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Ein Kommentar von Marc Dietrich

Das Video zu Public Enemys »Fight The Power« feiert 25-jähriges Jubiläum

Public Enemy - Fight The Power

Public Enemy – das ist der Inbegriff eines Genres, das es heute kaum noch im großen Stile zu geben scheint. Die Charts jedenfalls werden von politisch eher Unverdächtigen dominiert. Aber: Rap und Politik rücken immer mal wieder näher zusammen. Gehen wir mal in die Nullerjahre zurück: Man kann tatsächlich darüber streiten, ob eine von Bad Boy und Roc-A-Fella geprägte Ära (oder aktuell die statussymbol-überbordende Videowelt eines Rick Ross) politische Momente in sich trägt: Intellektuell Wohlmeinende mit einem zeichentheoretisch und weit angelegten Politikbegriff konnten hier vielleicht noch symbolische Aufstiegserzählungen von Afroamerikanern in einem System erkennen, das sie fast schon strukturell und manchmal durch rassistische Motive benachteiligte.

Auf der anderen Seite waren die späten Neunziger und anschließenden 2000er aber auch von Rawkus Records geprägt. Einer damaligen Institution, wenn es um bisweilen politisch orientierte Rapmusik ging. Mos Def und Talib Kweli wandelten auf den Spuren der Native Tongues und vermochten – insbesondere in der europäischen Szene – die Consciousness-Fackel neu zu entfachen. All dies täuscht aber nicht darüber hinweg, dass Rap mit einem dezidiert politischen Anspruch nicht gerade das tonangebende Genre in den vergangenen Jahren war (kommerziell gesehen schon gar nicht). Auch ob Rap jetzt eine »Renaissance« des Politischen hervorbringt (oder ob dies wünschenswert ist), kann nicht sicher gesagt werden. Hinter die ganz enge Synthese von Rap und Politik muss also erst mal ein Fragezeichen gesetzt werden.

Rap und Politik bilden jedenfalls in der Wahrnehmung vieler keine unauflösbare Einheit. Das war mal für eine kurze Phase, die Rap aber immerhin das unkaputtbare Label eines »Black CNN« eintrug, anders: »1989 the number, another Summer / Sound of the funky drummer.« Im Sommer 1989 ging ein Video auf (TV!-)Rotation, das als Teil der Musikgeschichte betrachtet werden muss, mindestens als Meilenstein der HipHop-Geschichte. Aus dem programmatischen »Fear Of A Black Planet« (1990) koppeln Public Enemy – die damalige Speerspitze des Def-Jam-Imperiums und HipHop-Götter der Stunde – »Fight The Power« aus. Vor in dieser Woche 25 Jahren taten sich Chuck D, Flavor Flav und die Bomb Squad (der umstrittene Professor Griff und die anderen sind eher zu vernachlässigen) zu einer musikalisch-politischen Attacke zusammen, die in die Annalen der Popkulturgeschichte eingegangen ist. Ganz allein durch Spike Lees »Do The Right Thing«. Hier wurde Rap tatsächlich zum Sprachrohr der Marginalisierten:

»Cause I’m Black and I’m proud / I’m ready and hyped plus I’m amped / Most of my heroes don’t appear on no stamps / Sample a look back you look and find / Nothing but rednecks for 400 years if you check.«

Vieles ließe sich zum Musikvideo nun im Fahrwasser dieses Zitats sagen. Man könnte damalige Diskurse und soziokulturelle Defizite herausarbeiten, einen historischen Rückblick runterrattern (Civil Rights Movement, Gangs, Crack Era, den Effekt einer defizitäre Sozial- und Stadtplanungspolitik, die Rolle der Nation of Islam für Afroamerikaner und PE). Dann tastet man sich über die Künstler vor bis in die Gegenwart (Flavs Solo-Mist, seine Reality Show »Flavor Of Love«, die durchaus ihre Momente hatte, Chuck Ds andauernde politische Ambition und so weiter). Nein, all dies überlassen wir HipHop-Historikern und den HipHop-Studies an dieser Stelle. Wir belassen es hierbei: »Fight The Power« ist das Prunkstück einer Ära, in der es für kurze Zeit so aussah, als würde sich Rap tatsächlich in den Dienst eines übergreifenden (wenn auch diffusen) politischen Emanzipationsprojekts stellen.

Bei aller Zuschreibung von politischer Ambition, die schlechtestenfalls noch mit romantisierten Verfallserzählungen des »damals noch politischen Raps« garniert wird, sollte man sich aber bewusst machen, dass das Video vor allem eines ist: ein kleines popkulturelles Meisterwerk. Der Grund dafür ist schnell benannt: Die kompromisslose Pro-Black-Attacke, die der Track über weite Strecken ist, funktionierte textlich, soundbezogen und visuell überragend. Anstatt die damals üblichen Low-Budget- oder gar comichaften Bewegtbildchen rauszuhauen, drehte man mit niemand Geringerem als Regisseur Spike Lee – damals Posterboy einer Film-Avantgarde, die sich dem New Black Cinema verschrieben hatte.

Und wo wurde gedreht? Natürlich in Brooklyn, jenem HipHop-mythischen Stadtteil, den Lee gerade im Frühwerk zur urbanen Spiegelfläche afroamerikanischer Schicksale und Problemlagen auserkoren hatte. Die Kamera fährt direkt eingangs durch einen Brooklyn-Banner und gibt den Blick auf ein Setting frei, das irgendwo zwischen Bürgermarsch, Großkonzert und politischer Kundgebung angesiedelt ist. Einstellungen, die die performende Gruppe zeigen, lösen sich ab mit Aufnahmen, die Chuck und Flav als Anführer des Mobs inszenieren. Eine ins Bild gesetzte Auflösung von Ikone und Publikum, Stars und Fans. Was hier präsentiert wird, ist »bigger than HipHop« – ein Movement, von dem Chuck D bereits vorher in Reporterpose sagt, dass es nichts mehr mit dem Civil Rights Movement zu tun hat. Und er hat recht: Dies hier ist nicht allein Politik, es ist vor allem mitreißender Sound. Die Bomb Squad schraubt einen Beat, der aus nichts anderem als Referenzen an schwarze Ikonen besteht: Bob Marley, James Brown und Afrika Bambaataa sind nur wenige der verwendeten (auch lyrischen) Inspirationsquellen.

Das Video erscheint damals vor dem »Fear Of A Black Planet«-Album (1990) auf einer Live-VHS (1989). Wichtiger aber ist, dass Spike Lee den Song in seinem vielleicht besten Film »Do The Right Thing« (1989) leitmotivisch verwendet. Dort pumpt seine ikonisch gewordene Figur Radio Raheem bei jeder Gelegenheit den Track in Szenen, die sich heute optisch für Urban-Outfitters-Shirt-Motive aufdrängen. Auch der Opening Credit wird von einer fast ekstatisch hyperdancenden Rosie Perez zu den Beats der New Yorker bestritten. Golden Age-Patina at its best. Und dennoch war der treibende Song nicht nur der Soundtrack einer filmgewordenen Momentaufnahme, die Bed-Stuy/Brooklyn als ethnisch gespaltenen und problembeladenen Eskalationsraum vorführt, sondern geballtes Dynamit im Videoformat. Das hier ist ein Großangriff auf allen Kanälen. Ein trojanisches Pferd, das einem im Partymodus lyrisch Bewusstsein eintrichtert. Die radikal-pro-black orientierten Lyrics Chuck Ds (man erinnere sich: »Elvis was a hero to most / But he never meant shit to me you see / Straight up racist that sucker was simple and plain«) drohen aber bei allem Hang zur Ansprache niemals ins dogmatisch Statische abzudriften. Niemals wünscht man sich, dass hier jemand besser ein Buch geschrieben hätte.

Durch die Präsenz von Hypeman Flav (aus heutiger Sicht mit seiner überdimensionalen Uhrkette und den bunten Klamotten noch komischer anzusehen) und die dynamischen Schnitte, transportiert die Form den Inhalt vollkommen als das, was es ist: Gutes Rap-Edutainment. Klar, die Security Of The First World marschiert an der Seite der Rapper, als seien die Black Panther nicht längst aufgelöst und Chuck beleidigt weiße Popikonen wie John Wayne (was beides seinen Charme hat). Dennoch stellt sich hier ein anderer Gedanke in den Vordergrund: Polit-Rap ist tanzbar.

Public Enemys Video lässt sich als Blaupause lesen für eine auf ganzer Strecke gelungene Verschmelzung von Pop und Politik, Entertainment und Inhalt. Als Meilenstein eines Genres, das sich Jahrzehnte nach seinem vorläufigen Höhepunkt wieder stärker auf die Agenda zu drängen scheint. Noch 25 Jahre danach spürt man Chuck Ds Wut in fast jeder übers Ziel hinausschießenden Line. Jede verfickte, wummernde Bassline ist getränkt von einer konstruktiven Aggressivität. Ohne detailliertes historisches Wissen, ohne im New York der Achtziger groß geworden zu sein, ohne überhaupt schwarz zu sein. Vielleicht hat es ein so überragendes audiovisuelles Gesamtkunstwerk seit diesem Video im Polit-Rap nicht mehr gegeben. Dies hier ist Public Enemys Number 1. »Fight The Power« wird diese Woche 25 Jahre alt.