Visualizing Music – die besten Musikvideos des Monats Dezember
An dieser Stelle sprechen Till Wilhelm und Valentin Hansen monatlich über die besten Musikvideos, weil das einfach zu wenig getan wird.
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Mavi Phoenix Boys Toys (R: Elizaveta Porodina)
Valentin: Sehr starkes Video! Für mich persönlich Favorit diesen Monat aka letzten Monat. Ich finde den Bruch von der düsteren, altmodischen Schwarz-Weiß-Welt und dem modernen, Rosalia-mäßigen Sound sehr spannend.
Till: Stehe ich voll dahinter, hätte ich den Song vorher ohne das Video gehört, hätte ich mir auch eher so eine Bubblegum-Ästhetik vorgestellt. Aber es passt irgendwie. Auch, weil der Gedanke des Songs, dass Mavi jetzt endlich mit den männlich konnotierten Spielzeugen spielen kann, für die er immer schon eine Faszination hatte, ja eigentlich etwas Konservatives hat. Da passt dieses in schwarz-weiß gehaltene Männlichkeitsbild im Video ja total gut.
Valentin: Für Mavi Phoenix außerdem natürlich sehr spannender, persönlicher und neuer Output nach dem Bekanntmachen, dass er als Mann lebt. Das spürt man, dass es da um etwas größeres geht. Die Bilder mit der Fruchtblase als Zeichen der Neugeburt, mega!
Till: Generell ist die Bildsprache sehr cool. Das sind ja auch alles Sachen, die eher mit Buben assoziiert werden als mit Männern. Mavi hat auch in einem Interview zu dem Song erzählt, dass er sich bisher noch oft eher als Junge fühlt, als als Mann. Und dass ihm seine Therapeutin dazu gesagt hat, dass man eben erst mal ein Junge sein muss, bevor man ein Mann werden kann.
Valentin: Da passiert gerade privat ganz viel bei Mavi, nebenbei hat er schon sein neues Album angekündigt. Ich glaube, das wird 2020 richtig spannend.
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BLOND Match (R: Philipp Gladsome, Phillip Himburg)
Valentin: Ebenfalls sehr feiner Song der Chemnitzer Indie Band! Und ebenfalls 20.000 Klicks.
Till: Was ja gar nicht so viel ist, dafür, wie sehr unsere Bubble von diesen beiden Artists schwärmt.
Valentin: Die Idee, sich Sachen, die man eigentlich nur zu zweit machen kann, zu suchen, ist sehr gut. Obwohl, ein Eis kann man schon auch gut alleine essen. Oder eine Flasche Wein alleine trinken. Na gut, aber wir wissen, was gemeint ist. Song auch traurig schön.
Till: Mir gefällt an dem Video besonders, dass das alles so isoliert dargestellt wird. Weißt du, was ich meine? Diese Gegenstände, beziehungsweise die Interaktion mit diesen Gegenständen, findet nicht in einer ausgefeilten diegetischen Welt mit einer zusammenhängenden Handlung statt, sondern nur in eine ideellen Welt. Das Thema des Songs drückt sich ein diesen losgelösten Gedankenbildern viel stärker aus, als wenn man sich da jetzt eine Story überlegt hätte.
Valentin: Ich mags, wenn Songs so aufgebaut sind, dass es ein trauriges Thema gibt, das dann etwa ironisch textlich aufgebaut wird und dann wieder in ein melancholisch, trauriges Gewand gelegt wird. Das taugt mir.
Till: Das kann ja auch sehr schnell sehr Formel-mäßig werden. Hier aber nicht, hier funktioniert das richtig gut. Am Ende des Videos finden die drei ja auch gute Lösungen für diesen ganzen Quatsch.
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Rapkreation Berlin Brennt (R: Gustav Jenssen & Joel Winter)
Till: So Demo-Klassenkampf-Videos machen mich immer völlig fertig. Nicht sicher wieso, aber das nimmt mich voll mit. Ich musste auch voll heulen, als ich damals die ganzen G20-Videos gesehen habe.
Valentin: Das Video ist stark! Ganz schönen Aufriss da gemacht. s/o an Franky an der Kamera. Finde auch sehr gut, wann das Video veröffentlicht wurde.
Till: Das ist ja auch eine der wenigen explizit politischen Messages, die dieses Video bereit hält – dass es am 13.12. Veröffentlicht wurde. Ansonsten geht es ja eher um eine bestimmte Energie, die eben bei solchen Straßenkämpfen richtig ausbricht, aber zum Beispiel auch im Moshpit, der ja im Song besungen wird, kanalisiert werden kann.
Valentin: Stimmt, dieses Randale-Thema kommt ja im Song gar nicht so rüber. Eher so RIN-Diss zu hören haha. Rap-Update: DIESE Berliner Rapper DISSEN Rin. Aber da bekomme ich schon Bock auf eine Rapkreation-Show mit ordentlich Mosh.
Till: Ich glaube, das geht tatsächlich richtig gut ab bei deren Shows. Habe das nur mal bei der Releaseparty zur ersten oder zweiten EP gesehen, glaube ich. Aber schon da war das richtig Action. Die Parts sind ja tatsächlich recht politisch angehaucht, beziehungsweise sehr polizeikritisch. Aber in der Hook wird das Thema natürlich komplett gebrochen. Aber wie gesagt, rein von der Idee des Ausbruchs von Energie ist das ja tatsächlich doch ähnlich.
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3Plusss Mantra (R: Lukas Richter)
Valentin: Boah, ich hab seit Ewigkeiten nichts mehr von dem gehört. Außer immer mal viel gelikte Twitter-Posts gesehen.
Till: Der hatte auch ungefähr ein Jahr Instagram-Pause gemacht, das letzte Album kam ja auch Ende 2016, seitdem ist da außer Live-Gigs auch gar nicht viel passiert. Find ich aber sehr gut, dass er sich jetzt auch musikalisch zurückmeldet. Auf Twitter ist er ja zu einer wichtigen Stimme der Szene geworden, aber es war irgendwie klar, dass da auch gute Musik darauf wartet, veröffentlicht zu werden.
Valentin: Ich hab bisschen das Gefühl, dass die nicht genau wussten, was für eine mega Idee die hatten. Nämlich dieses: Er sitzt auf dem Sand bei Ebbe und dann kommt mit der Zeit die Flut, er bleibt sitzen, bis das Wasser »ihm bis zum Hals steht«. Mehr Metapher geht nicht. Da hätte man meiner Meinung nach die anderen Szenen fast weglassen können. Aber na gut, trotzdem schön.
Till: Ich verstehe, was du meinst. Das hätte alles auch noch reduzierter sein können. Aber ich finde es auch jetzt ziemlich gut, wie das geworden ist. Finde auch gut, dass diese Meeresszenen nochmal mit den Einstellungen aus dem Schwimmbad kontrastiert werden. Bin auch großer Fan von diesem Special Effect, der die Pixel so wegzieht. Der wurde ja eigentlich schon oft bei so Mainstream-Artists benutzt, hier passt das aber besonders gut im Zusammenhang mit der Thematik des Songs. Finde generell den Song wahnsinnig gut. Er hat auf Instagram geschrieben, dass der eigentlich schon relativ alt ist. Hört sich aber wirklich frisch und progressiv an meiner Meinung nach.
Valentin: Der Song an sich ist wirklich auch top. War überrascht, als dieser ungewöhnliche Beat rein kam. Kommt da jetzt mehr?
Till: Ich hoffe es sehr. Allein, dass er überhaupt wieder mehr in den sozialen Medien unterwegs ist, könnte ja schon ein Anzeichen sein. Ich wünsche mir auf jeden Fall ein Album für 2020.
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James Blake I’ll Come Too (R: Matt Meech)
Valentin: Eine Million-Dollar-Idee. Sich aus 28.238 Stunden BBC Doku Material klicken und dann die Sachen daraus nehmen, die es ermöglichen eine Liebesgeschichte zwischen zwei verschieden Tierarten zu erzählen. Da muss der Editor ziemlich lang dran gesessen haben.
Till: Voll. Auch die anderen Videos zum Album waren ja allesamt wahnsinnig aufwändig produziert, aber das hier ist nochmal besonders krass. Und hat natürlich auch eine Ästhetik, die voll aus dem ganzen Musikvideo-Ding heraussticht, gerade dadurch, dass die Szenen nicht extra für das Video gedreht wurden. Da steckt so eine krasse Ruhe drin. Und der Song ist für mich einer der schönsten vom ganzen Album.
Valentin: Was meinst du, war vorher da: Die Idee so ein Video zu machen oder der Editor von der Doku hat so die beiden Vögel gesehen und dachte: Das sieht irgendwie so und so aus. Kann mir kaum vorstellen, dass James Blake zu dem Dude kam und meinte: Suche mal bitte solche Szenen raus.
Till: Ich kann mir vorstellen, dass diese Liebesbeziehung mal für eine Doku verwendet wurde und das jemand von diesem Team gesehen hat. Aber das ist ja auch wirklich so krass gut geschnitten. Es gibt ja diese Szene, wo der Pinguin quasi ruft und das passt dann voll zu den Background Vocals. Oder dieser Tanz der Albatrosse. Das ist alles so Millimeterarbeit, aber auch richtig gut umgesetzt. Wenn ich das sehe, bin ich so froh, dass ich nicht unglücklich verliebt bin.
Valentin: Same. Der arme Pinguin sieht auch so traurig aus. Es ist zum Heulen.