Die Jungs aus dem Reihenhaus – eine Würdigung zum Schluss
Unser Autor Jan-Timm Kuhr kommt aus einer Zeit, da man entweder HipHopper war oder halt nicht. Jan war keiner, ist gewissermaßen nie einer geworden. Blumentopf haben ihn als gebürtigen Münchner dennoch geprägt. Im Oktober spielen sie ihre allerletzten Konzerte. Eine Würdigung zum Schluss.
Wenn man sich als heranwachsender Münchener Gymnasiast gerne selbst für schlau hielt, kam man Ende der Neunziger unmöglich an Blumentopf vorbei. HipHop war gerade dabei, die Popmusik schlechthin zu werden – war es sogar sicher schon, wenn man denn Ahnung von Musik gehabt hätte. Nur konnte die wannabe-intellektuelle Kartoffel das Gehabe der oft genauso wannabe-harten Gangsterrapper nicht recht nachfühlen. Da lag der selbstironische Wortspiellimbo der Töpfe mit seiner Hieronymus-Bosch-haften Detailversessenheit näher.
Schlau waren freilich auch andere, zum Beispiel die Beginner und andere nördlich des Weißwurschtäquator. Aber das noch ungeübte Ohr ließen freigeistige Artikulation, melodischer Flow und fortschrittliche Beats eher verschreckt vom Tellerrand aus nach innen lauschen. Man war ja bestenfalls Fantas gewöhnt. Das Knollengewächs spross also lieber im heimischen Münchner Nährboden. Und wurde mit jedem auswändig gelernten Text mehr Fanboypflänzchen.
Die Texte standen denn auch im Mittelpunkt des Interesses: Texte mit Witz, dichtem Inhalt und Gesellschaftskritik. Hier fühlte sich der aufstrebende Weltstädtler mit Herz wohl. Nicht umsonst waren die bayerischen Linksintellektuellen mit ihrem Hildebrandt-Duktus immer linker und vielleicht auch schlauer als die Verwandtschaft aus dem Norden, und hernach konnte man die Maß am Chinesischen Turm vollends zufrieden mit sich selbst genießen, dem Spießertum war ja bereitgestoßen. Klar, »linksgrünversifftes Gutmenschenpalaver« könnte man sagen, wenn man ein Kotklumpen mit Villa am Starnberger See wäre. Aber war man eben nicht – und sah sich durch Blumentopf noch firmer im »anderen« Lager verhaftet. »Und drum scheiße ich auf Clips voller Glitz und Glamour / Ich will’s unten halten wie der Westen die Entwicklungsländer.«
Auch Disse gab’s feine: »Dass ihr versucht, ihr selbst zu sein, ist an sich ja nichts Schlechtes / Doch was soll dabei rauskomm‘, wenn man schlichtweg ‚n Depp ist?« Zwar taten die Jungs aus dem Reihenhaus damit niemandem weh, so nett wie sie schimpften. Aber inhaltlich hatten sie immer Recht und ließen den handwerklichen Anspruch nie zu kurz kommen: »Man muss euch Schnarchnasen den Marsch blasen wie Militärkapellen / Denn euer 08/15-Scheiß ist billig herzustellen«
Hatten sie einen einmal am Ohr, (er)zogen sie einen zu mehr Musik gleicher und verwandter Stilrichtung. Lobend erwähnt seien hier Sepalots Soloprojekte, die zudem zeigten, wie sehr er Teamspieler war und seine Beats für die Crew dem Imperativ des Inhalts unterordnete. Die Äste jedenfalls reckten sich in alle Richtungen. Bald war der Topf überwuchert und bei weitem zu klein, so wie München in seiner Gesamtheit als doch nicht ganz so Großstadt erkannt wurde und ebenfalls zu eng wurde. Doch der Dünger cleverer Zeilen und geistreicher Strophen sollte uns begleiten, so wie die besten Sprüche aus den zehn ersten Staffeln der Simpsons.
Und so entkamen die Hörer – ebenso wie nun Cajus, Bernhard, Florian, Roger und Sebastian – der größten Gefahr für einen jeden Hofbräuhausener: »Du sitzt im Café Altschwabing und trinkst deinen Cappuccino und – peng – bist du fünfzig.«