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Ein Kommentar von Jan Wehn

»Ich mache irgendwas mit Musik.«

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Es ist gar nicht so lange her, da wollten deutsche Rapper auf Teufel komm raus Musiker sein. Und kaum brettert Boombap zurück in die Charts, war’s das schon wieder mit der Musikuskarriere.

Blicke ich auf die letzten drei Jahre Deutschrap zurück, ist mir eine gewisse Bipolarität, ja ein gespaltenes Verhältnis der Rapper zu ihrem Genre aufgefallen. Zumindest bei einigen. Erinnert ihr euch noch, wie Eißfeldt anno 2003 auf »Fäule« die schlaue Zeile »Wer HipHop macht, aber nur HipHop hört, betreibt Inzest« rappte?

Wir haben uns damals alle ertappt gefühlt. Alle. Weil es für den typischen Deutschrap-Fan und -macher bis dato absolut undenkbar war, sich abseits des von uns so heißgeliebten HipHop musikalisch zu äußern. Gut fand man die Sachen im Radio nur heimlich. Von den vielen Lektionen, die Eizi Eiz uns gelehrt hat, war dies wohl eine der wichtigsten.

Freilich tat sich erst mal gar nichts. Aber ein paar Jahre später darf man heute – dem mittlerweile vorherrschenden Eklektizismus sei Dank – alles Erdenkliche gut finden und es auch in seiner eigenen Musik zu neuen, aufregenden Genres vermengen und bekommt dafür nicht selten Lob von allen Seiten. Es muss 2011 gewesen sein, als es plötzlich unglaublich angesagt war, nicht mehr einfach nur Rap zu machen, sondern einer neuen Musikalität zu frönen. Der Grund: Casper, der mit seinem mutigen zweiten Album »XOXO« vorführte, dass Rap und Handgemachtes und die unterschiedlichsten anderen Einflüsse von Indie-Pop bis Hardcore wunderbar einhergehen konnten.

Zwar schlug ihm dafür auch eine Menge Hass entgegen – aber nach und nach tat es ihm halb Rapdeutschland gleich. Und plötzlich war niemand mehr mit HipHop großgeworden, sondern hatte sich als kleiner Scheißer schon die Finger am Plattenregal der Eltern wundgegrabbelt, wollte diese Sozialisation natürlich postwendend in seine Kunst einfließen lassen und endlich mal »richtige Musik« machen.

In Interviews hörte man ab sofort alle naselang verkappte Künstler klagen, die schon immer echte Musik machen wollten, aber sich durch Rap stets furchtbar eingeschränkt fühlten. Und plötzlich war alles so einfach! Über melancholische Melodien ließ man nun seinem Weltschmerz freien Lauf. Live brauchte es folglich nicht mehr nur einen DJ samt Backup-Rapper, sondern am besten auch gleich eine ganze Band.

Dann war plötzlich 2013. Und keiner hatte mehr so richtig Lust auf die Rap-Musiker mit Band. Plötzlich schlug wieder knallharter Rap-Rap in den Charts auf. Mit Boombap-Beats, mit Scratches. Genetikk gingen mit »D.N.A.« auf die Eins, diverse Straßenrapper entdeckten in einem Anflug von Neunziger-Nostalgie ihr Faible für klassische Beats der East- und Westcoast wieder und platzierten ihre Alben ebenfalls weit oben in den Charts, während die selbsternannten Musiker nur bedröppelt dabei zusehen konnten, wie der von ihnen ach so verhasste HipHop die vorderen Plätze der Charts regierte.

Und dann ging das Gestammel wieder los: Man habe das halt mal ausprobieren wollen, aber Rap sei eigentlich doch viel geiler. Ja, was denn nun? War das mit der Musik nun schon immer in euch drin und ihr könnt eure Wurzeln nicht weiter verneinen? Oder habt ihr nur damit begonnen, weil »XOXO« damals so erfolgreich war?

Entscheidet euch doch mal.