Antwon Kein Gee

Hat irgendwer noch den Überblick in Sachen Cloud Rap? Wir schon. Eine der wenigen, wirklich wichtigen Dudes ist Antwon. Punkrock- und HipHop-sozialisiert gleichermaßen fährt der irgendwo zwischen Q-Tip und De La Soul, Shoegaze, BoomBap und Avant-Rap anzusiedelnde Antwon seinen ganz eigenen Fun-Film.

Antwon_ALL_GOOD

Ein seltsames, nach allen Enden offenes Vakuum aus nebligen BoomBap-Beats, mit 90er Jahre-Popkulturfetzen überladene VHS-Ästhetik-Videos und hypersexuellen, irgendwie romantischen Lyrics – das wäre Antwon in a nutshell. Aufgewachsen ist der MC, der wegen Stimme und Statur gerne mit dem Big Poppa verglichen wird, in Sunnyvale, zehn Minuten außerhalb von San Jose, Kalifornien. Mit Hardcore Punk genauso musikalisch sozialisiert wie mit HipHop ist Antwon schon in Sachen Background ein Exot im US-Mixtape-Sumpf – 2008 hat er noch in seiner ersten Punk-Band gespielt, danach fiel der Fokus ganz auf Rap.

Er habe sich nie von seinen schwarzen Klassenkameraden wirklich akzeptiert gefühlt, er identifiziert sich nicht mit der überbordenden Maskulinität des present day-rapgames, er hört privat lieber Black Sabbath als sich mit neuen HipHop-Releases zu beschäftigen – alles völlig egal, hier geht es nicht um Außenseiter-Bonus, sondern um bis dato vier Mixtapes, die das Rad auf eine angenehme Art und Weise neu rund sein lassen.

Man könnte die doppelte Länge dieses Artikels über die Soundästhetik seiner Veröffentlichungen verlieren: die superfunky 80s-Pop-Basslines des »In Dark Denim«-Tapes, eine bizarr anmutende Mischung aus klassischem Soul/Jazz-Sampling und Shoegaze-Flächen auf »Fantasy Beds« oder der wuchtige Lo-Fi-Supergau, bei dem jede Bassdrum bis in die tiefste Clippinghölle übersteuert, den es »End Of Earth« zu hören gibt. Das stellt eine herrlich unverkrampfte Übersetzung eines punkigen, rotzigen Spirits in Beats und Reime dar, die in ihrer Charakterstärke gerade alleine auf weiter Flur steht.

Es ist sicher keine Kunst, sich auf den ersten Blick szenefremde Attribute anzuhäufen und einmal alles kräftig durch den MPC-Fleischwolf zu drehen, was aber wie der Fischerhaken an Antwons Output wirkt, ist schlicht und ergreifend seine Authentizität. Wenn Antwon über das Sterben während dem Geschlechtsakt rappt, wirkt das trotz allem Sexismus so liebenswürdig und von Herzen, dass sich Slick Rick im Grabe umdrehen würde – wäre er denn schon tot. Antwon schreibt über seine Welt, die genau so von Sex und irrwitzigem Level an Input aus Popkultur geprägt ist, wie die, der wohl allermeisten Twens in der westlichen Welt.

Alles hat oberflächlich eine angenehme Attitüdenlosigkeit, weder leere Ästhetik noch ein Wille irgendetwas erreichen oder darstellen zu wollen werden vermittelt. Unter der Oberfläche fühlt man schnell: Hier geht’s halt um Spaß, gute Musik, Leben, »doin’ shit with your own twist«. Mehr gefühlsnahes Kunstprojekt als Kunstfigur – »I ain’t an O.G. / I’m a young nigga«.

Anfang Mai erscheint Antwons neues, kostenloses Album »Heavy Hearted In Doldrums«, von dem am gestrigen Tage ein neuer Song zum Stream veröffentlicht wurde: »Rain Song« – mit Lil’ Ugly Mane als Feature, produziert von dessen Alter-Ego Shawn Kemp.

Die beiden hatten schon auf einem Track namens »Underwater Tank« gemeinsam die Ehre und passen erwartungsgemäß hervorragend zusammen – das weiße Kid mit Death Metal-Shirts und unfassbaren Beatmaker-Skills, das mit »Mista Thug Isolation« einen moderne Großtat veröffentlicht hat und der dicke, sensible MC am Puls der stetig nach hinten und nach vorne schauenden Zeit. Die Produktion ist offener und klarer geworden, Violinen schwirren mit ätherischen Vocal-Samples umher, beide MCs sind ganz in ihrer Patchwork-Welt, die perfekt funktioniert. Kein falscher Stolz auf Mainstream-Verweigerung. Nur die Sicherheit gute, spannende Musik zu machen.