Lauren Auder Der Allesversteher

Neben seinem Gesangs-Talent verkörpert Lauren Auder auch optisch den DIY-Ethos der Internet-Kids sowie eine Demaskulinisierung des Pop mit HipHop-Einflüssen wie etwa schon Arca, Mykki Blanco oder Lil B vor ihm. Ein Porträt über den 17-Jährigen, der an King Krule und Spooky Black erinnert.

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Manchmal kommt einer, der Musik macht, die einer ganzen Generation aus der Seele spricht. Weil sie vielleicht so ehrlich ist. Oder weil sie den musikalischen Zeitgeist weiterspielt bis zum vermeintlichen Endlevel. Dann erfüllt das einen mit einer gewissen Angst, weil da plötzlich jemand ist, der alles zu verstehen scheint und dabei so ungeniert seinen Emotionen freien Lauf lässt, dass der Kloß im Hals zu zerplatzen droht. Und cool, ja cool, ist er dann auch noch. Der Allesversteher.

King Krule war so einer. Jemand, der zur richtigen Zeit die richtige Musik veröffentlichte. In einem Alter, in dem sich andere noch abends vor dem Discounter betrinken und sich die Seele aus dem Leib schreien. King Krule hat stattdessen einfach ein Album veröffentlicht – von dunkler Emotion gezeichnet, gespickt mit einem Mittelding aus Modernismus und Rückwärtsgewandtheit. Auch er schrie wie die Jungs vor dem Discounter, mit drückender Stimme, die noch jedem Track eine Theatralik verleihen konnte, wenn sie nur wollte. Mittlerweile ist King Krule vielleicht kein Popstar, aber ein international bekannter, Künstler-Nerd mit Vision. Das treibt seine Musik einem globalen Publikum in die Arme und schafft Platz für neue Talente, die seinen Sound – ob bewusst oder unbewusst – weiterspinnen.

Lauren Auder ist so ein junger Künstler, der gerade aus dem Nerdnebel der Blogs hervorschreitet – unverbraucht, neu und experimentell. Zuerst fällt seine Stimme auf, die sofort an King Krule erinnert. Auf den zweiten Blick schwingt etwas Spooky Black mit. Auf den dritten ist es einfach Lauren Auder.

Die schmerzvolle Tiefe, den Hang zur Melancholie und Referenzen an Mystik und Religiöses hat sich der erst 17-jährige Sänger im französischen Nirgendwo antrainiert. Mit sieben Jahren ging es von der englischen Kleinstadt Watford mit seinen Eltern, zwei Musikjournalisten, in die dörfliche Isolation nach Albi. Dank der Eltern schwirrten schon immer Songs aller Genres durchs Haus. So ist es nicht überraschend, dass seine Inspirationsquellen von Ambient-Experimentalisten Tim Hecker, dem kompromisslosen Kung-Fu-Sample-Wahnsinn des Wu-Tang Clans bis hin zu den Alternative Rockern von My Chemical Romance reichen.

Nachdem Lauren Auder sein Glück im Alternative Rock versuchte, kam der Cut. HipHop wurde der wichtigere Soundtrack im Hintergrund, parallel zog er von seinem Kinderzimmer um ins Internet. Solo Musik machen, Bücher zuverschlingen und zeichnen – das war der einfachere Weg zur pubertären Selbstverwirklichung. So entstanden erste Songs als Lauren Auder und erste Kontakte zu Internet-Avantgardisten über den gesamten Globus. Produzenten wie Kassett oder der aktuell in Berlin lebende Isländer Lord Pusswhip ummantelten die triefende Melancholie der Vocals mit sphärischen Instrumentalen, die gefüttert sind mit Drone-Verweisen, Field Recordings, Indie-Elementen und klassischer Bumm-Tschack-Dümpelei.

Was ihn klar von King Krule unterscheidet, ist die Abkehr von dilettantischen Klimpergitarren. Lauren Auder ist weniger organisch und viel mehr elektronisch, wie etwa sein bis dato meist beachteter Track »Stigmata« zeigt, der Anfang des Jahres bei den Kollegen vom »Dazed Magazin« in der Soundcloud auftauchte. Damit kam nach zwei Jahren auf Solopfaden der erste kleine Hype.

Vorher, Mitte 2015, war mit »Equus« schon die Debüt-EP des Jungen erschienen, der musikalisch sein Teenager-Alter um Jahre zu übersteigen scheint. Nach der »Dazed«-Erwähnung kamen die Modemagazine. Denn neben seinem offensichtlichen Gesangs-Talent verkörpert Lauren Auder auch optisch den DIY-Ethos der Internet-Kids sowie eine Demaskulinisierung des Pop mit HipHop-Einflüssen wie etwa schon Arca, Mykki Blanco oder Lil B vor ihm. Lange Haare, bubenhafte Gesichtszüge, gerne auch mal Klunker im Ohr und dandyhafter Rollkragenpullover – sollte es mit der Musikkarriere nicht klappen, dann klopfen sicher bald die Model-Scouts an. Lauren Auder ist genauso cool wie die anderen Macher seiner Generation. So cool wie Tyler, The Creator, A$AP Rocky, der schon viel zu oft erwähnten King Krule oder Zachary Cole Smith von DIIV.

Nächstes Jahr will Lauren Auder umziehen – weg aus dem Dorf, vielleicht in eine der angesagten Metropolen dieser Tage. Man will nur hoffen, dass ihm der Individualismus in Sound und Auftreten, den er sich in Eigenenergie zusammengeschustert hat, nicht verloren geht. Denn das ist momentan der Punkt, der ihn zu einem der spannendsten Newcomer dieser Tage gemacht hat. An neuer Musik wird zudem fleißig gewerkelt. Wann ein Album oder eine neue EP erscheint, wird die Zeit zeigen. Fest steht bisher noch nichts und bis dahin muss man mit den Updates auf Soundcloud vorlieb nehmen. Aber wenn selbst die Großen oft Jahre für ein Album brauchen, dann sollte man auch von Auder keinen Schnellschuss erwarten.

Eines zeigt sich bei Jungspund Auder: Die derzeit spannendsten Entwicklungen in der aktuellen Pop-Musik leben von den offensichtlichen HipHop-Einflüssen der Protagonisten. Das ist gut, das ist wichtig und das sorgt dafür, dass HipHop im weiteren Sinne auch schon mal nicht auf den ersten Blick als solcher zu erkennen ist.