Wise Intelligent Der Poor Righteous Teacher

Vor 30 Jahren erschien »Holy Intellect«, das Debütalbum der Poor Righteous Teachers. Fast zeitgleich feiert Wise Intelligent dieser Tage seinen 50. Geburtstag. Hierzulande haben den Rapper und seine Crew nur wenige Leute auf dem Schirm, dabei ist Wise Intelligent der Lieblingsrapper deines Lieblings-Conscious-Rappers.

Wise Intelligent

Wise Intelligent rappt, was andere nicht zu rappen wagen. Das macht ihn zu einem gleichermaßen streitbaren wie umstrittenen Rapper. An künstlerischer wie politischer Kompromisslosigkeit, Kontinuität und Konsequenz ist er kaum zu überbieten. Auf seine immens druckvollen und in beachtliche Flows verpackten Raps, die oftmals vertrackten Traktaten gleichen, lässt er Taten folgen. An die Stelle der Ideologie, die Wise Intelligent mit den Poor Righteous Teachers vornehmlich vertrat, ist im Laufe der Jahre ein konkreter Aktivismus getreten. In Alltag, Politik und Wirtschaft steht der schwarznationalistische Künstler dafür ein, die Lebensbedingungen von insbesondere der überproportional von Armut betroffenen afroamerikanischen Jugend zu verbessern. Auf der anderen Seite tauchen in seinen Texten ein ums andere Mal verschwörungsideologische Inhalte auf, die die Stellung dieses Ausnahme-MCs in ein problematisches Licht rücken.

Wise Intelligent hatte von Anfang an ein enormes Sendungsbewusstsein. Schon mit rund 20 Jahren trat der drahtige Kerl mit der markanten Zahnlücke derart souverän und selbstbewusst auf, dass sich der Hörer nur schwerlich seiner Delivery entziehen konnte und es Journalisten wie der »Pump It Up!«-Moderatorin Dee Barnes angesichts von spontan erteilten, ausschweifenden Geschichtsunterrichts vonseiten des armen rechtschaffenen Lehrers die Sprache verschlug. Heute ist Wise Intelligent nicht nur in jeder ernstzunehmenden Rangliste von unterbewerteten Rappern vertreten, sondern zählt auch zu einem Pantheon von Conscious-Rappern aus der goldenen Ära, die gemeinsam als »HipHop-Gods« auf Tour gehen. Das heißt: Wenn er nicht gerade für die Schwarze Community strugglet, Bücher wälzt, sein mit den Poor Righteous Teachers erwirtschaftetes Vermögen verwaltet, das Familienleben pflegt oder sich mit Frau und Kind auf dem Schießübungsplatz tummelt. Dass es so glücklich für ihn kommen würde, war nicht absehbar.

Trenton makes, the world takes

Wise Intelligent kommt 1970 als Timothy Grimes in New Brunswick, New Jersey, zur Welt. Zwei Jahre später zieht es die Familie in das 40 Autominuten entfernte Trenton, die Hauptstadt des Bundesstaats. Es ist ein Städtchen von gut 85.000 mehrheitlich Schwarzen Einwohnern. Über den Delaware River führt die Lower Trenton Bridge, auf der die Poor Righteous Teachers Jahre später das Video zu ihrem Hit »Rock Dis Funky Joint« drehen werden. An der Brücke prangt seit 1935 ein riesiger Schriftzug: »TRENTON MAKES, THE WORLD TAKES«. Er soll die zwischen New York City und Philadelphia gelegene Stadt als Industrie- und Handelszentrum ausweisen. Der Slogan lässt sich passgenau auf HipHop übertragen. Abgesehen von einer ganzen Reihe namhafter Rap-Künstler aus New Jersey, wie Queen Latifah, The Sugarhill Gang, Chill Rob G, Lakim Shabazz, King Sun, YZ, Naughty by Nature, Lords of the Underground, Redman, Joe Budden oder den Fugees, stammen gleich mehrere direkt aus Trenton. Zu nennen sind Ready Red (1965-2018) und Prince Johnny C aus den Anfangstagen der Geto Boys, die Crusaders for Real Hip-Hop und deren Produzent und Rapper Tony D (1966-2009), der spätere Wahl-Hamburger Eric IQ Gray – und allen voran die Poor Righteous Teachers.

Das amerikanische Trenton ist in Sachen HipHop sozusagen das, was Minden in Deutschland ist. Dort Delaware-, hier Weserwasser. Eine kleine Stadt, die aber erstaunlich viele große HipHop-Künstler hervorgebracht hat. Doch das dürfte dann auch schon die einzige Gemeinsamkeit der beiden beschaulichen Städte am Fluss sein. Trenton ist ein gefährliches Pflaster. Für das Jahr 2013 registrierte die von einer örtlichen Tageszeitung gesponserte Website »Trenton Homicide Watch« in Trenton 41 Morde – so viele, wie sie selbst in der Millionenmetropole Berlin in einem Jahr nicht vorkommen. Die Gewalt hat in der Stadt eine lange Geschichte, die Opfer sind meist jung und Schwarz. 2005 war Trenton der »Morgan Quitno Press« zufolge die viertgefährlichste Stadt ihrer Größenordnung in den USA. Mit 31 Fällen, die meisten davon im Zusammenhang mit Gang-Gewalt, erreichte die Mordrate schon damals ihren vorläufigen historischen Höchststand, wie die örtliche College-Zeitung »The Signal« berichtete. 1990 waren es 21 Morde. Es war das Jahr, in dem die Poor Righteous Teachers ihr Debütalbum »Holy Intellect« veröffentlichten.

Nation of Gods & Earths

In diesem Trenton wächst Wise Intelligent mit seiner Mutter und neun Geschwistern in den im Norden der Stadt gelegenen Donnelly Projects auf. »My brothers and sisters nine, we suffered through perilous times«, rappt Wise 2007 in »Passing Tha Time«, einem soulvollen Klagelied über den Tod seiner Mutter, »but you kept giving them love, well, some of us turned to drugs and crime.« So zunächst auch Wise. Schon mit 13 Jahren ist er abhängiger Kiffer, es folgen Gras-Dealerei, Einbrüche, Überfälle und Jugendarrest. Er ist ein »uncivilized savage«, wie er später in »Go With Me«, einer Rekapitulation seines Aufwachsens in der Hood, über sich selber rappen wird, ein »unzivilisierter Barbar«. Das ändert sich, als sein älterer Bruder Power ins Gefängnis kommt. Hatte Wise ihn bis dahin nicht ernstgenommen, wenn der ihm klarmachen wollte, dass der Schwarze Mann Gott sei, wecken die Schriften, die Power zu Hause hinterlässt, nun sein Interesse. Es sind die »120 Lessons«, die Lehre der 1964 gegründeten Nation of Gods & Earths, auch bekannt als Five Percent Nation, die maßgeblich Einfluss auf die Entwicklung von HipHop ausübte.

Dieser Lehre zufolge werden 85 Prozent der Menschheit von der Elite, den zehn Prozent, für dumm verkauft, während fünf Prozent, die poor righteous teachers, also die armen, rechtschaffenen Lehrer, versuchen, der Masse die Augen dafür zu öffnen, dass der Schwarze Mann Gott und der weiße der Teufel sei. »Die 120 Lektionen waren wie eine Startrampe«, sagt Wise Intelligent 2005 in einem Interview mit »BlackElectorate.com«. »Und das sage ich über die Nation of Gods & Earths immer wieder: Die Nation of Gods & Earths hat dafür gesorgt, dass es cool wurde, Bücher zu lesen. Sie machte es cool zu studieren, ein Lehrmeister werden zu wollen.« In der Folge wird aus Timothy Grimes der Gott Wise Intelligent, aus New Jersey wird New Jerusalem und aus den Donnelly Projects Divine Land. Die dreigeschossigen, von Armut, Drogen und Gewalt gebeutelten Sozialbauten werden zu göttlichem Land, die Bewohner zu Göttern und Königinnen. Und die Lehrer in der Schule herausgefordert. Fatalerweise hält der Schulleiter die Nation of Gods & Earths für eine Gang – und wirft Wise Intelligent von der Schule.

Aber es gibt ja noch HipHop. »In dieser Zeit fühlte sich jeder von HipHop angezogen«, schildert Wise Intelligent in Brian Colemans 2007 erschienenem Buch »Check The Technique«. »Gleichzeitig breitete sich in der Community zunehmend Crack aus. Das führte zu Verfall, aber HipHop war etwas sehr Positives.« Und Trenton verfügt seinerzeit über eine lebhafte Rap-Szene. Neben den eingangs genannten Größen gibt es etwa Rock Steady, die Suicide Posse, Blvd. Mosse, die Too Kool Posse oder Almighty & KD Ranks. Wenn die etablierten Großmeister aus der nahen HipHop-Hauptstadt New York im kleinen Trenton auf der Bühne stehen, haben sie kein leichtes Spiel. Chubb Rock wird ausgebuht, Rakim ergeht es nicht besser. »Trenton ist berühmt-berüchtigt dafür, Künstler auszubuhen und sie mit Kleingeld zu bewerfen«, sagt Wise 2008 in einem Interview mit der britischen »Hip-Hop Connection«. »Niemand konnte vor oder nach uns auftreten.« Ein verbreitetes Kleinstadtphänomen von übersteigertem Lokalpatriotismus: Alles, was nicht »von hier« kommt, wird gedisst.

In dieser Zeit treibt sich auch ein junger Jay-Z in Trenton rum. In Divine Land kommt es zum Battle zwischen ihm und Wise Intelligent. Die Meinungen darüber, wer gewonnen hat, gehen auseinander. Während Jay-Zs Kumpel De-Haven behauptet, Hov sei aus dem Battle als Sieger hervorgegangen, drückt sich Wise diplomatisch aus: »Ich war die Heimmannschaft; in so einer Umgebung ist es (für den Gegner) schwer zu gewinnen.«. Anfangs nennt sich Wise Intelligent als Rapper noch Ponzie. Er ist Teil einer Zwei-Mann-Crew namens Magnetic Building Factors (MBF), sein Partner in Rhyme ist God Father. Wise langjähriger Freund und Nachbar Kerry Williams alias Culture Freedom fungiert für MBF zunehmend als DJ und Produzent, kommt aber mit God Father nicht klar. Also gibt Wise die Zusammenarbeit zugunsten von Culture Freedom auf und schließt sich mit ihm und DJ Devine zu den Poor Righteous Teachers zusammen. Fehlt noch eine Schlüsselfigur.

Dreh- und Angelpunkt des pulsierenden Rap-Kosmos von Trenton ist damals der Italoamerikaner Anthony Depula alias Tony D, der als »unbesungener HipHop-Held« (so »The Guardian«) in die Musikgeschichte eingehen wird. Der massige Schnauzbartträger mit Vokuhila-Ansatz ist DJ, Rapper und Produzent in einer Person. »Trenton war groß in der rechtschaffenen Ära, also was die Five Percent angeht«, sagt Tony D 2008 rückblickend im Interview mit »Hip-Hop Connection«. Und er ist als weißer HipHopper, der viele Rapper produziert, die der Five Percent Nation angehören, mittendrin. Doch aufgrund seiner sizilianischen Wurzeln und der dadurch quasi bestehenden genetischen Nähe zu Afrika erklärt er in Anlehnung an den »original black man« aus der Doktrin der Five Percenter kurzerhand, zumindest zu 33 1/3 Prozent »original« zu sein, wie er etwa 1992 in der fantastischen Hymne »That’s How It Is« seiner kurzlebigen Gruppe Crusaders for Real Hip-Hop rappt. Bereits 1987 veröffentlicht er noch unter dem Namen Grand Poobah Tony D zusammen mit Cool Gino G als Partners in Rhyme die Single »It’s My Day«. Weitere Produktionen von Tony D erfolgen in dieser Zeit etwa für Too Def und die Live N Effect Posse. Seinen ersten Hit landet er 1989 mit dem Beat für YZs »Thinking Of A Master Plan«.

Reime, die alle unglaublich waren

Eines Tages erzählt Tony Ds DJ-Mentor und Divine-Land-Bewohner Rock Steady ihm von einem jungen, unglaublichen MC aus den Projects. »Wir fuhren um den Block und trafen diesen dürren Jungen, der vor einem Gebäude auf uns wartete«, erinnert sich Tony D in den Liner Notes zu der 2006 veröffentlichten PRT-Compilation »Rare & Unreleased«. »Rock sagte: ›Yo, das ist Tony D!‹, doch dieser MC reagierte nicht, sondern sah mich einfach nur an. Ich sagte: ›Was ist los? Ich habe gehört, du rappst.‹ Er sagte immer noch nichts. Bis heute weiß ich nicht, weshalb er so still war. Vielleicht wusste er einfach, dass er der Shit war. Oder er fragte sich: ›Wer ist dieser weiße Junge hier mit Rock Steady?!‹. Jedenfalls fing ich dann selbst an zu rappen. Aus dem Nichts tauchte dann Wise Kumpel Culture Freedom auf und fing an zu beatboxen, und Ponzie, wie Wise Intelligent damals noch hieß, rappte nun eine Strophe mit einem Style und Flow, wie ich es noch nie zuvor gehört hatte. Dann brachte er eine weitere Strophe endloser Reime, die alle unglaublich waren.«

In einem Interview, das der Autor dieser Zeilen 2008 für »WildStyleMag.com« geführt hat, schildert Wise, weshalb er damals so schweigsam war: »Ehrlich gesagt, dachte ich: ›Wer ist dieser weiße Junge hier, der in meinen Sozialbauten zu rappen anfängt?!‹ Ich habe nicht sofort zu rappen angefangen, weil er wack war, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes! Ich kenne viele weiße MCs, die Skills haben und was reißen können. Aber Tony D war, ist und wird niemals einer von ihnen sein!« Tatsächlich hat Wise Intelligent, der an anderer Stelle übrigens sagt, dass Culture Freedom diese Begegnung mit Tony D heimlich eingefädelt habe, nie einen Hehl aus seiner Meinung über Tony Ds Rap-Talent gemacht. In dem Song »Can I Start This?« vom ersten Poor Righteous Teachers-Album gestattet er Tony D alias Harvee Wallbangar, seinen – so Wise auf Platte (!) – »Müll« zum Besten zu geben. Es wird nicht die einzige Diskrepanz zwischen den beiden bleiben. Doch zunächst verabreden sie sich für ein paar Aufnahmen in Tony Ds Studio in Ewing, etwas außerhalb von Trenton.

Dort nehmen die Poor Righteous Teachers 1988 ihre erste Single auf, bestehend aus den Songs »Time To Say Peace«, »Butt Naked Booty Bless« und »Word Is Bond«. Auffällig ist ihre erste Aufnahme. In dem mit einem Sample aus Bob James »Nautilus« unterlegten Song »Word Is Bond« ist ein Wise Intelligent zu hören, wie es danach nie wieder der Fall sein wird. »Als wir das nächste Mal ins Studio gingen, rappte Wise völlig anders«, erinnert sich Tony D in Colemans Buch. »Nun kam er mit ›Time to Say Peace‹, und von da an gab es kein Zurück mehr.« Aus dem Wise, der auf »Word Is Bond« erstaunlich verhalten rappt, um nicht zu sagen langweilig, wird scheinbar über Nacht endgültig der Rapper, der bis heute ein Inbegriff von Styles und Flows ist. In seinen eigenen Worten: ein »every MC«. Anthony Hill alias YZ, ein Rapper aus Paterson, NJ, betreibt in Trenton gemeinsam mit Tim Baylor das Label Diversity Records und will die Single veröffentlichen. Doch weil es den Poor Righteous Teachers nicht schnell genug geht, fordern sie das Band mit ihrer Aufnahme von dem Label zurück, das sich aber querstellt. »Also gingen wir zu ihrem Haus und standen mit 20 oder 30 Kids aus den Projects auf der Veranda«, erzählt Wise, ebenfalls in Colemans »Check the Technique«. »Als die Fliegengittertür abgerissen wurde, öffnete Tim schließlich die Haustür einen spaltbreit und händigte uns das Band aus.«

In der Folge ist die Erde zwischen den Poor Righteous Teachers und YZ verbrannt. Wise Intelligent wird auf dem PRT-Debütalbum in Songs wie »Strictly Ghetto« oder »Style Dropped/Lesson Taught« mit einzelnen Zeilen gegen Tim Baylor und YZ schießen, der sich wiederum mit dem Diss-Track »Diss Fe Liar« beziehungsweise dessen überdopen Remix »Crocodile Dundee« revanchieren wird. Paradoxerweise werden die Diss-Tracks beider Parteien von Tony D produziert, der mit YZ bereits musikalisch etwa im Rahmen von Too Def sowie geschäftlich in Form eines gemeinsamen Labels namens Two Tone Productions zusammengearbeitet hat, aus dem später seine gleichnamige Produktionsfirma wird. Wise Intelligent, um drastische Vergleiche nie verlegen, sagt dazu im Nachhinein gegenüber »Hip-Hop Connection« in Anspielung auf den Völkermord in Ruanda: »Tony D verkaufte Waffen sowohl an die Hutus als auch an die Tutsis, auch wenn diese sich damit gegenseitig umbringen würden!« Doch es ist nicht das Ende des offenkundig von Anbeginn schwierigen Verhältnisses zwischen den Poor Righteous Teachers und Tony D.

Als der Deal mit Diversity platzt, öffnet sich für PRT eine neue Tür. »Eric IQ Gray wohnte in den Donnelly Projects in demselben Gebäude wie Culture Freedom und betrieb mit Jamie Lee das Label North Side Records«, schildert Wise. »Mit dem Geld von ein paar Heads aus der Gegend (Rock Steady und Rush; Anm. d. Verf.) brachten wir mit ihm unsere Platte raus. Wir kannten Eric schon länger, hatten bis dahin aber nie geschäftlich mit ihm zu tun gehabt.« Je nach Quelle werden 500 oder 1.000 Vinyls und Kassetten der Single angefertigt. Mitte 1989 wird sie veröffentlicht – beziehungsweise persönlich an DJs ausgehändigt, wie sich Tony D in den Liner Notes von »Rare & Unreleased« erinnert. Darunter auch HipHop-Pionier DJ Red Alert, der dem Track »Time To Say Peace« in seiner Sendung bei dem New Yorker Radiosender »Kiss FM« großzügig Platz einräumt. Der funkige, mit einem Sample von Gary Byrds »Soul Travellin‘ Pt. 1« versehene und mit kryptischem Five-Percenter-Jargon gespickte Song weckt das Interesse von Cory Robbins, dem Inhaber von Profile Records, wo etwa die Rap-Giganten Run-DMC bereits zu Hause sind. Prompt nimmt Robbins PRT und damit die ersten afrozentrischen Rapper des Labels oder, wie Bill Stephney aus dem Dunstkreis von Public Enemy damals gegenüber Dan Charnas geäußert haben soll, »die interessanteste Gruppe im HipHop« unter Vertrag.

»Keep your pistol in your pocket«

Dan Charnas, der frisch studierte Journalist und spätere Autor von »The Big Payback«, unternimmt gerade seine ersten Schritte im Musikgeschäft und erhält von Cory Robbins die Aufgabe, die Promo für PRT zu machen, wie er in den Liner Notes zu »Rare & Unreleased« schreibt. Er fertigt sogar ein Glossar an, das er an alle Medienkontakte verschickt, um ihnen die für Außenstehende unverständliche Five-Percenter-Terminologie aus den Lyrics von PRT nahezubringen. Trotzdem bleiben PRT für ihn selbst undurchschaubar. »Einerseits war hier eine Gruppe von MCs aus den Projects von Trenton, die die Überzeugung vertraten, dass die Weißen ›Teufel‹ seien«, schildert Charnas. »Andererseits saß Wise Intelligent jetzt bei einem Eistee bei mir im Büro, um gemeinsam eine Strategie zu entwerfen, wie wir ihre Message verbreiten können. Da saßen sie mit ihren weißen Rechtsanwälten, unter Vertrag bei dem wohl weißesten Schwarzen Musiklabel überhaupt und mit dem eigenartigsten Produzenten, den es gab: einem stämmigen, langhaarigen italienischen Jungen mit Zottelbart, der damit prahlte, aufgrund seiner sizilianischen Herkunft zu 33 Prozent ein ›original man‹ zu sein. (…) Aber seine Beats hauten dich um. Tony war unverzichtbar für PRT und sie für ihn.«

Ihre Single wird noch im Herbst desselben Jahres mit einer leicht abgewandelten Version von »Time To Say Peace« bei Profile neuaufgelegt, verkauft sich abermals gut, sodass die Plattenfirma jetzt auch an einem Poor Righteous Teachers-Album interessiert ist. PRT lassen sich auf den Deal ein, auch wenn der Albumvorschuss lediglich 15.000,- US-Dollar beträgt, eine, wie Brian Coleman schreibt, selbst für ein Indie-Label in der damaligen Zeit spärliche Summe. Nach der Fertigstellung einiger Tracks wird auch die Zusammensetzung der Poor Righteous Teachers endgültig festgezurrt. An die Stelle von DJ Devine tritt aus ungenannten Gründen Scott Phillips alias Father Shaheed (1968-2014), ein DJ und Produzent aus Trenton und wie Wise Intelligent und Culture Freedom Five Percenter. Eine runde Sache. Im Ergebnis entsteht das Debütalbum »Holy Intellect«, das am 29. Mai 1990 erscheint.

»Holy Intellect« ist ein Klassiker der goldenen Ära, in der viele Conscious-Rapper den Ton angeben. Das Album steht in einer Reihe der Werke von Public Enemy, Boogie Down Productions, X-Clan, Lakim Shabazz, Brand Nubian und Native Tongues. Es ist eine Platte von immenser Energie, die zu einem Großteil sicherlich auf die frische Produktion voll treibender Beats von insbesondere Tony D, aber vor allem auf die erstaunliche Präsenz von Lead-Rapper Wise Intelligent zurückzuführen ist. Jede Zeile strotz von dem unbedingten Willen Wise Intelligents, sein aus der Five-Percenter-Lehre gewonnenes »Knowledge of Self« zu verbreiten. Was ihm – von einer gewissen Redundanz der Botschaft einmal abgesehen – weitestgehend unverkrampft und vor allem mit jeder Menge Style gelingt, dem »splitternackten Hinternsegen«, der sich in seinen abwechslungsreichen, Singsang-artigen und von Raggamuffin-Toasts beeinflussten Flows äußert. »Smooth with the roughness, just serving justice«, reimt Wise in »Rock Dis Funky Joint«. Hier die dauerpräsente, relativ hohe, aber kraftvolle Stimme von Wise Intelligent, da das kindlich klingende Organ des ungleich höher gewachsenen Culture Freedoms, der in der Gruppe vor allem mit Adlibs und kurzen Gesangseinlagen in Erscheinung tritt, dazu die DJ-Einlagen von Father Shaheed und die funk- und soulbeseelten Beats von Tony D, fertig ist die einnehmend harmonische Dopeness des »tribes called Poor Righteous Teachers«.

Auf »Holy Intellect« reihen sich Hip-House inspirierte Tracks wie der Titelsong und Songs wie »Butt Naked Booty Bless«, den ein Sample aus dem Lied »Soul Makossa« des im März an den Folgen von Covid-19 verstorbenen Manu Dibango prägt, aneinander. Mit »Shakiyla« findet sich auch der erste geschriebene Rap von Wise Intelligent auf dem Album wieder. Eigenen Angaben zufolge hatte er die Lyrics zu diesem in seiner ausgesprochen ausgeprägten Naivität schon wieder liebenswerten Liebeslied bereits mit 14 oder 15 Jahren geschrieben. Bis sie nun auf einem Beat landen, der auf einem Sample von Zapps »Be Alright« aufbaut, dem später wiederum 2Pac mit seiner Ode an die Frau, »Keep Ya Head Up«, zu neuer Popularität verhelfen wird. Der Song bildet den Auftakt einer bis heute anhaltenden lyrischen Abhandlung über sein Ideal von Frau beziehungsweise seiner Auffassung einer idealen Beziehung zwischen Mann und Frau. Im Refrain von »Shakiyla« mimt Culture Freedom den Billy Ocean. »Sein Gesang war nicht so besonders«, sagt Wise in »Check the Technique«, »aber unser Motto war: Es geht nicht darum, es perfekt zu machen, sondern um das Gefühl.« Ein Gefühl, das sich auf dem gesamten Album aller politischen Radikalität zum Trotz in einer Positivität äußert, die den geneigten Hörer mitzureißen weiß. »My duty be to teach, so keep your pistol in your pocket«, stellt Wise in »Rock Dis Funky Joint« klar.

Die Zeit am besten überdauert haben wohl die langsameren oder weniger überladen wirkenden Tracks. Das melodiöse »So Many Teachers«, die hypnotische Hymne »Poor Righteous Teachers« oder das mit Bläser-Samples unterlegte »Speaking Upon A Blackman«. Nicht zu vergessen das supersmoothe »Word From The Wise«, das auf einem Sample von James Browns »The Boss« basiert, an dem sich zuvor schon Ice-T vergriffen hatte und Nas später noch vergreifen wird. »We’re up with the kings and crowns, not clowns / No blue eyes or blond hair is over here«, rappt Wise in letzterem Song. Zufall? Denn neben »Butt Naked Booty Bless« und »Speaking Upon A Blackman« ist »Word From The Wise« einer der drei Beats auf dem Album, die nicht vom weißen Tony D, sondern von dem schwarzen Eric IQ Gray produziert werden, der neben PRT selbst zudem als Executive Producer des Albums geführt wird. Zwar trennen sich nach »Holy Intellect« die Wege der Poor Righteous Teachers und Eric IQ Gray. Letzterer verlagert seine Wohnstätte von Trenton nach Deutschland, nimmt mehrere eigene Platten auf und tritt in der noch jungen deutschen HipHop-Szene nun selbst als Protagonist und Chronist in Erscheinung, wie etwa in der 1993 ausgestrahlten HipHop-Doku aus der ZDF-Reihe »Lost in Music«. Aber weil Eric IQ Gray in seiner neuen Heimat mit seiner gemeinsamen Geschichte mit den Poor Righteous Teachers nicht hinterm Berg hält, dürfte er damit seinerzeit nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, den Bekanntheitsgrad von PRT hierzulande zu steigern.

Doch es ist Tony D, der den Beat für den zweifelsohne bekanntesten Poor Righteous Teachers-Song liefert, das fünfstrophige »Rock Dis Funky Joint«, das in Episode 7 der »Hulu«-Webserie »Wu-Tang: An American Saga« auftaucht und im Lockdown der Corona-Krise sogar zu einer Challenge in den sozialen Medien taugt. Ein Offbeat-Loop mit einem Sample aus Wars »Slippin‘ Into Darkness«, der den armen rechtschaffenen Lehrern ihren größten Hit beschert und sie auch auf nationaler Ebene bekannt macht. Doch ausgerechnet in diesem Zuge kommt es zum nächsten Konflikt mit Tony D. Es stellt sich heraus, dass das War-Sample nicht gecleart wurde, woraufhin die Funk-Band die Poor Righteous Teachers mit Erfolg verklagt und zur Kasse bittet, was diese wiederum ihrem Produzenten anlasten. »Da haben sie mich eines Nachts angegriffen«, sagt Tony D gegenüber Brian Coleman. »Wise hat daran nicht direkt teilgenommen, aber die größeren Kerle, Culture und Shaheed, schlichen sich an mich heran und schlugen auf mich ein. Es dauerte dann etwa ein Jahr, bis wir wieder zusammenarbeiteten. Aber seitdem hatte ich dieses Stigma, der weiße Teufel zu sein, der Poor Righteous Teachers abziehen wollte. Das war ziemlich übel.« Umso ironischer mutet es an, dass »Holy Intellect«, eines der afrozentrischsten Alben der Rap-Geschichte, ausgerechnet durch einen Rap des »weißen Teufels« Tony D eröffnet wird (»Can I Start This?«). Ein Treppenwitz der HipHop-Historie. »Holy Intellect« verkauft sich Tony D zufolge damals mehr als 400.000 Mal. »The Gods don’t stop til it’s time to say peace«, heißt es in »Time To Say Peace«. Eine Programmatik, die sich auch auf den folgenden Poor Righteous Teachers-Alben fortsetzen wird.

Als sich Poor Righteous Teachers und Tony D wieder einkriegen, nehmen sie gemeinsam das 1991 ebenfalls über Profile Records erscheinende zweite Album auf: »Pure Poverty«. Es ist wohl das Poor Righteous Teachers-Album mit der größten Stringenz, eine Platte wie aus einem Guss, auf der die vereinzelten Ragga-Anleihen vom Vorgänger nun nahezu jeden einzelnen Song prägen und Wise Intelligent als MC inzwischen voll zu sich gefunden hat: Er fließt wie geschmiert. Das einzige, was diesem Album fehlt, ist der eine große Hit. Das gilt auch für das 1993 veröffentlichte Folgealbum »Black Business«, auf dem Poor Righteous Teachers die Produktion erstmals weitgehend selbst in die Hand nehmen, Tony D produziert nur noch ein Drittel der Platte. Es ist das wohl sperrigste und härteste PRT-Album (»Nobody Move«), mit dem Poor Righteous Teachers damals auch durch Deutschland touren. Nach drei Jahren Funkstille meldet sich Wise Intelligent im Frühjahr 1996 mit einem Soloalbum zurück, dem nun wieder größtenteils von Tony D produzierten »Killin‘ U… For Fun«, eine weitere sehr Ragga-lastige und ähnlich homogene Platte wie zuletzt »Pure Poverty«, die aber in der Szene nur wenig Beachtung findet.

Die goldene Ära ist vorbei

Die Zeichen für das im Herbst desselben Jahres erscheinenden neuen Albums »New World Order« stehen dagegen gut. Hochkarätige Gäste halten den Poor Righteous Teachers die Stange: Brother J vom X-Clan, KRS-One, Nine, der Reggae-Musiker Junior Reid, DJ Clark Kent und allen voran die Fugees, die mit ihrem Album »The Score« gerade einen Welterfolg feiern. Tony D ist nicht mehr mit von der Partie. Der Sound wird jetzt federführend von Father Shaheed, aber auch von Culture Freedom zusammengeschustert, und ist durchaus auf der Höhe der Zeit, das Tempo gedrosselt, die Ragga-Styles von Wise Intelligent in den Hintergrund getreten. Doch in den Läden wird die Platte – wohl auch aufgrund von unzureichender Promotion durch Profile – zum Staubfänger. Die HipHop-Welt nimmt sie kaum zur Kenntnis. Die goldene Ära, in der Conscious Rap noch salonfähig war, ist vorbei.

Dass sich das Blatt gewendet hat, ist auch Wise Intelligent nicht entgangen. »›G‹ is for ›God‹; where did ›gangsta‹ come from?«, fragt er auf »New World Order« in dem Track »We Dat Nice«. Die Antwort schiebt er viele Jahre später, 2009 beim »Saviour’s Day« der Nation of Islam in Chicago, hinterher. Dort behauptet Wise, dass der Wandel von positivem zu negativem HipHop im Mainstream bewusst herbeigeführt worden sei. Denn der gewalttätige Aufstand, der sich in Los Angeles 1992 im Anschluss an den Freispruch der Polizisten entlud, die den Afroamerikaner Rodney King vor laufender Kamera brutal misshandelt hatten, führt Wise aus, sei darauf zurückzuführen, dass der positive HipHop von Public Enemy, X-Clan oder Brand Nubian bei der Schwarzen Jugend die Geisteshaltung gefördert habe, gegen Unterdrückung aufzubegehren. Dementsprechend hätten die Jugendlichen in L.A. gegen das System rebelliert. Um solchen Ausbrüchen jedoch künftig vorzubeugen, folgert Wise, hätten von ihm nicht näher benannte »Leute in dieser Gesellschaft« die im HipHop-Mainstream bestehenden positiven Vorbilder gegen Gangsta-Images ausgetauscht, sodass die Schwarze Jugend diesen nacheifere und nun die Gefängnisse fülle. Eine Verschwörungstheorie, die so oder ähnlich zwar nach wie vor im amerikanischen HipHop kursiert. Ein Beweis für diese Hypothese steht bislang allerdings aus.

Wise Intelligents Hang zu Verschwörungsideologien fällt bei »New World Order« deutlich ins Auge und zeigt, wohin die intellektuelle Reise in der Zwischenzeit gegangen ist: vom Albumtitel über die Pyramide der Dollarnote auf dem Cover bis zum Foto im Booklet des Covers von allerhand verschwörungstheoretischer Literatur, die in der Prä-Internet-Ära noch eine halbwegs exklusive Angelegenheit war, weil man dafür noch ein Buch in die Hand nehmen musste, deutet vieles auf ein Abdriften in die Welt der Verschwörungsmythen hin. Mit pseudowissenschaftlicher Lektüre allein gibt sich Wise Intelligent aber auch nicht zufrieden. Nach der enttäuschenden Resonanz auf »New World Order« wird der Lehrer wieder zum Schüler und schreibt sich für Geschichtskurse an einem College ein. Wise Intelligent verschwindet von der Bildfläche und mit ihm weitestgehend die Poor Righteous Teachers – abgesehen etwa von der Ankündigung des Albums »Declaration Of Independence«, das aber 2001 geleakt wird und regulär nie erscheint. Über zwei Millionen Platten sollen Poor Righteous Teachers von ihren Alben, von denen Wise Intelligent kein einziges Exemplar besitze, wie er in Interviews gerne anmerkt, im Laufe der Zeit verkauft haben. »I’m living off some shit I’ve written«, rappt er dann auch 2007 in »Passing Tha Time«. Dessen ungeachtet kämpft PRT zurzeit vor Gericht um Tantieme, die Sony (Profile wurde zunächst von Arista übernommen, später ging Arista in Sony auf.) der Gruppe vorenthalte.

In »Passing Tha Time« sagt Wise auch, dass er durch den Tod seiner Mutter die Freude am Schreiben verloren hatte. Mit einigen Tracks, die in dieser Zeit dennoch entstehen, meldet er sich 2006 mit nunmehr Mitte 30 aus dem Nichts mit einem Mixtape zurück. Es erscheint über das Label Intelligent Muzik, das Wise jetzt gemeinsam mit Tony Ds früherem Rap-Kompagnon Eugene »Gino G« Stevens betreibt. Es ist ein Comeback mit einer Selbstverständlichkeit und mit einer Wucht, wie es im HipHop selten vorkommt, noch seltener bei den Dienstälteren des Genres. Auf »Blessed Be The Poor? The Unmixed Tape« ist jetzt sogar ein technisch noch besserer MC Wise Intelligent zu hören, auf Beats, die das Rad zwar nicht neu erfinden, aber grundsolide und enorm druckvoll sind. Seine bis dato eher allgemein gehaltenen und mit Five-Percenter-Terminologie versetzten Lyrics hat er gegen eine neue Art des Geschichtenerzählens eingetauscht: Darin vermengen sich Autobiografisches mit im Studium angeeigneten Fakten und Fiktion – sprich: mitunter kruden Verschwörungstheorien.

New World Order is here

Das Prinzip einer Verschwörungstheorie ist im Grunde schon in der Lehre der Five Percenter angelegt: Eine kleine Elite führt die Massen an der Nase herum. So die Quintessenz dieses allzu einfachen Erklärungsmusters. Doch genau das macht Verschwörungstheorien für viele Menschen so attraktiv. In einer hochkomplexen Welt bieten sie einfache Erklärungen. Wer verunsichert ist, mit Ungewissheit nicht gut umgehen kann oder sich machtlos fühlt, so erklären es Psychologen, erlangt anhand von Verschwörungstheorien das Gefühl von Kontrolle und Gewissheit zurück.

Wise Intelligent arbeitet sich spätestens seit dem »New World Order«-Album an den verschiedensten Verschwörungsideologien ab. In »We Dat Nice« behauptet er, dass einige »Strippenzieher«, die »Globe Holders«, eine menschenverachtende »neue Weltordnung« herbeiführen würden, die zum Ziel hat, die Schwarze Bevölkerung zu vernichten. »The gun packers, crack backers, and loot stackers / Sam’s crackers, New World Order is here actors / The globe holders, the population controllers / Disease makers aka AIDS creators / The cremators, doctors, nurses and nigga haters / That’s out to get us, after making us bullshitters«, rappt Wise da. Nach dieser Logik ist das Übel der Welt nicht komplexen und oft zufälligen Mechanismen des Kapitalismus geschuldet, stattdessen wird es personifiziert und einer kleinen Menschengruppe zugeschrieben. Die Hypothese, wonach AIDS menschengemacht sei, ist zudem längst widerlegt.

Rund zehn Jahre später werden die vermeintlichen Sündenböcke in dem Track »Tha Globe Holders« als Bänker, Geheimdienstler, 9/11-Verschwörer oder sogar Teufelsanbeter identifiziert. Die Ungerechtigkeit, die Wise Intelligent im selben Atemzug etwa in Form von Zahlenbeispielen aufführt, denen zufolge Schwarze, die wegen Drogenbesitzes festgenommen werden, im Vergleich zu Weißen ungleich härter bestraft werden, dient ihm dann nicht nur als Beleg für den bestehenden strukturellen Rassismus, sondern darüber hinaus dazu, seine Verschwörungstheorien zu belegen.

Ihre Fortsetzung finden diese spätestens 2011 in dem auch musikalisch eher unangenehmen Song »Illuminati«. (Passend dazu: Der Refrain basiert auf einem Song der mit Verschwörungsmythen kokettierenden deutschen Speed-Metal-Band Gamma Ray.) In dem Track erteilt Wise Intelligent den seinerzeit kursierenden Spekulationen darüber, ob Jay-Z und Kanye West Teil der Illuminaten seien, mangels Relevanz zwar eine Absage. Allerdings nur um dann damit nachzulegen, dass die angeblichen Verschwörer nicht auf irgendwelche Rapper angewiesen seien, um ihr »Teufelswerk« zu verrichten. »Nah, they ain’t the Bilderbergers, nah, they ain’t the Rothschilds / That’s right, they’re the Rockefellers – nah, that’s just them niggas style«, so Wise auch in Anspielung auf Jay-Zs Label Roc-A-Fella Records. »Es liegt auf der Hand, dass Wise Intelligent mit diesem Vers zum Ausdruck bringen will, dass er die von Verschwörungsideologen behauptete Unterstellung vom verschwörerischen Treiben der Bilderberger, Rockefeller und insbesondere der Rothschilds, einer jüdischen Bankiersfamilie, teilt«, befindet der Rechtsextremismus- und Antisemitismusforscher Samuel Salzborn, alp. Prof. für Politikwissenschaft an der Uni Gießen, auf Anfrage von ALL GOOD. »Damit schließt er an den antisemitischen Verschwörungsmythos vom ›internationalen Finanzjudentum‹ an.«

Als Wise Intelligent mit 37 Jahren, also fast im Rapper-Rentenalter, 2007 sein zweites Soloalbum »Wise Intelligent Iz…The Talented Timothy Taylor« über Shaman Work Recordings und Intelligent Muzik veröffentlicht, haben die Medien und mit ihnen auch die HipHop-Welt den poor righteous teacher – zumindest für den Moment – wieder auf dem Zettel. Auf dem Album plaudert Wise Intelligent erstmals en detail aus dem Nähkästchen über sein Aufwachsen in Trenton (»I’m not an emotional MC, my heart eludes my sleeve / It’s hard for me to believe that I’ve discovered a moment to grieve« aus »Passing Tha Time«) und droppt ansonsten Knowledge in bester Edutainment-Manier à la KRS-One (»A Genocide«). Die Produzenten heißen PJ von Tha HavKnotz, Masada oder auch Oh No, der jüngere Bruder von Madlib. »The Talented Timothy Taylor« soll den Auftakt einer siebenteiligen Albumserie namens »Back 2 School« bilden. Und es sieht sehr danach aus, als bliebe es nicht bei der bloßen Ankündigung.

Als Teil 2 erscheint 2011 das allegorische Album »Wise Intelligent Iz…The Unconkable Djezuz Djonez«. Es folgen die etwas (revoluzzer-)kitschige Platte »El Negro Guerrero« (2013) und das von Channel-Live-MC Hakim Woods gleichnamiger Straßennovelle inspirierte Album »Stevie Bonneville Wallace« (2016). Inzwischen ist mit der extrem gelungenen Platte »Ponzie« (2018), auf der Wise Intelligent seine frühe Jugend als »85er« rekapituliert, schon der fünfte Teil erschienen. Nebenbei veröffentlicht er binnen eines Jahres, 2017, zwei Alben außer der Reihe: mit »The Blue Klux Klan: Based On A True Story« eine wütende Abrechnung mit Polizeigewalt, die sich vor allem gegen Schwarze richtet, und das metaphysische Kollabo-Album »Game Of Death« mit Produzent Gensu Dean. Er rappe nur noch aus Macht der Gewohnheit, schreibt Wise Intelligent zwischendurch in einem Instagram-Post. Rap sei inzwischen ein Hobby für ihn. Was erklären könnte, weshalb auf manchen seiner Alben die gepickten Beats streckenweise etwas beliebig wirken. Das Geld, das Wise Intelligent mit seinen weitgehend independent veröffentlichten Soloalben verdient, spendet er eigenen Angaben zufolge an die afrozentrisch ausgerichtete Garvey School in Trenton, die auch sein zweiter Sohn besucht, bis die Familie Anfang 2015 der Stadt den Rücken kehrt und nach Atlanta ins Grüne zieht.

»In my rearview is a clear view of a ghost town once called Trenton«, rappt Wise in »Bonneville«. 2014 hatte Wise Intelligent in einem Zeitraum von nur wenigen Wochen den Tod von drei langjährigen Freunden zu verkraften. Zwei werden innerhalb eines Tages unabhängig voneinander in Trenton erschossen. Ein weiterer kommt bei einem Motorradunfall ums Leben. Es ist Father Shaheed. Der DJ und Produzent, der außer für PRT auch für 50 Cent, Destiny’s Child, Rakim, 112 oder Special Ed Beats gebastelt hat, wurde nur 45 Jahre alt. Die Poor Righteous Teachers, die sich nie aufgelöst haben, sind nur noch zu zweit. Culture Freedom lebt inzwischen in Smyrna, Tennessee, fungiert als Koch, dient als evangelistischer Pfarrer und inzwischen rappt und produziert er sogar auch wieder. Kein Poor Righteous Teacher, aber ein wichtiger und langjähriger Wegbegleiter der Gruppe ist inzwischen auch nicht mehr am Leben. Tony D stirbt im Alter von nur 42 Jahren im April 2009 an den Folgen eines Autounfalls.

Wise Intelligent hingegen sieht 30 Jahre nachdem er mit den Poor Righteous Teachers einer dankbaren Welt vormachte, wie ein »funky Joint« zu rocken ist, mit 50 immer noch so jung aus wie mit 20. Seit 2016 ist er nunmehr als Präsident und CEO der Stiftung des black owned Kartoffelchips-Unternehmens »Rap Snacks« seines langjährigen Freundes James Lindsay tätig. Im Rahmen des Programms »Boss up« etwa bringt die Stiftung Jugendlichen das Rüstzeug nahe, um in der Wirtschaft erfolgreich Fuß fassen zu können. Schon vor Jahren hat Wise zusammen mit der Filmregisseurin Stacey Muhammad die Jugendorganisation »Intelligent Seedz« ins Leben gerufen, ein Projekt, in dem Schüler Fernseh-, Film- und Videoproduktion lernen. Denn für Wise Intelligent ändert auch ein Schwarzer Präsident im Weißen Haus nichts am strukturellen Rassismus, wie er in Interviews wiederholt betont. Wise Weg aus Armut und Unterdrückung besteht aus Schwarzem Unternehmertum und Bildung, die auf einem afrozentrischen Lehrplan basiert im Gegensatz zur eurozentrischen Perspektive des etablierten Systems der weißen Vorherrschaft. »Get Money, Teach Kidz« heißt ein Song auf dem »Blue Klux Klan«-Album. Für den Soundtrack jedenfalls, den Wise Intelligent zu seinem Aktivismus liefert, sind ihm die Props von Chuck D bis R.A. the Rugged Man sicher.

Unterdessen befinden sich die zwei noch ausstehenden Alben seiner »Back 2 School«-Reihe in der Pipeline. Weitere Projekte harren schon länger ihrer Veröffentlichung: ein Roman namens »C.R.E.A.M.«, ein Sachbuch mit dem Titel »3/5th an MC: The Manufacturing Of A Dumbed Down Rapper« sowie ein weiteres unveröffentlichtes Poor Righteous Teachers-Album, das »Post-Racial Blues« heißen soll. Was davon noch das Licht der Welt erblicken wird, steht auf einem anderen Blatt. Aber darum allein geht es Wise Intelligent auch nicht. »We ain’t just rappers, we changing some Blacks‘ situation«, rappt Wise in »We Dat Nice«. »I shine the light that knowledge ignites / excite Blacks and Whites through the things that I write«. Da ist wohl was dran.