Drake Decoded

Vor gut einer Woche sind Drakes neues Album »If You’re Reading This It’s Too Late« und der dazugehörige Kurzfilm »Jungle« erschienen – beide lassen viel Spielraum zur Interpretation. Jan Wehn hat diesen genutzt.

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Vergangenes Wochenende hat Drake die Beyoncé gemacht. Heißt: er hat sein neuestes Werk über Nacht veröffentlicht. Einfach so. Mir nichts, dir nichts. Aus dem Nichts. Und vor allem auf den Tag genau sechs Jahre nach »So Far Gone« – also jenem Mixtape, das wie ein Album klang und somit einen neuen Qualitätsstandard für dieses Freebie-Medium setzte. Nun hat er wieder ein Mixtape rausgehauen, das wie ein Album klingt, das man über iTunes kaufen kann und das in Anbetracht der Qualität sowie der Eigenleistung in Sachen Beats auch ein Album ist.

Ein Move, den Drake vermutlich auch deshalb gemacht hat, weil er somit seinen Cash-Money-Vertrag über vier Alben erfüllt hat und problemlos reinhauen kann, falls Lil Wayne den 51-Millionen-Dollar-Rechtsstreit gewinnen sollte und seinem Ziehvater, Ex-Busenfreund und Young-Thug-BFF Birdman den Rücken kehren sollte.

Aber um derartige Mutmaßungen bezüglich musikindustrieller und zwischenmenschlicher Angelegenheiten soll es an dieser Stelle gar nicht gehen. Denn was viel wichtiger ist: Drake hat mit »If You’re Reading This It’s Too Late« ein Album gemacht, das jetzt schon sämtliche US-Rap-Releases der letzten Spielzeit in die Tasche steckt. Klar gab es »My Krazy Life« von YG, gab es Freddie Gibbs und Madlib, Run The Jewelz und die ganzen O.T. Bobby Sremmurds dieser Welt.

Aber der Song schlechthin – und da sind wir uns hoffentlich alle einig – war eine vier Minuten und 35 Sekunden lange Dilogie mit dem Namen »0 to 100 / The Catch Up«, die saloppes Imponiergehabe und gründliche Selbstreflektion im Verhältnis 2:1 mischte und ein ums andere Mal Aubrey Grahams Ambivalenz zwischen guten 30 Millen Gesamtvermögen und der Unfähigkeit des Zurechtfindens im V.I.P.-Bereich auf den Punkt brachte. Boi.

Zwar führt »If You’re Reading This It’s Too Late« diesen Drake’schen »0 to 100 / The Catch Up«-Dualismus im musikalischen Sinn auf beinahe jedem der 17 Songs durch Variationen in den Arrangements fort. Aber inhaltlich hat das Album erstaunlich wenig Larmoyanz zu bieten. Vielmehr erleben wir einen über weite Strecken selbstbewussten und angriffslustigen, ja, aggressiven Drake, der auf seinem »Worst Behaviour«-Shit zu sein scheint.

Denn tatsächlich erinnert ein Gros der Tracks mit diffusem, dumpf-dröhnendem und skizzenhaft-strukturlosem Moodmusik-Minimalismus stark an den genial konfusen Stand-out-Track von Drakes letztem Album »Nothing Was The Same«, bei dem man nie so richtig wusste, ob es gerade erst anfing oder schon wieder vorbei war, ob zwischen den zusammenhangslosen Aneinanderreihungen von rückwärts laufenden Drumloops und halbausgesprochenen Aufschneidereien doch so etwas wie eine Regelmäßigkeit erkennbar war oder ob es vielleicht doch eine einzige lange Hook hätte sein sollen.

Mit Hilfe von Produzenten wie Vinylz, Syk Sense, Frank Dukes, Eric Dingus, TM88 und Illmind, haben die OVO-Inhouse-Trackmaster Noah »40« Shebib und Boi-1da diese Blaupause der Uneindeutigkeit auf die Gesamtspielzeit von 68 Minuten und 20 Sekunden von »If You’re Reading This It’s Too Late« übertragen und hier und da noch um taumelnde Piano-Loops so wie peitschende Drum-Rolls aber auch verrätselte R&B-Schnipsel und neblige Synthieflächen ergänzt. Herausgekommen ist dabei ein Sound, der schon auf »Take Care« anklang, mit »Nothing Was The Same« weiter ausformuliert wurde, in seiner Stringenz und vor allem Einfachheit zuletzt auf »So Far Gone« zu hören war.



Dabei haben 40 und Boi-1da stets genauestens darauf geachtet, Drakes notorische Neunziger-Nostalgie in die Arrangements einfließen zu lassen. Klar, Drizzys Besessenheit im Hinblick auf sein Dasein als Nineties-Baby ist angesichts all der »Fresh Prince of Bel Air«-Referenzen, Timberland-Boots, DaDa-Throwback-Trikots und Bill-Cosby-Sweater unverkennbar. Aber abgesehen von den popkulturellen Insignien und modischen Wagnissen waren auch die musikalischen Referenzen an die späten Neunziger – egal ob nun Lauryn Hill, JoDeCi, der Wu-Tang Clan oder Juvenile, denen Drake in seinen Songs huldigte – immer enorm wichtig.

Folglich basiert der Album-Opener »Legend« auch auf einem Sample von Ginuwines »So Anxious«, welches derart verlangsamt und verfremdet wurde, das einem wirklich Angst und Bange werden kann. Weitere Ausschnitte desselben Songs finden sich im Übrigen auch auf dem Houston-inspirierten »Madonna«. Auch der chiffrierte Abschiedsbrief an Birdman, »Now & Forever«, samplet erneut Ginuwine – dieses Mal aber als Featuregast auf dem Nas-Song »You Owe Me«.

Auf »6 Man« lässt Drake sich zu einer freien Interpretation der legendären Erykah-Badu-Hook aus dem The-Roots-Klassiker »You Got Me« hinreißen und »Energy« samplet den legendären Rewind-Gunshot-Shout von Cutty Ranks, den viele noch von Crooklyn Clans »Where The Ladies At« aus den good ol‘ Dorfdissen-Days kennen dürften. (Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle auch noch mal erwähnt, dass »6 God« allen Ernstes das »Haunted Chase«-Theme aus dem SNES-Klassiker »Donkey Kong Country 2« samplet.)

Aber ehe das Album komplett in verklärte Retromanie abzudriften droht, reißen die beiden Executive Producer das Ruder mit den Songs »Preach« und dem »Wednesday Night Interlude« von PARTYNEXTDOOR wieder herum. Erstgenannter samplet das Stück »Stay« von Pop-House-Star Henry Krinkle (der dafür Drakes und Alicia Keys »Un-faithful (I’m Ready)« verbraten hat) und das PARTYNEXTDOOR-Interlude verwertet mit »Unfaith« einen Song des Schlafzimmerproduzenten Ekali, welches wiederum ein Cover von Ciaras und Futures »Body Party« ist.

Damit beweisen Drake und seine Beatberater eine ähnliche Weitsicht wie zuletzt schon im Hinblick auf Sampha oder Jamie xx. Manchmal laufen die Samples offensichtlich bis zum Ende, an anderer Stelle werden sie nur in den letzten 20 Sekunden (#nomarsi) hervorgehoben, machen aber so und so klar: »If You’re Reading This It’s Too Late« ist ein ellenlanges Experiment in Sachen Sounds – und vor allem in Sachen Styles.

Abgesehen davon, dass »Runnin‘ Through The 6 With My Woes« (wobei ›Woes‹ für die OVO-Whoadies steht), »Way up« oder das inflationär verwendete »boy« binnen kürzester Zeit zu geflügelten Wörtern mutierten, ist »If You’re Reading This It’s Too Late« insbesondere in puncto Flows eine Glanzleistung. Cam’ron hatte den »1970s Heron«-, Kanye seinen »Christian Dior Denim«-, Lupe Fiasco den »Go go Gadget«-Flow. Drake ließ in einem Freestyle bei Tim Westwood schon vor Jahren verlauten, der Urheber des »Slumdog Millionaire Bollywood«-Flows zu sein und machte darüberhinaus auch auf seinem »Comeback Season«-Mixtape klar, dass er in Sachen Raptechnik »mehr Vortragsweisen als manche Frauen Handtaschen im Kleiderschrank« hat. Und die packt er auf »If You’re Reading This It’s Too Late« dann auch allesamt aus.

Folglich ist Drakes Flow mal auf Steroiden, dann der »Nasty«- und schließlich der »Comeback«-Flow, erinnert stellenweise an P. Rico oder Migos und switcht dann, mal Slow-Mo, mal Stop-n-Go, von aufmüpfigem Betonungsbrimborium in den gut geölten Croonermodus, nur um dann wieder anzugreifen und über neue Berettas und scharfe Messer zu rappen. Außerdem hat’s noch genau denjenigen Drake, der im Vorbeigehen nicht nur Birdman (»Now & Forever«), sondern gleich auch noch Diddy und Kendrick auf »Used To«, ganz eventuell Jay Z und – besonders nonchalant – Tyga samt seinem peinlichen »Vibe«-Rant und sein Faible für minderjährige Mädels abwatscht (»6PM In New York«).

Drake betreibt das Spiel mit der verschobenen Vortragsweise und dem gleichzeitigen Aufbrechen klassischer Songstrukturen auf »If You’re Reading This It’s Too Late« auf beinahe jedem der Songs. Dabei ist es manchmal gar nicht so wichtig was, sondern vor allem, wie er es sagt. Deshalb ist es völliger Bullshit, wenn in diversen Kritiken behauptet wird, dass dieses Album keinen echten Hit hätte. Jeder dieser 17 Songs ist ein Hit. Denn Drake kann rappen und er hat verdammt noch mal Bars. Wer nach »If You’re Reading This It’s Too Late« noch etwas anderes behauptet, dem ist auch nicht mehr zu helfen.

Im Gegensatz zu den oft bis Oberkante Unterlippe vollgepackten Featurelisten seiner Alben bestreitet Drake ein Großteil der Songs auf der Platte alleine. In der ersten Hälfte vernimmt man nur einige der oben bereits genannten Gesangssamples im Endlosloop, Patois schnackende Homies, einen Rick-Ross-Grunzer, den aufgebrachten Lil Wayne, der in einem Interviewschnipsel den eigenen Arbeitsethos mit dem der Konkurrenz abgleicht und diverse automatisierte Telefonansagen.

Wenngleich danach PARTYNEXTDOOR, Lil Wayne und Travi$ Scott als Featuregäste auf den Plan treten, ist und bleibt »If You’re Reading This It’s Too Late« eine einsame Angelegenheit – und das liegt, natürlich, an Drakes Status, der ihn dazu verleitet, sich wie ein arrogantes Arschloch aufzuführen und Sätze wie »Please don’t talk to me like I’m that Drake from 4 years ago« zu sagen. Andererseits macht dieser Erfolg aber auch einsam.

Die bis dato prominent an den Pranger gestellten Ex-Freundinnen wie Courtney aus der »Hooters«-Filiale in der Peachtree-Straße von Atlanta sucht man genau so vergebens wie Verweise auf Affären mit Tennisspielerinnen oder detailreich ausgeschmückte Anekdoten über platonische Heavy-Petting-Sessions mit Nicki Minaj im Feierabendstau von L.A. – und so verkommt die Frau an Drakes Seite mehr und mehr zum namenlosen Wunschtraum und die Idee einer gewöhnlichen Beziehung scheint angesichts seines Daseins als weltbekannter Popstar auf ewig zum Scheitern verurteilt.

Bis auf das anonym gehaltene »Madonna« gibt es mit »You & The 6« nur einziges Lied für eine konkrete Frau, das in seiner emotionalen Vortragsweise und schonungslosen Ehrlichkeit im Hinblick auf das Verhältnis zu und zwischen beiden Elternteilen an »The Resistance« vom »Thank Me Later«-Album erinnert und vermutlich einer der besten Songs ist, die Drake je aufgenommen hat – erklärt es doch sehr anschaulich, warum Drake niemanden an sich heranlässt. Weder die Fitnesstrainerin seiner Mutter, noch die arschkriechenden Frenemies.

Diese selbstgewählte Isolation, das Kleinhalten des bereits von Casper besungenen »Kreis«, wird auch in jenem Kurzfilm mit dem Namen »Jungle« deutlich, den Drake einen halben Tag vor »If You’re Reading This It’s Too Late« veröffentlichte. Entgegen seinen Ambitionen als Don-Johnson-Double im »Hold On We’re Going Home«-Video oder Trenchtown-Romancier im Clip zu »Find Your Love« spielt Drake sich in den 16 Minuten von »Jungle« selbst.



Zu Beginn sieht man eine Collage von Szenen aus dem Toronto alter Tage sowie Homevideo-Schnipsel, in denen man Drake dabei zusehen kann wie er als Dreikäsehoch gemeinsam mit seinem Vater »Ready or Not« von den Fugees rappt. Es folgen verwackelte Aufnahmen aus dem Nachtleben von Toronto. Schnitt. Drake spaziert im Hier und Jetzt alleine durch die verschneite Stadt, setzt sich in ein Café und sinniert über das normale Leben der Leute auf der Straße.

Schnitt. Drake ist mit den Homies. Nach kurzer Flachserei verabschiedet er sich mit supersmoothem Handshake von seinem ohnehin schon kleinen Kreis vor dem Kiosk, wobei ihm zwei Kumpels wortlos folgen und mit ihm ins Auto steigen. Nach einem kurzen Smalltalk nickt Drake ein und bewegt sich in einer rotgefärbten Traumsequenz durch einen stillstehenden Strip-Keller, ehe er vom Klopfen des letzten verbliebenen Freundes an der Scheibe wieder geweckt wird. Er verabschiedet sich, wechselt auf die Fahrerseite, rollt im Wagen alleine die Straße hinunter.

Die Botschaft ist klar: Egal, wie klein Drakes ohnehin schon kleiner No-New-Friends-Kreis schon ist, es gibt es doch immer einen noch kleineren. Einen, der so lange verkleinert wird, bis nur noch Drake übrig bleibt. Der stets von Außen – vom Plateau am Rande der Stadt oder durch die Glasscheibe in Café und Auto – getätigte Blick auf Toronto und die sich dort bewegenden Figuren verstärkt dieses Gefühl der Entrücktheit noch zusätzlich.

Von dieser Fremdelei ist vordergründig natürlich nichts zu spüren. Vielmehr inszeniert sich Drake seit Monaten als 6 God und arbeitet stärker als je zuvor daran, Toronto eine so identitätstiftende Funktion zuzuschreiben, wie New York oder Atlanta sie für andere Rapper seit vielen Jahren besitzen. Dass Kanada von den USA eigentlich einvernehmlich belächelt wird, macht die Sache mit dem neuen Lokalpatriotismus nicht unbedingt leichter. Wenn Drake sich nun derart vehement zur 6 bekennt und in »Jungle« sogar im West-Indian-Akzent spricht (eine Mischung aus dem in Toronto aufgrund der großen Anzahl von Bewohnern mit jamaikanischen oder westindischen Wurzeln gesprochenen Patois und diffusem Straßenslang), lässt tief blicken.

Bereits im letzten Jahr habe ich Drake in einem Text für die »Welt« als Prototyp der Generation Y beschrieben. Die sowohl in »Jungle« als auch auf »If You’re Reading This It’s Too Late« ausgelebte Obsession mit Toronto stützt diese These, trägt Drake hier doch ein ums andere Mal einen inneren Konflikt aus, der den (wie Drake) in den 80er Jahren geborenen Endzwanzigern mehr als bekannt vorkommen dürfte: Es geht um das Verlassen der eigenen Heimatstadt unter Beobachtung der Zurückgebliebenen und um die Bringschuld, die man diesem Ort gegenüber empfindet, nachdem man ihm und allen dort Ansässigen scheinbar ungeachtet den Rücken gekehrt hat. Ein Dilemma, das Drake seiner Zeit bereits in »Club Paradise« angedeutet hat.

Denn für nicht Wenige ist der Auszug in eine neue Stadt und das emsige Schaffen einer Distanz zu dem, was man in der Heimat gut 20 Jahre lang ertragen musste, nach Schule und Zivildienst ein logischer Move. Gerade in der westlichen Welt ist diese Abnabelung von Altbekanntem gang und gäbe und wird selten bis gar nicht hinterfragt.

Aber dann, noch mal gut zehn Jahre später, bekommt man plötzlich eine Idee davon, dass das vielleicht alles ein bisschen voreilig war – und man merkt, wie sehr man doch an diesem Ort gehangen hat, fährt beim alljährlichen Besuch in der Weihnachtszeit all die prägenden Stationen der eigenen Jugend – Grundschule, das Haus der ersten Freundin etc. – mit dem Auto der Eltern ab und lässt in einem Anflug von Nostalgie noch einmal alles Revue passieren.

Besonders deutlich wird die Distanz, die auch Drake im Hinblick auf seine Heimatstadt und die Hinterbliebenen empfindet, während das Trio durch die Stadt rollt. Im Fahrzeuginneren herrscht eine peinlich berührte Stimmung. Drake moniert einen fehlenden Aux-Anschluss, weil er seinen Freunden neue Musik vorspielen will. Die vermuten in seiner Beschwerde über eine derartige Banalität aber wiederum fehlende Gesprächsbereitschaft, was Drake jedoch mit einem grinsenden »It’s all good!« weglächelt. Nur um wenige Sekunden später den Blick durch die Autofensterscheibe nach draußen wandern zu lassen und den Satz »It’s crazy, bruh, I feel like I haven’t been out here in a minute!« zu sagen.

Drake ist natürlich nie aus Toronto weggezogen, aber die letzten Jahre als Rapper haben ihn für lange Zeit aus der Stadt getrieben und zu einem Fremdkörper in der sonst so vertrauten Gegend gemacht. Auch die Freunde von früher können ihn nicht vor seinen Albträumen und dem Alleinsein retten. Nachdem er Beziehungen und Freundschaften aus den alten Tagen für seine Karriere drangegeben hat und er das Vertrauen in Rap-Kollegen und HipHop-Mogule gleichermaßen verloren hat, schwindet so auch noch der letzte Fixpunkt in einer Welt, in der eigentlich nichts mehr Bestand hat und alles ständig in Bewegung ist.

Genau wie sein Spagat zwischen überarrogantem Getue und Gefühlsduselei, sein gleichermaßen ausgeprägtes Faible für Stripperinnen und seelenverwandtes Wifey-Material und die aus all dem resultierenden, beinahe schizophrenen und in unzähligen Flowvariationen vorgetragenen Texte oder eben die sich ständig verformenden, mal voranpreschenden, dann wieder verlangsamten Beats.

Manch einer mag in »If You’re Reading This It’s Too Late« nur einen panischen Schnellschuss bzw. Freundschaftsbeweis für Weezy F. Baby sehen und »Jungle« als überambitioniertes Avantgarde-Gewichse abtun, aber es ist nur konsequent, dass Drake, der das Selbst zum unabdingbaren Sujet seiner Texte gemacht hat, diesen Konflikt genau so kunstvoll in einem Kurzfilm aufarbeitet, wie er seine Rolle als bester Rapper, den dieses Spiel derzeit zu bieten hat, auf 17 verdammt guten und bis ins letzte Detail durchdachten Tracks einfordert – und diese erste Tendenz mit dem tatsächlichen »Views From The 6«-Album im Laufe dieses Jahres vermutlich noch überbieten wird. Ob er dabei in allen Belangen längst an Kanye vorbeigezogen ist, steht noch mal auf einem ganz anderen Zettel.