Statements – Ein Hoch auf die Datenflatrate
Freunde, ich mag Demokratie. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist ein hohes Gut, und darf höchstens bei rechtswidrigen Sachverhalten eingeschränkt werden. Aber dafür gibt’s Gerichte. So weit, so Staatskunde für Anfänger.
Jetzt zu Euch, ihr mitteilungsbedürftigen Vokalakrobaten am ausdefinierten Quadrileckmichamarschzeps. Eure sämige Melange aus Testosteronüberschuss, Bikerjacken, Stolz, Egozentrik und internetfähigem Kamerahandy hat uns allen einen Trend beschert, der mit Fremdscham nur unzureichend beschrieben werden kann: Das Statement. Zu irgendwas. Egal. Hauptsache Statement.
Diese schlecht abgefilmten Rudelbildungen von Halbwelt-Hasardeuren in Kellern oder Wohnzimmern (oftmals kann man das nicht zweifelsfrei bestimmen), auf Schrottplätzen oder in Internetcafés, erinnert an das Verhalten kleiner Vögel im Nest, die nur dann irgendetwas vom Kuchen bekommen, wenn sie lauter brüllen als alle anderen. Ja, wenn ihr nur brüllen würdet! Nein, ihr schmeißt Schlamm wie pubertierende, zahnbespangte Mädels in der großen Pause. Ihr zitiert aus nicht weiter belegten Gerichtsakten, gebt Telefongespräche wieder oder zeichnet sie gleich auf. Ihr sprecht Stadtverbote aus, setzt Gerüchte in die Welt, filmt die dazu passenden Chatverläufe ab, erzählt die wildesten Geschichten von umgekippten Reissäcken, irgendwo zwischen Ravensburg und Berlin, und schafft euch damit einen eigenen Nachrichtenkanal: ein Ghetto-Buzzfeed in HD. Ein Hoch auf die Datenflatrate! Merkt ihr selbst, ne?
»Es könnte mir also gepflegt am Arsch vorbeigehen. Tut es aber nicht.«
Mir ist bewusst, dass es im Deutschrap des Jahres 2014 durchaus Strukturen gibt, die mit dem John Doe des Landes wenig bis nichts zu tun haben. Mir ist bewusst, dass Teile der Branche Geschäfte unterhalten, die nur schwerlich in einen Steuerbescheid passen. Mir ist bewusst, dass Teile dieser Unternehmungen sicherlich auch unter dem Label Promo firmieren. Ich verstehe, dass ich nicht die Zielgruppe eures Treibens bin. Es könnte mir also gepflegt am Arsch vorbeigehen. Tut es aber nicht.
Denn dummerweise habt ihr mir durch eure sowieso schon infantiles Baseballschlägerschwingen, und sei es nur rhetorisch, gezeigt, wie sehr ihr damit einen Nerv der Zeit trefft. Ich meine, so groß sind eure Crews ja nicht, dass ihr mal locker 500.000 Views generieren könnt. Das machen dann die Heerscharen von gelangweilten Usern, die mit Internetkatzen, -titten, -russen, oder per se -fails nichts mehr anfangen können, und sich ihre Zeit mit hämischen Feldstudien der ihr unbekannten, aber sehr erheiternden Spezies vertreiben. Mittlerweile gibt es dafür schon eigene, wohlprosperierende Portale, die sich mit eurem Dünnpfiff, und dem stumpfen Klickreflex der Netzgaffer, ordentlich gesund stoßen.
Und genau das nehme ich euch übel. Haut euch meinetwegen die Fresse ein, veranstaltet meinetwegen ordentliche Ultimate Fighting-Events, streamt die Scheiße ins Netz und regelt das so, wie ihr – als echte Männer, was ihr übrigens verdächtig oft betont – das eben so regeln wollt. Dies ist ein freies Land. Aber lasst bitte Rap aus dem Spiel. Er hat euch nichts getan. Und ihr tut nichts für ihn.
Statement Ende.