Visualizing Music – die besten Musikvideos des Monats Februar 2020

An dieser Stelle sprechen Till Wilhelm und Valentin Hansen monatlich über die besten Musikvideos, weil das einfach zu wenig getan wird.

VisualizingMusic_Feb
Der Februar war lang und ereignisreich. Das Weltgeschehen ist nicht unbedingt erfreulich, das wissen wir – Till und Valentin – natürlich. Wenn ihr bereits am Preppen seid, kommt diese Kolumne euch vielleicht gerade ganz recht. Denn auch wir haben gepreppt und starten mit einem zusätzlichen Video in den März. Also diesmal sechs Clips zum Preis von fünf. Interessante Visuals aus dem deutschsprachigen Raum kommen diesmal vom Silk Mob, der Supergroup bestehend aus Opti Mane, Donvtello, Jamin, Fid Mella und Lex Lugner und Mavi Phoenix, der jetzt schon zum zweiten Mal in dieser Rubrik vertreten ist. King Krule und Mura Masa halten für die Fahne für britische Filmkunst hoch und aus den USA haben wir Aminé und Tobi Lou. Es geht viel um Postproduktion und Special Effects, Farbgebung und coole Flexes. Wenn ihr also noch nicht so ganz wisst, was ihr in eurem Bunker mit 500 Kilo Mehl und den unüberschaubaren Mengen Thunfischdosen anstellen sollt: Wie wär’s denn mit einem Filmabend?

Die offizielle YouTube-Playlist zur Kolumne gibt es hier.

Liste starten

  • Silk Mob Heute Ned (R: Alte Petze)

    Till: Den Silk Mob muss man vielleicht kurz vorstellen. Das sind Donvtello, Opti Mane, Jamin, Fid Mella und Lex Lugner, quasi eine Berlin-Wien-Supergroup. »Heute Ned« ist die Debütsingle. Die haben ihre Ästhetik da meiner Meinung nach sehr gut durchgezogen, von den Outfits über die Farbgebung bis hin zu den smoothen Übergängen.

    Valentin: Gerade die Übergänge gefallen mir sehr gut. Dass ein ausgeschnittenes Element aus dem nachfolgenden Shot in den aktuellen gezogen wird, das ist eine gute Idee. Der Song ist eh auch sehr funny und cool. Der Übergang mit der Rose bei 00:58 ist nice.

    Till: Jamin gibt mir in diesem Song irgendwie krasse Anderson .Paak-Vibes. Das ist schon ähnlich zu dem, was beispielsweise auf »Yes Lawd!« passiert. Einfach so gottverdammt smooth. Aber der ganze Song ist ja smooth, genau wie das Video. SILK Mob eben.

    Valentin: Ich finde die Übergänge wirklich am beeindruckendsten.

    Till: Ja, aber auch die Beleuchtung in Grün und Lila ist sehr ansprechend. Und das sind ja auch die Farben, die auf dem Albumcover vertreten sind. Als Debütsingle macht das dann ja auch voll Sinn, das genau so durchzuziehen. Auch das Setdesign ist sehr cool, da geht es dann voll um die Details. Die Auswahl der Couch, die Outfits, alles passt perfekt zusammen.

    Valentin: Die Supergroup wird auf jeden Fall durch dieses Video sehr gut repräsentiert. Das sieht man schon. Um die Gruppe vorzustellen, ist dieses Video perfekt. Der ganze Move an sich hat eine sehr stringente Gesamtästhetik. Ich bin gespannnt, was da noch kommt.

  • King Krule Alone, Omen 3 (R: Jocelyn Antequil)

    Valentin: Am Anfang ist es ganz cool, dass man denkt, dass all die gezeigten Personen alleine sind, aber dann stehen sie im selben Bild.

    Till: Als ich die Szene zum ersten Mal gesehen habe, bin ich auch fest davon ausgegangen, dass diese Masse jetzt mitten in der Stadt an einer Ampel steht. Aber plötzlich weitet sich die Szenerie so.

    Valentin: Und sie sind ja trotzdem in der Stadt. In dem Video ist vieles nicht ganz so leicht zu definieren. Ich muss auch sagen: Wie kann man so lässig sein wie King Krule?

    Till: Die Outfits sind auch sehr cool. Der Dude mit den Riesenohren ist auf jeden Fall funny. Hat der sich das von dir abgeschaut?

    Valentin: In der Spiegelszene finde ichs sehr cool, dass man die ganze Zeit denkt, man schaut den echten King Krule an, bevor sich das auch nur als Reflektion herausstellt. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wieso man in der Szene nie die Kamera sieht. Das muss super aufwändig gedreht sein. Die Farben sind sehr schön, gerade der Kontrast zwischen dem Blau und seinen Haaren. Und dann ist er da alleine im Raum, aber natürlich nicht wirklich alleine. All diese Reflektionen sind ja da.

    Till: Die Anxiety, die sich durch den Song zieht, ist auch sehr gut umgesetzt. Gerade wenn immer wieder Personen alleine gezeigt werden, die dann aber doch mitten in einer Masse stehen. Diese wacklige Handkamera an manchen Stellen passt da auch rein.

    Valentin: Ich habe mich sehr gefreut, als das Video erschienen ist. King Krule ist ein Garant für guten Output.

    Till: Man muss sich schon sehr in die Musik vertiefen, um da alles aufzunehmen. Das neue Album ist aber sehr gut.

    Valentin: Mir gefällt sehr gut, dass das Video so unstrukturiert, in seiner Form so undefiniert ist. Es gibt eigentlich nur drei verschiedene Szenen. Und die werden nicht mal so kontrastiert, das verschwimmt alles ein bisschen. Das Konzept ist undurchsichtig. Am Anfang werden die Gesichter auch alle einzeln gezeigt, als wäre das eine Vorstellung. Dieses Element taucht dann aber gar nicht mehr auf.

  • Mura Masa & Georgia Live Like We’re Dancing (R: Thomas Hardiman)

    Valentin: Das neue Album von Mura Masa fand ich nicht so spannend. Dieses Video ist dafür umso krasser.

    Till: Kannst du mir erklären, wie das gedreht ist?

    Valentin: Also ich glaube, das wurde mit einer 360°-Kamera gedreht und dann im Editierungsprogramm wieder aufgenommen. Am Anfang sieht man ja beispielsweise auch den Cursor. Das führt dazu, dass die Dynamik des Videos komplett in der Postproduktion entsteht. Es ist ganz witzig, sich das vorzustellen. Das Video wird eigentlich gedreht von dem Typen, der da am Computer sitzt und seinen Bildschirm abfilmt, während er das Video bearbeitet. Das ist sehr innovativ.

    Till: Die Postproduktion passiert auf so vielen Ebenen. Teilweise geht das Video von einer Einstellung zur nächsten über durch diese kleinen Portale. Aber an anderen Stellen verschwimmen die einzelnen Aufnahmen ja auch total, das wirkt dann wie eine einfache Kamerafahrt, obwohl der Raum plötzlich ein völlig anderer ist. Manchmal spielen die Übergänge auch auf den blinden Punkt dieser 360°-Kameras an.

    Valentin: Das Konzept ist ja eigentlich naheliegend, aber das hab ich noch nie vorher gesehen. Das ist eben so innovativ und cool. Es gibt sehr viele Momente in diesem Clip, die einfach technisch überraschen, obwohl die Rohaufnahmen ja gar nicht so besonders oder kompliziert sind. Feedback der User: »Mura Masa is never afraid to create something different and he still manages to make it an absolute banger.« Mura Masa hat schon immer sehr gute Videos. Beispielsweise die Effekte, die Leute wie Ufo361 heute benutzen, hat Mura Masa ja schon vor vier Jahren durchgezogen.

    Till: Alleine die Shots, die zu sehen sind, wären schon ausreichend für ein gutes Musikvideo. Selbst, wenn die mit einer normalen Kamera gedreht worden wären. Die Locations sind cool, Konzept und Styling ist cool. Aber Mura Masa geht dann eben noch diese digitale Extra-Meile. Die komplette Kameraarbeit wurde ja im Nachhinein gemacht.

    Valentin: Und das ist krass, weil es sich gar nicht so anfühlt.

  • Mavi Phoenix Fck It Up (R: Valentin Hansen)

    Till: Das ist ein ganze besonderes Video, da hat nämlich mein guter Freund Valentin Hansen Regie geführt.

    Valentin: Das ist auch etwas Besonderes, weil Mavi als einer der ersten Artists in dieser Rubrik schon zum zweiten Mal vertreten ist.

    Till: Mit welchen Kameras habt ihr das gedreht?

    Valentin: Die meisten Szenen sind analog. Es gibt auch noch VHS-Handkamera-Material. Und die Einstellungen, bei denen in seinen Mund gefilmt wird, haben wir mit einer Endoskop-Kamera gedreht.

    Till: Ich frage mich jetzt die ganze Zeit, wie ihr’s schafft, dass der Schaum aus dem Pool der Schwerkraft trotzt. Bitte verrate mir deinen Zaubertrick.

    Valentin: Das ist wirklich bisschen crazy. Wir haben Silikon in den Pool gepumpt. Dadurch ist die Seife aufgeschäumt und ist so gerade nach oben geflogen. Das sieht so natürlich aus, ist es aber natürlich gar nicht.

    Till: Wir hatten ja schon mal über Mavis Videos zu »Boys Toys« gesprochen. Das war in Schwarz-Weiß gehalten und auch in der Symbolik total konservativ. Da ging es mit Modellflugzeugen und einem Muskelanzug noch um ältere Geschlechterbilder. Hier haben wir Mini-Ferrari und Sammelkarten immer noch die »Boys Toys«. Aber anders.

    Valentin: Ja, das ist so ein bisschen die 2000er-Interpretation des Themas. Wir wollten das Video popkultureller gestalten.

    Till: Das gefällt mir sehr gut, weil das einen gedanklichen Sprung darstellt. Von konservativen Rollenbildern und der Unsicherheit, wie man sich überhaupt in diese einfügen kann zu einer modernen Selbstsicherheit und Selbstentfaltung. Bei »Boys Toys« wirkte das noch total ungreifbar, aber »Fck It Up« zeigt, wie’s geht. Was war dir wichtig an dem Video?

    Valentin: Es war erstmal vorausgesetzt, dass der Videodreh im Studio mit diesen Häusern stattfindet, weil das Mavis Bühnenbild ist. Mir war wichtig, dieses sehr gängige Set-Up interessant zu gestalten. Deswegen haben wir versucht, eine inhaltliche Komponente einzubauen, obwohl es nur ein Studio-Video ist. Ich wollte mit den Kinderspielzeugen im Gewand von HipHop-Ästhetik spielen. Es sollte sich nach Rap anfühlen, der Inhalt ist dafür aber ungewöhnlich.

    Till: Das hat gut funktioniert.

  • Tobi Lou Hot Tub DREAM Machine (R: Glassface)

    Valentin: Tobi Lou ist für mich ein gut gelungenes Kind von Tyler, The Creator und Frank Ocean. Ich fand auch früher seine Videos immer sehr cool, aber man merkt jetzt neuerdings, dass er einen Major-Deal unterschrieben hat.

    Till: Ja, das ist der typische Major-Glow. Aber andererseits können die sich jetzt wahrscheinlich auch zum ersten Mal ein richtiges Studio leisten. Das Video hat ja Glassface gemacht, der wirklich immer seine Videos macht. Der macht aber auch sonst sehr gute Sachen. Er glitcht da in großen Teilen des Videos immer von Farbe zu Farbe. Kannst du erklären, wie das gemacht ist?

    Valentin: Der Effekt nennt sich Slit Scan. Das ist quasi eine Zeitverzögerung der Pixel, das kann man ganz unterschiedlich einsetzen. Zum ersten Mal prominent eingesetzt wurde das bei Kubricks »2001: A Space Odyssey« für die Weltraumfahrten (https://www.youtube.com/watch?v=NaK4z3Fjpkk). Aber auch in Mura Masas Video zu »I Don’t Think I Can Do This Again« ist das vorgekommen (https://www.youtube.com/watch?v=_wUIexMVG9k).

    Till: Ich finde, das ist hier aber sehr cool eingesetzt, auch weil das relativ minimalistisch ist und sich mehr auf diese Farbspiele konzentriert. Meiner Ansicht nach hätte man auch auf diese anderen Spezialeffekte verzichten können, also auf diese verzerrten Kameraeinstellungen. Ich wäre vollends zufrieden, wenn das Video nur aus dem Slit Scan bestehen würde.

    Valentin: Wenn die das konsequent durchgezogen hätten, dann wäre das wirklich IHR Effekt. Das wäre nochmal ‘ne Nummer besonderer.

    Till: So oder so ist das sehr smooth. Und es gefällt mir gut, dass dieser Glitch den Fluss des Liedes nochmal etwas verdeutlicht. Man kann so die einzelnen Phasen des Songs ein bisschen mehr wertschätzen, ohne, dass das Stück auseinandergerissen wird.

  • Aminé Shimmy (R: Aminé & Jack Begert)

    Till: Jack Begert hat hier Regie gemacht. Der ist wirklich krass. Der hat auch schon häufiger mit Kendrick Lamar gearbeitet, zum Beispiel zu »King’s Dead«.

    Valentin: Ahja, danach sieht es auch bisschen aus. Die Performance ist richtig geil.

    Till: Abgesehen davon, dass das so geil gedreht ist und mega cool aussieht, ist dieses ganze Video einfach ein absurder Flex. Dass er in der Felswand performt, dass er mit einem Rudel Hunde im leeren Stadion steht, dass seine weißen Anwälte seinen Song mitsingen. All das macht Spaß und zeigt, wie gut Aminé die Position ausfüllt, die er sich erarbeitet hat. »ONEPOINTFIVE« war so ein gutes Album, jetzt geht es noch krasser weiter.

    Valentin: Auch die Szene mit den Uber-Bikes ist sehr cool. Aber genau das ist ja etwas, was bei Aminé oft passiert: Sich ein Motiv zu nehmen, das Gangster-mäßig konnotiert ist und das dann total lieb zu machen. Das macht er ja zum Beispiel auch im Video zu »Reel It In« mit der Autowäsche.

    Till: Das, womit er angibt, ist ja auch eher unüblich. Es gibt nicht viele Leute, die es für einen Flex halten, wenn man aus Portland kommt. Auch die ganze Funktionskleidung und dieser Outerwear-Faible ist ja eigentlich total uncool. Aber nicht bei Aminé. Da ist alles cool. Dieser Shot vor dem Zelt im Wald am Ende taucht im Video auch vorher nirgends auf. Aber es muss eigentlich super aufwändig und teuer gewesen sein, das überhaupt zu filmen. Auch so ein Odd Flex.

    Valentin: Ja, das ist auch auf jeden Fall ein teures Video gewesen. Das ist auch der Zwiespalt, wenn ich mir das anschaue. Mit einem großen Budget ein Video zu machen, das cool aussieht, das ist schon leichter. Es gibt auch teure Videos, die scheiße aussehen. Aber manchmal ist das auch unfair.

    Till: Hier ist ja hingegen auch der Fall, dass Aminé selbst an der Regie beteiligt ist. Da merkt man schon, dass auch viel Herzblut reingesteckt wird. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt, was da jetzt noch kommt.