merklichen Rückschritt dar.