Celo & Abdi Neues Deutsches Kulturgut

Zehn Jahre nach ihrem legendären »Mietwagentape« veröffentlichen Celo & Abdi jetzt den Nachfolger. Damit zementieren die Frankfurter ihren Status als prägende Figuren der deutschen Popkultur und ihrer Sprache. Während Celo & Abdi für die Repräsentation migrantischer Realität in der Musikwelt sorgen, beschwören andere den Untergang des Hochdeutsch. Dabei sollten die Rapper aus Frankfurt ebenso als Deutsches Kulturgut angesehen werden wie Goethe und Schiller.

Celo & Abdi

Als die Frankfurter Rapper Celo & Abdi, bürgerlich Erol Huseinćehaj und Abderrahim el Ommali, 2011 ihr »Mietwagentape« veröffentlichten, waren sie mit ihrem Sprachgebrauch allein auf weiter Flur. Klar, es gab Haftbefehl, der im Slang der Offenbacher Straßen gerappt hat. Über genau den wurde sich aber in der Szene und im Feuilleton lustig gemacht, es herrschte die Ansicht, im deutschen Rap müsste Hochdeutsch gesprochen werden. Ein Textbeispiel zur Veranschaulichung: »Eowa Bruder, MWT, let’s go! / Celo, Syn, Abdi, ah Sahbi, Flex Flow / le mack aus six-trois, AMG / Kanacken im Café auf Nana-Tee«. Lokaler Dialekt mischt sich in den Texten des Duos mit Slangausdrücken und Lehnwörtern aus unzähligen Sprachen, die sich in den Straßen Frankfurts vermischen. In weiten Teilen des Publikums stieß diese Sprachmelange auf Irritation. Nur zwei Jahre später waren Celo & Abdi mit »Hinterhofjargon« im deutschen Mainstream angekommen, »Babo« wurde 2013 zum Jugendwort des Jahres gewählt. Die Frankfurter Rapper haben die deutsche Jugendkultur maßgeblich geprägt.

Am 8. Januar 2021 veröffentlicht das Duo »Mietwagentape 2«, die zeitgemäße Fortsetzung des Klassikers. Sie brüsten sich mit ihrem Einfluss auf die deutsche Sprache: »Wir bringen den Jargon ins Wörterbuch«, so Celo auf der Vorab-Single »IBB«. Auf dem Album kann das Publikum Rap aus dem Bauch heraus erwarten. Abdi verbiegt die Wörter, um Reime zu erzeugen, Celo mischt besonders gekonnt den Frankfurter Straßenslang mit Begriffen, die er laut eigener Aussage im Gymnasium oder in Fernsehdokumentationen aufgeschnappt hat. Auf dem eben gleichen Song rappt Abdi: »Transportier‘ Lieferwagen, Mr. Pizza / Tijara, Niederrad, Müşteris, Sifra, Sittla«.

Angesprochen fühlen von den Texten des Duos dürften sich vor allem jene, die eine ähnliche Sozialisation erfahren haben. Denn versteht man die Lehnwörter aus unzähligen Sprachen, die Lokal-, Sport- und Popkulturreferenzen nicht, wirken die Zeilen häufig wie ein Wörterrätsel. Dass die beiden Frankfurter offenbar wenig Wert auf die sprachlichen Feinheiten der großen Dichter und Denker geben, ruft seit jeher Kommentare auf den Plan, die den Untergang der deutschen Sprache beschwören.

Sprache verändert sich. Das war schon immer so. Sie passt sich dem Alltag der Sprachgemeinschaft an. Alleine in diesem Jahr erweiterte sich die deutsche Sprache durch die Corona-Pandemie um über 1.000 Wörter. Wer hätte denn vor einem Jahr gewusst, was der Fußgruß, die Abstandsnudel oder etwa Superspreader sind? Und auch Migration wirkt auf die Alltagssprache ein. Celo beispielsweise sagt im Interview, in seiner Kindheit wurde zu Hause konsequent Bosnisch gesprochen. »Hochdeutsch habe ich durchs Fernsehen gelernt.« Bei allem Sprachgemenge in den Raptexten sprechen Celo & Abdi keine Sprache fließend. Unmöglich war es ihnen, Hochdeutsch zu schreiben, ebenso unmöglich, als in Deutschland Lebende auf den Sprachen ihrer Eltern zu dichten. Stattdessen nahmen sie den Frankfurter Straßenslang als Rahmen ihres Ausdrucks, mit all seinen Unkorrektheiten, seinen Rissen und seinem Überfluss. Die Sprachwelt des Duos ist roh. Aber sie birgt große Kraft als Ausdrucksmittel für die Situation der Kinder der Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen, wie es auch Celo & Abdi sind.

In den letzten Jahren sei ihr Jargon Gang und Gäbe unter jungen Menschen in Deutschland geworden, sagt Celo. Vor allem im urbanen Raum findet der Slang Anklang, in Offenbach ebenso wie in Duisburg-Marxloh oder Berlin. »Natürlich gibt es Leute, die wollen diesen Teil der deutschen Gesellschaft ignorieren.« Diese Leute seien konservativ, ihr innigster Wunsch, das deutsche Kulturgut zu bewahren. Damit gemeint sind wohl beispielsweise der Verein Deutsche Sprache, dessen Vorsitzender regelmäßig mit rechtspopulistischen Tendenzen auffällt. Oder die AfD, die 2018 aus Angst vor Überfremdung forderte, die deutsche Sprache im Grundgesetz zu verankern. Die Rede von Johann Saathoff, die der SPD-Bundestagsabgeordnete in dieser Debatte zum Teil auf Plattdeutsch hielt, wird bei vielen Zuhörer:innen wohl mehr Fragezeichen hinterlassen haben als die Texte von Celo & Abdi.

In der Bundesrepublik sind neben Deutsch noch weitere Sprachen gesetzlich als sogenannte Minderheitensprachen festgelegt, wie Sorbisch, Niederdeutsch und Dänisch. Diese sind beispielsweise im Schulunterricht und bei Ämtern zugelassen. Abgeordnete wie Saathoff sorgen für Repräsentation, Sprecher:innen des Plattdeutschen fühlen sich politisch repräsentiert, wenn ihre Sprache im Bundestag gesprochen wird. Das gleiche gilt für die Popkultur: Das Sprachgeflecht von Celo & Abdi spricht vorrangig die Hörer:innen an, die einen ähnlichen Sprachgebrauch besitzen. Die Festlegung der Adressaten schien zumindest 2011 wichtig zu sein. So hieß es auf dem Titel »Franzaforta«: »Für die Jungs im Mietwagen, auf Kickdown Richtung Amsterdam«. Daran hat sich 2021 nichts geändert, wenn man Celo auf dem Track »Franzaforta Deux« Glauben schenkt. Zu Zeiten des ersten »Mietwagentapes« hätten sogar Straßenrapper gefordert, Rap müsse Hochdeutsch sein, sagt Celo. Sie zeigten: Musik und Dichtung sind nicht nur denen vorbehalten, die einwandfreies Hochdeutsch sprechen. Den gesellschaftlichen Nachteil der Sprachbarriere kehren sie zu ihrem Alleinstellungsmerkmal. Wie antworten Celo & Abdi auf die Forderung nach dem Schutz der Sprache? »Die Welt ist bunter geworden, wir brauchen neues deutsches Kulturgut. Celo und Abdi sind das neue deutsche Kulturgut.« Das scheinen mittlerweile viele ähnlich zu sehen, betrachtet man den Einfluss des Duos auf die deutsche Jugendsprache.

Die von ihnen verwendeten Slangausdrücke verbreiteten sich in der Jugend- und Popkultur wie ein Lauffeuer. Das Publikum fand Freude daran, die Texte des Duos aufzuschlüsseln und zu übersetzen. Wie Celo sagt: »So Kreuzworträtsel-määäsisch«. Heute will jede:r ein Babo sein, Rapper:innen machen Para und das Game wird rrrasiert. Abdi findet es cool, wenn auch Leute ohne Migrationshintergrund so reden, sagt er. »Das heißt, die sind offen!«. Dazu gehört aber wohl auch ein gewisser Respekt der gelebten Erfahrung gegenüber. Der Erfolg des Frankfurter Straßenraps und seiner Sprache ist nicht immer schmerzfrei. Neben der Behauptung mittelständiger Jugendlicher, sie hörten die Musik ironisch, wird die Sprache von Celo & Abdi auch von denen verwendet, die aus besseren Verhältnissen stattfinden, häufig, um sich dem Anschein nach über sozial benachteiligte Jugendliche lustig zu machen. Wer diesen Slang benutzt, ohne wie Celo & Abdi durch die Schule der harten Schläge gegangen zu sein, läuft Gefahr, sich in überheblicher Imitation zu verlieren. Dennoch sei die Musik ein Beitrag zur Kulturverständigung, sagt Celo. Die ist aber keine Einbahnstraße: Es komme vor, dass Teile der Öffentlichkeit sich keine Mühe geben, ihre Sprache zu verstehen, sagt Celo.

Wichtiger als die Linguistik dürfte den Rappern wohl die repräsentative Kraft ihrer Texte sein. Celo will sein »Bild seh’n in der Tagesschau« (»Directors Cut«), Abdi träumt vom Dasein als Fußball-Mogul (»MWT Interlude 1«). Nicht umsonst heißt es auf dem Titel »Machu Picchu«, die Musik sei »Straßenpraxis, fick deine Theorie«. Eine ähnliche Aussage findet sich auf der eingangs erwähnten Single »IBB«: »Was laberst du von Horkheimer, Adorno? / Frankfurter Schule kommt aus Bornheim und Goldstone«. Diese Zeilen sind eine Forderung nach Repräsentation. Statt den schwer verständlichen Philosophen der Kritischen Theorie nachzueifern, solle man doch erstmal nachvollziehen, wovon Celo & Abdi in ihrer Musik berichten. Ihre Texte sind ausgeschmückter Realismus: »Die Leute kriegen einen Einblick in unsere Welt. Das ist, wie wenn du eine Doku schaust.« Dazu gehören sicher die Straßengeschichten. Dazu gehört, dass das Publikum »vom Zuhören […] passiv druff« (»Directors Cut«) wird. Dazu gehört, dass auch Celo & Abdi es sich nicht nehmen lassen, auf eigene Weise politisch Stellung zu beziehen: »Gentrifizierung, Mittelfinger, geb ‚n Fick auf Pegida« (»Di Di«). Zu einem mindestens ebenso großen Anteil jedoch wird die Lebensrealität durch den Sprachgebrauch vermittelt.