SHIRT New Yorker Traditionalist mit Battle-Attitude und artsy Überbau
Die kurze Volte um den Rapper SHIRT ist eine der amüsanteren Geschichten des noch jungen Rap-Jahrgangs 2014. Kurz gesagt, fälschte der nahezu völlig unbekannte Internet-Rapper SHIRT einen begeisterten »New York Times«-Artikel über sich selbst, setzte den Namen des renommierten »Times«-Kritikers Jon Caramanica darunter, verbreitete diesen tatkräftig über eine Fake-Website und schaffte es auf diese Guerilla-Weise, zumindest kurzfristig die tatsächliche Aufmerksamkeit größerer Medien wie »Complex« oder »Okayplayer« auf sich zu ziehen.
Mit dem suchmaschinenunfreundlichen Titel »RAP« und einem ähnlich minimalistischen »Cover« versehen, versammelt sein neues Soundcloud-Album zehn kurze Songs, großteils von skizzenhaftem Charakter. Auf vorwärts gedachten, skelettalen Beats zwischen Boombap und Cloud Rap inszeniert sich SHIRT als New Yorker Traditionalist mit Battle-Attitude und artsy Überbau, irgendwo zwischen Danny Browns Charles-Bukowski-Swag und klassischem New Yorker Selbstbewusstsein. Wie Brown, Action Bronson, Antwon oder Lil Ugly Mane gehört SHIRT zu einer äußerst heterogenen, aber dadurch nicht minder spannenden Szene von Weirdo-Zitatrappern im Netz. Viele von ihnen pflegen einen distanzierten, kontrollierten Umgang mit dem Öffentlichkeitsbegriff. Auch über SHIRT gibt es bislang wenig herauszufinden, und in den wenigen Interviews wird nicht ganz klar, inwieweit der Künstler hier auch gezielt desinformiert.
Auf seiner Soundcloud-Seite gibt der rätselhafte Rapper immerhin preis, dass er in Manhattan und Queens aufgewachsen ist und mehrere Brüder hat. Angeblich gebe es niemanden, der je behauptet habe ihn zu kennen, außerdem sei er mit angeblich mit Rihanna im Bett gewesen und schreibe seine Texte im Winter auf einem Luxusschiff auf dem Hudson River. Die Rihanna-Story ist natürlich Quatsch, aber laut SHIRT eine künstlerische Hommage an den Graffiti-Writer COST, der in den achtziger Jahren eine Kampagne namens »COST fucked Madonna« initiierte und die der Rapper kurzerhand in »SHIRT fucked Rihanna« umdichtete. Auf der Soundcloud-Präsenz gibt es zudem mysteriöse Freestyles auf Instrumentals von Capone-N-Noreaga, GZA und Big Sean, aber auch auf Donovans klassischem Dusty-Fingers-Break »Get Thy Bearings«, zu hören.
»RAP« zeigt SHIRT als talentierten, aber nicht als exzeptionellen Rapper. Er beherrscht alle derzeit beliebten Flows spielerisch, verfügt über eine starke, charakteristische Stimme und ein gutes Händchen für die richtigen Instrumentals. Dies bewies er schon im letzten Jahr, als er für sein Mixtape »Shrines« nur über Beats des kanadischen Electro-Projekts Purity Ring rappte. Vor sieben Jahren hätte man sowas »Hipster Rap« geschimpft. Hier nimmt er sich u.a. Drakes »Tuscan Leather«-Beat vor, der Rest stammt von namenlosen Bandcamp- und Soundcloud-Producern aus der ganzen Welt. Die Stücke deuten an, in welcher musikalischen Tradition SHIRT sich sieht, gleichzeitig verweisen sie auf aktuelle Entwicklungen in der Bassmusik-Welt.
In einem Interview deutete SHIRT an, dass er bereits an größeren Songs als diesen kurzen, rohen Skizzen arbeitet, so habe er mehrere Songs mit DJ Dahi (Drake, Kendrick Lamar) in der Schublade, die er aber nicht auf einem Free-Download-Tape verbraten wolle. Spätestens nach »RAP« ist durchaus denkbar, dass dieser enigmatische Künstler zu Größerem als einem Nischenphänomen im Netz taugt. Man nimmt ihm die wahre Liebe zur Subkultur ab, trotz oder gerade wegen seiner prätentiösen Sperenzchen in der öffentlichen Positionierung.