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Wehn juckt's

Schwamm drüber?

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Liebe Leute, es hilft alles nichts: Wir müssen an dieser Stelle mal wieder Klartext reden. Und zwar über SpongeBOZZ. All jene, die bereits um die Existenz dieser Persönlichkeit wissen, können im vierten Absatz weiterlesen. Allen anderen sei an dieser Stelle noch mal in aller Kürze erklärt, um wen es sich bei dieser Gestalt genau handelt.

SpongeBOZZ – vollständig: SpongeBOZZ Gunshots – ist eine Kunstfigur, die, der Name deutet es bereits an, in einem modifizierten SpongeBob-Schwammkopf-Kostüm steckt und mit verstellter Stimme rappt. Vermutlich verbirgt sich hinter der Maskerade SunDiego, der eine nicht ganz unwesentliche Rolle auf Kollegahs – nicht zuletzt deswegen – umstrittenen Album »Bossaura« spielte.

Bekanntheit erlangte SpongeBOZZ in erster Linie durch seine Teilnahme an der »VBT«-Konkurrenzveranstaltung »JuliensBlogBattle«. Heute veröffentlicht SpongeBOZZ sein Debütalbum »Planktonweed Tape«. Die dazugehörige Box – angeblich in einer Stückzahl von 20.000 angefertigt – war bereits Wochen vor Release ausverkauft. Relevanz scheint SpongeBOZZ also durchaus zu besitzen – dies allerdings zunächst einmal aus wirtschaftlicher Sicht.

Während die Fans fleißig Boxen vorbestellten, wurde SpongeBOZZ – ähnlich den YouTube-Rappern Kayef oder Liont – lange Zeit von den (Rap)Medien ignoriert. Zuletzt bin ich aber über zwei Texte gestolpert, die sich beide auf ihre eigene Art mit dem Thema SpongeBOZZ beschäftigten: Skinny von rap.de unterzog SpongeBOZZ einer gründlichen Beobachtung im Hinblick auf Rapskills und attestierte dem rappenden Schwamm, »ein neues Level in Sachen kalkulierter Produktgestaltung im Deutschrap erreicht« zu haben.

Auch Dennis Sand kommt in seinem Text für die »Welt« nach einem etwas holprigen, von HipHop-Klischees getragenen #shitpeoplewrite-Einstieg zu dem Schluss, dass SpongeBOZZ sich in einer Zeit, in der die Marketingmechanismen des deutschen Straßenrap sich in ihrer gewieften Inszenierung kaum von Wrestling-Schaukämpfen unterscheidet, clever in Szene zu setzen weiß. Das mag soweit stimmen.

Aber Sand schreibt weiter: »Und jetzt kommt der Schwamm, der all diese Tendenzen und Entwicklungen verstanden und – sinnbildlich gesprochen – auch aufgesaugt hat und es beherrscht, sie ironisch gebrochen in Perfektion auszuspielen.« Spätestens an dieser Stelle muss ich Dennis Sand widersprechen.

Weder disst SpongeBOZZ außergewöhnlich viele Rapper, noch rennt er in seinem Kostüm in einen Media Markt um vor laufender Kamera zu erklären, wie man jetzt noch mal genau eine CD kauft. Weder fährt er mit seinem Twingo vor die Wohnungstüren anderer MCs und macht dort Klingelstreiche, noch versucht er sich als selbstironischer YouTuber.

Womit Sand hingegen wiederum recht hat, betrifft die Saugfähigkeit von SpongeBOZZ. Denn um möglichst viele Referenzen aus dem popkulturellen Kosmos – mit Schwerpunkt auf Zeichentrickserien und Deutschrap – ist SpongeBOZZ mit Sicherheit nicht verlegen. Genau darin liegt aber das Problem. Denn die kreative Eigenleistung hinter dem Projekt SpongeBOZZ tendiert, gelinde gesagt, gegen Null.

Natürlich kann da jemand halbwegs passabel rappen, ist in der Lage, Requisiten und Locations für ein Video zu organisieren, hat Connections zu jemandem mit einem professionellen Tonstudio und scheint auch Wege und Möglichkeiten zu besitzen, ein Produkt wie das jetzt anstehende »Planktonweed Tape« über die richtigen Vertriebswege verfügbar zu machen. Das war es aber auch schon.

SpongeBOZZ verkörpert nichts, aber auch wirklich gar nichts Eigenes. Im Gegenteil. Da wird sich nicht nur das Kostüm einer der aktuell beliebtesten Zeichentrickfiguren übergestreift, mit hässlicher Fratze und Sonnenbrille versehen und davon ausgegangen, dass er viel kifft – nein. SpongeBOZZ bedient sich auch gleich noch beim gesamten Charakterkosmos und den Schauplätzen einer Zeichentrickserie, die bereits seit Jahren in anderem Kontext existiert.

Sein Sidekick, Patrick Bang, ist – der Name deutet es bereits an – natürlich als eine Hybridparodie auf Farid Bang und SpongeBobs besten Freund Patrick Starfish, zu verstehen. Ein Großteil der Beats kommt von einem Produktionsteam mit dem einfallsreichen und auf den Wohnort von SpongeBob rekurrierenden Namen »Bikini Bottom Mafia«. Auch anderorts stolpert man immer wieder über Textstellen, die klarmachen, dass hier die bereits bestehende Bikini-Bottom-Erlebniswelt um kriminelle Komponenten erweitert wird.

Das müsste doch spätestens in Sachen Copyright einen Haken haben, oder? (Godsilla calling.)  Durch die inhaltliche Aneignung und jugendgefährdende Verfremdung der eigentlich heiteren Figur findet ja nicht zuletzt auch eine Imageschädigung für SpongeBob statt. Wäre es als kurzzeitige Parodie angedacht, könnte ich das ignorieren und vielleicht halbwegs verstehen. Aber im Fall von SpongeBOZZ ist ein gewisser Umsatz und gewinnbringender Aspekt sicherlich nicht mehr von der Hand zu weisen.

Abgesehen von der Annexion der gesamten Unterseewelt gibt es auch ein stilistisches Vorbild. Sätze wie »Jetzt mal ohne übertriebenes Panzerfaustgelaber…« und Einstiege à la »Ich komm mit...«, »Ich bin Killer wie…« oder »Es ist der…« sind definitiv der Feder von Kollegah entsprungen und werden hier, genau wie übrigens diverse Punchlines, in das SpongeBOZZ-Universum überführt. Beispiel gefällig? Auf »Kaputt gemacht« rappt Kollegah »Ich schieß‘ dich Hurensohn voll Kugeln / und lande mehr Treffer als die Suchfunktion von Google« – SpongeBOZZ macht daraus: »Pumpe besoffen mit geschlossenen Augen dich Penner voll Kugeln / und lande dabei noch mehr Treffer als du Möchtegern-Rapper bei Google«.

Mag sein, dass SunDiego das SpongeBOZZ-Projekt, wie hier und da bisweilen kolportiert, gemeinsam mit Kollegah erdacht hat, aber ähnlich wie bei der SpongeBob-Referenz hat das Projekt längst Ausmaße angenommen, die eine simple Parodie inklusive kurzweiliger Lacher längst überschritten hat – zumal sich zu den angeeigneten Catchphrases und Punchlinebauweisen von Kollegah sowie dem Aussehen und der Themenwelt von SpongeBob Schwammkopf zusätzlich die Stimmlage von Battleboi Basti, das nonchalant hingerotzte »Huänsohn« von Haftbefehl und – in Form des Künstlernamen-Suffix – Azads very own BOZZ gesellen.

So weit, so Remixkultur. Einem HipHop-Künstler vorzuwerfen, er würde sich schamlos an der popkulturellen Produktpalette bedienen, ist natürlich Quatsch. Genau so gut hätte man zu ihrer Zeit Snaga & Pillath oder dieser Tage einen Haftbefehl oder Shindy abwatschen können, die sich allesamt auf ihre Weise an anderen Rappern und deren Wirken orientierten. Aber es geht beim – wie auch immer gearteten – Sampling eben auch um einen respektvollen, sensiblen und kreativen Umgang mit dem Ausgangsmaterial. Und ein Stück weit auch darum, ein Bewusstsein für die verwendeten Referenzen zu schaffen.

Und das sehe ich bei SpongeBOZZ leider in keiner Weise. Im Gegenteil: All die genannten Komponenten werden mit enormer Dreistigkeit und ohne Rücksicht auf Verluste zusammengeschmissen, auf bratzige Dubstep-Beats gehaspelt und in hässlichen Videos zur Schau gestellt. Das hat weder etwas von ironischer Brechung, noch besitzt es im Ansatz eine irgendwie geartete Form von Perfektion – sondern ist in letzter Instanz nur eine lieblos runtergeratterte Geschmacksverkalkung sondergleichen.

Ein erwachsener Mann, der im Kostüm einer Zeichentrickfigur steckt und mit seinen beputzhandschuhten Armen herumfuchtelt, während er über Drogendeals rappt, seine Fans mit »Schwanzlutscher« anredet und dessen bester Freund in einem pinken Latexanzug steckt und einen Rick Ross’schen Rauschebart trägt. Ich behaupte: Mit SpongeBOZZ ist der Peak endgültig erreicht. Mehr kompletter Blödsinn, mehr lachhaftes Image, mehr schlechter Geschmack, mehr uninspirierte Zusammenklauerei geht nicht. Ab jetzt kann es ja eigentlich nur noch besser werden. Oder?