Money Boy Die ultimative Gönnung – Money Boy live in Berlin

Der 21-Entertainment-CEO gab am gestrigen Mittwochabend gemeinsam mit der Glo Up Dinero Gang einen seiner raren Live-Auftritte in der Hauptstadt. Jan Wehn hat sich ein Ticket gekauft und ist hingegangen. Ein Konzertbericht.

Money Boy am 22. Januar live im Berliner Magnet

Die Schlange vor dem Berliner Magnet reicht an diesem Mittwochabend bis runter zur Straßenecke. Gut 400 Menschen sind gekommen, um dem ausverkauften Live-Auftritt von Money Boy beizuwohnen. Wobei, Money Boy sagt hier in der Schlange vor dem Kreuzberger Club eigentlich niemand. Überall ist nur vom »Boy« die Rede. Es wird spekuliert, wann »der Boy« wohl auf die Bühne kommt, ob »der Boy« sich gerade im Backstage noch ein wenig Heroin gönnt oder mit ein paar Groupies verlustiert.

Die Dichte an jungen Jungs ist erstaunlich hoch. Gut 90 Prozent der Wartenden sind männlich und sehen aus, wie man eben aussieht, wenn man derzeit so etwas wie ein Teenager ist. Bunte Turnschuhe, halbenge Hosen, Daunenjacken mit Fellkragen und auf dem Kopf entweder Mario-Götze-Gedächtnisfrisuren oder Kappen, auf die mal mehr und mal weniger sinnstiftende Schlagwörter wie »YOLO« oder »WAVY« gewebt worden sind. Zwei Jungs haben die auf ihre Köpfe gelegten Bandanas mit Fischerhüten fixiert und ein paar Dollarnoten zwischen Tuch und Hut geklemmt.

Jemand geht die Menschenschlange entlang und verteilt flachsend weiße Styroporbecher, in die großzügig Cola aus PET-Flaschen ausgeschenkt wird. Man prostet sich mit einem fröhlichen »Turn up!« zu. Überhaupt diese Geräuschkulisse. Im ersten Drittel der Schlange ertönen Ausrufe wie »Burrr!«, »Scurrr!« und »Sheeeesh!«. Dann vernimmt man den heiseren Schrei eines Steinadlers, der Reihe für Reihe bis ganz nach hinten an die Straßenecke weitergetragen wird. Von irgendwo ertönt das Gurren einer Taube, wenig später krächzt eine Krähe – ein Ornithologe hätte seine wahre Freude an der Vielzahl dieser vermenschlichten Vogelgeräusche.

In der Schlange herrscht eine Stimmung wie vor großen Fußballspielen. Es werden »YOLO«-Sprechchöre skandiert, jemand quäkt mit kieksender Stimme »Homie, gib mir die Shisha!« und dann »Der Louis Store war zu«, ehe via Handy-Lautsprecher der Money-Boy-Song »Heroin« abgespielt wird und dazu mit federleichten Ellenbögen, wippenden Köpfen, geschlossenen Augen und auf Unterlippen gebissene Schneidezähnen der von Lil B so populär gemachte cooking dance getanzt wird.

Wenn nicht gerade getanzt wird oder Vögel imitiert werden, talked hier jeder den Talk. Gemeint ist damit das fehlerhafte Fantasiegebrabbel, das Money Boy in den letzten Jahren erfolgreich etabliert hat. Hier in der Schlange beherrscht jeder die grenzdebile Denglisch-Mundmische. Ständig wird gefragt, ob der und der auch beim Konzert »am be-en« ist oder ob man noch »1 Zigarette getten« könne. Auf dem Boden liegt ein halb geleerter Paracetamol-Blister. 300er. Kurz dahinter steht eine Mittvierziger-Mutter in giftgrüner Funktionsjacke mit ihren drei, natürlich noch nicht volljährigen, Söhnen. Dann ist endlich Einlass.

Man ist seltsam aufgeregt. Money Boy war bereits davor schon das eine oder andere Mal in Berlin. Aber im Jahr 5 nach »Dreh den Swag auf« muss sich auch der letzte Hater eingestehen, dass der 33-Jährige kein besonders gewiefter Method-Actor ist, der mit Realsatire den großen Medien-Backlash plant. Es gibt keinen doppelten Boden, die versteckten Kameras sucht man vergebens. Auch die oft gestellte Frage, ob Sebastian Meisinger das denn alles »ernst« meine, erübrigt sich mittlerweile. Er hat einfach Spaß am Rappen und dem Austesten von Grenzen. Unlängst konnte man gar im »Musikexpress« ein vollkommen ironiefreies Plädoyer für Money Boy und seinen unbändigen Drang zur Kunstschaffung lesen. Vielleicht ist man deshalb so gespannt, wie das jetzt alles »so wird«.

Drinnen decken sich diejenigen, die es noch nicht erledigt haben, mit Money-Boy-Shirts ein und drängen gleich in den gedrungenen Konzertraum des Magnet. An der Theke wird im Sekundentakt Cola mit Eiswürfeln und Zitronenschnitz bestellt. Vor der Bühne ertönen die ersten »Swag Mob«-Sprechchöre, dann beginnt das Vorprogramm von Money Boys Entourage, der Eagle Gang (oder der Glo Up Dinero Gang oder der Codein Cobra Crew oder der Duschkabinen Posse oder der Milchschnitten Mörder Gang).

Als erstes ist The Ji dran, der kein ganz schlechter MC ist und mit »James Franco« sogar einen veritablen Hit vorzuweisen hat. Als nächstes betritt MC Smook im Strickpulli mit V-Ausschnitt und Ellenbogenpatches aus Leder die Bühne, schreitet mit der Präsenz und Stimmkraft eines jungen Kollegah über die Stage und legt gleich mit seinen großen Hits – »Kola mit Ice«, »Boris Becker Swag« und »Leben und Tod des Nesquik Hasen« – los. Und spätestens bei »Grinden mit Delfinen« schmeißen zwei Drittel der Leute ihre Hände von links nach rechts. Die Stimmung kocht völlig über, als Hustensaft Jüngling und Medikamenten Manfred die Bühne betreten. Insbesondere Young Hustensaft performt Songs wie »Bang Bang« dabei mit der Aura eines jungen Juelz Santana und wird frenetisch von jungen Menschen gefeiert, die keine Smartphones, sondern ihre Hände in die Höhe recken, als wäre wieder 2001.

Neben dem Fakt, dass man diesen Jungs nicht unbedingt zugetraut hätte, eine derart feierwütige Crowd zu handeln, ist vor allem auch die Stimmung erstaunlich. Die Gästeliste ist an diesem Abend mit gerade mal fünf Namen für Berliner Verhältnisse erstaunlich klein gehalten. Überhaupt sind allerhöchstens 50 Menschen gekommen, um sich das Spektakel als mit verschränkten Armen dastehende Skeptiker vom hinteren Bereich des Clubs aus anzuschauen. Der Rest der Leute ist hier, weil sie das, was die Mitglieder der Glo Up Dinero Gang da auf der Bühne veranstalten, wirklich – und ganz ohne Ironie – gut finden.

Dann geht das Warten auf »den Boy« los. Jemand stimmt »Dicke Eier« an, um sich die Zeit zu vertreiben. Als in der Pausenmusikplaylist »Shut Up« von den Black Eyed Peas ertönt und Trockeneis auf die Bühne gepustet wird, denken alle, dass es gleich losgeht, und singen aus vollem Hals mit. Noch ein paar wenige Minuten, dann betritt Money Boy die Bühne. Ein lilafarbenes Cap mit »Fanta«-Schriftzug auf dem Kopf, drölf Goldketten um den Hals, legt Money Boy gleich mit »Ballen ohne Ball« los. Danach folgen »Yayo«, »Cock die Bitch weg« und »Ich trinke Frostschutz« – allesamt rappt Money Boy wie die meisten US-MCs über die schon bestehende Aufnahme. Stören tut das niemanden.

Dann unterbricht Money Boy die Show. Der Grund: Er muss sich erst mal die nächste Newport (»Die hood cigarette!«) anzünden, um den Schmerz zu betäuben. Tabakgestärkt, präsentiert er ein paar Freestyle-Zweizeiler mit Berlin-Bezug (»Ey yo, ich sag zu Papa Schlumpf: ›Wieso fährst du keinen Benz, blauer Zwerg?‹ / Ich vertick’ das Crack dort am Prenzlauer Berg!«, u.a.), um im Anschluss mit dem Hawk eine Zitrone zu achteln und in seine Cola zu geben. Es folgt, natürlich, »Kola mit Ice« und gleich im Anschluss das bis dato unveröffentlichte Softdrink-Sequel »Fanta mit Eis« nach. Es ist die ultimative Gönnung und man mag sich angesichts der Fülle an verfügbaren Limonadensorten kaum ausmalen, welche bombastische Brausehymen uns in Zukunft noch bevorstehen dürften.

Die Performance des emotionalen Songs »Rummelplatz« schafft Money Boy nur mit ein paar kräftigen Schlucken Schnaps. Zur Auflockerung gönnt er sich »Heroin«, recyclet danach ein paar Freestyles aus der letzten »Circus HalliGalli«-Sendung und zollt Bushido und dessen legendärer »Berlin/Persil«-Line Respekt. Natürlich werden dann noch Mädels auf die Bühne geholt, natürlich spielt er danach noch »Dreh den Swag auf«. Er spielt und spielt und spielt. So lange, bis ihm bei »Awesomo« schließlich der Strom abgestellt wird.

All das passiert mit einem solchen Selbstverständnis und -bewusstsein, dass man nicht anders kann, als Money Boy wirklich seinen Respekt auszusprechen. Denn das, was Sebastian Meisinger in den letzten vier Jahren gemacht hat, muss man erst mal schaffen, aushalten und durchziehen. Denn an diesem Abend lacht eigentlich keiner über den Boy. Die Leute lachen mit ihm, prosten ihm mit ihren Getränken zu, tragen sein Konterfei auf ihren T-Shirts, rufen seine Catchphrases in Richtung der Bühne, auf der einfach ein paar Jungs stehen, die Spaß am Rappen haben und den Leuten eine gute Zeit bereiten. Das war’s eigentlich schon.