Rezzett Zwischen Detroit Techno und Def Jux

Das mysteriöse britische Duo Rezzett gehört zum Spannendsten, was die elektronische Musikwelt gerade herzugeben vermag. Mit nur drei Maxis über das Indie-Label The Trilogy Tapes und einer Handvoll Live-Performances konnten sie einen kleinen Hype unter Vinylkäufern und »Pitchfork«-Lesern entfachen. Sie sind der störrische Gegenentwurf zum plumpen Arpeggio-Terror und den Wohlfühl-Saxofonen der zeitgenössischen EDM.

Rezzett

Zum ersten Mal las ich den Namen Rezzett, als ich im letzten Jahr ein Skate-Video der britischen Marke Palace sah. Der kaputte Techno ihres Tracks »Yayla« passte perfekt zum mit Glitches und VHS-Streifen auf Neunziger-Ästhetik getrimmten Footage. Über neun Minuten lang baute sich der Groove immer wieder auf und fiel anschließend mit schöner Regelmäßigkeit in sich zusammen. Auf der selbstbetitelten Debüt-EP von Rezzett, die ich mir über Bandcamp besorgte, gab es noch mehr experimentelle LoFi-4/4-Beats aus verzerrten Störfrequenzen und grob geschnittenen Samples zu hören — als hätten sich Autechre in Madlibs altem Bombenschutzkeller eingeschlossen, seine Wochenration Marihuana verhaftet und sich mit einem Haufen früher Detroit-Maxis ausgetobt.
 


 

Dem Mysterium um das Duo schadete es sicher nicht, dass es über Rezzett online keinerlei Informationen zu finden gab — eine von Underground Resistance bis Burial bewährte Taktik der Verschleierung, um den Fokus weg von den Menschen hinter der Musik zu lenken. Zudem gilt das Label The Trilogy Tapes, betrieben von dem Grafikdesigner und DJ Will Bankhead, ohnehin als geschmackssichere Bank für spannende Electronica. In den Neunzigern hatte Bankhead Albencover für das stilprägende Mo-Wax-Label entworfen. Nun betrieb er ein eigenes Kassetten- und Vinyl-Label, auf dem House-Ikonen wie Theo Parrish und Kassem Mosse ebenso veröffentlichten wie abseitige Noise-Acts – und eben Rezzett.
 


 

Die zweite Rezzett-Maxi »Zootie« erschien 2014 und dekonstruierte Jungle in derselben Weise, in der »Yayla« zuvor Techno in seine Bestandteile zerlegt und wieder neu zusammengesetzt hatte. Die seltenen Live-Performances des Duos fanden entweder in Kellerlöchern in Manchester oder gleich auf Fashion-Shows in Tokio statt. Ihren halbstündigen Live-Auftritt für die Präsentation einer Streetwear-Marke veröffentlichte The Trilogy Tapes vor einigen Wochen auf Kassette. Mittlerweile ist das Ding schon wieder ausverkauft. Mehr als den Umstand, dass es sich bei Rezzett tatsächlich um ein Duo handelt, gibt aber auch der YouTube-Mitschnitt dieser Show nicht preis.
 


 

Nun erscheint mit »Goodness« die dritte Rezzett-EP bei TTT, die einmal mehr ein ganz besonderes Verständnis für Sound-Texturen offenbart. Aufgeschlossene Beatgeeks könnten durchaus Gefallen an dieser Mischung finden. Rezzett stehen wegen ihrer inhaltlichen Rückbezüge bei gleichzeitiger Dekonstruktion in einer Tradition mit Produzenten wie Zomby, Actress und Burial. Die Art und Weise, wie Rezzett mit Beats, Samples und Effekten umgehen, scheint einerseits also klar von der britischen Basskultur, andererseits aber auch vom apokalyptischen Underground-HipHop der nuller Jahre zwischen El-P, Def Jux und Anti-Pop Consortium beeinflusst. Ein Interview könnte für Klarheit sorgen. Doch das wird wohl bis auf Weiteres nicht passieren.