Ranked: Denzel Curry
Zu selten wird der Name Denzel Curry genannt, wenn es um die besten HipHop-Künstler der letzten zehn Jahre geht. Nur wenige Rapper seiner Altersklasse haben es geschafft, einen so spezifischen Style zu perfektionieren und sich währenddessen auf völlig organische Weise weiterzuentwickeln. Lennart Brauwers mit einem Ranking der Discographie des Rappers.
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Platz 8 Nostalgic 64 (2013)
Ist es schmeichelhaft oder gar ein Diss, wenn man das Debütalbum eines Rappers als sein schlechtestes Werk bezeichnet? Auf der einen Seite sagt man damit zwar, dass der jeweilige Künstler für das Herauskristallisieren der eigenen Ästhetik lange gebraucht hat und sich erstmal zurechtfinden musste, doch das Gegenargument überwiegt meiner Meinung nach immer: Alles, was danach kam, konnte den ersten LP-Versuch überbieten und ist näher an dem, wofür der Musik heute gefeiert wird, also könnte das allerbestes Werk noch vor der Tür stehen; hier wurde das Pulver nicht direkt verschossen (wie so viele Rapper es häufig tun), sondern erstmal nur der Grundstein gelegt. In so einer Situation will man ja sein, wenn man eine lange Karriere will, oder? Auf »Nostalgic 64« – ein Album zwischen trippigen OutKast-Einflüssen und hartem Memphis Rap – ist Denzel Curry jedenfalls schon ein herausragender Rapper, aber noch kein überdurchschnittlicher Künstler. »My bitch bad like battle rappers that make albums«, sollte er Jahre später rappen und machte etwas Wichtiges klar: Es gibt einen Unterschied zwischen guten Rappern und guten Rap-Künstlern. Wenige Jahre nach »Nostalgic 64« sollte Denzel Curry beides sein. Doch hier war er ›lediglich‹ ein guter Rapper. Noch!
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Platz 7 32 Zel/Planet Shrooms (2015)
Im Gegensatz zu Denzel Currys Debütalbum hat »32 Zel/Planet Shrooms« dann schon einen greifbaren, attraktiven Gesamtvibe, der sich aus psychedelischen Sounds (I mean: das Wort »Shrooms« ist schon im Titel), aggressiven In-Your-Face-Flows (darin ist Denzel unbesiegbar) und originelleren Textinhalten (STAR WARS!) auszeichnet; und das, obwohl es sich hierbei nichtmal um ein wirkliches Album, sondern um eine zusammengeklebte Doppel-EP handelt. Aufgrund eben dieser dann doch spürbaren Uneinheitlichkeit kann »32 Zel/Planet Shrooms« noch nicht ganz mit den darauffolgenden Alben des Rappers mithalten. Auch, wenn ihm der unaufhaltsame Space-Rap-Sound auf „32 Zel/Planet Shrooms“ ausgesprochen gut stand! Und, ach ja: Hier ist natürlich der großartige Song „Ultimate“ drauf, der zwar für zigtausende Memes missbraucht wurde und dadurch selbst zum Meme geworden ist – »I AM THE ONE, DON’T WEIGH A TON, DON’T NEED A GUN TO GET RESPECT UP ON THE STREET« –, eigentlich aber ein undeniable HipHop- Klassiker der Zehnerjahre ist. Diese Energie… nochmal: undeniable!
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Platz 6 TA13OO (2018)
Unter den durchweg gelungenen Alben, die Denzel Curry seit 2016, also seit seinem Aufstieg in gehobene Prestige-Rap-Kreise veröffentlicht hat, ist »TA13OO« das verhältnismäßig schwächste, weil es seine Hyper-Aggression nicht auf hundertprozentig natürliche Weise mit den melancholischen Gefühlsmomenten verbinden kann, das Konzept der Aufteilung in drei LP-Teile überflüssig wirkt und der Rapper sich, zumindest für meinen Geschmack, zu oft in jenem Emo-Sound verrennt, mit dem er zu Beginn seiner Karriere in Verbindung gebraucht wurde – und von dem er sich später radikal abwenden sollte (»I am not an emo rapper«, heißt es auf seinem brandneuen Mixtape »King of the Mischievous South Vol. 2«). So erinnert ein Songs wie »CLOUT COBAIN« noch sehr stark an Depri-Rap-Ikonen wie Lil Peep und XXXTentacion und fungiert außerdem als ein Kommentar an dieses Subgenre, während brutale Abriss-Songs wie »VENGEANCE« auf unpassende Weise dazwischengeschoben werden. Dass Denzel Curry sich im Anschluss an »TA13OO« größtenteils von dem Sound seiner Zeitgenossen frei gemacht hat, war äußerst erfreulich. Gut ist die Platte trotzdem!
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Platz 5 King of the Mischievous South Vol. 2 (2024)
Soooo, da haben wir’s: Das neue Mixtape von Denzel Curry und der ursprüngliche Anlass für diesen Artikel. »King of the Mischievous South Vol. 2« ist der Nachfolger eines 2012 erschienen Mixtapes und Denzel Currys Art uns zu sagen, dass er immer noch der alles zerberstende Hitzkopf von früher sein kann. Wo das vorherige Album »Melt My Eyez See Your Future« vor allem für seine Reife und Introspektion gefeiert wurde, steht »King of the Mischievous South Vol. 2« wieder für ungefiltertes Rap-Geballer und zeigt: Dieser Musiker kann alles sein, er vermag verschiedene Modi – ob nachdenklich oder draufgängerisch – nach belieben an- und auszuschalten und wird deshalb auch weiterhin eine fruchtbare Karriere haben. Wie ein richtiger Schritt fühlt dieses Tape sich allerdings nicht an, da es sich eher als Rückbesinnung auf den Sound einer Ära und eines spezifischen Ortes lesen lässt, wie auch die Features deutlich machen: Southern-Rap-Legenden wie 2 Chainz oder Juicy J sorgen für herausragende Momente. Nicht jede Veröffentlichung muss das Rad neu erfinden, solange sie sich frisch anfühlt; und das tut dieses Mixtape, welches sich ganz bewusst als ein solches präsentiert, allemal. Banger after Banger after Banger.
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Platz 4 Melt My Eyez See Your Future (2022)
»Melt My Eyez See Your Future« stellte einen gigantischen Schritt für Denzel Curry da und schlug eine erwachsene, Jazz-inspirierte Richtung ein, die der Rapper in Zukunft hoffentlich weiterführen wird. Hier und da gibt’s zwar schwächere Songs – u.a. »Mental« oder »Sanjuro« –, doch das insgesamte Konzept ist schlichtweg zu ansprechend, um diese Aussetzer als wirklich störend zu empfinden: Denzel Curry tritt hier als halbgebrochener, in den Spiegel schauender und sich therapeutische Hilfe suchender Einzelgänger auf, der sich aber keineswegs zu schade dafür ist, zu seiner nerdigen Seite zu stehen und mit Anime/StarWars/Western-Referenzen um sich zu schmeißen. Textlich bringt er diese Ambivalenz auf beeindruckende Weise rüber, die dazugehörigen Beats sind genauso fantastisch, weil darin gleichermaßen Platz ist für smoothe Piano-Loops, aufgekratzte Drum’n’Bass-Einflüsse und, ähm, T-Pain. (Zu dieser Zeit hab ich Denzel auch erstmals live gesehen, gemeinsam mit guten Freunden. Es war großartig!!!)
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Platz 3 Imperial (2016)
»Imperial« repräsentiert den Moment, in dem Denzel Curry endgültig zu Denzel Curry wurde, und stellt damit seinen künstlerischen Durchbruch dar. Einige Momente erinnern zwar noch an den sentimentalen Emo-Rap und hüpfenden Atlanta-Rap seiner Zeitgenossen, doch Denzel Curry stach damals schon mit seiner unaufhaltsamen Energie und beeindruckenden Dreidimensionalität auf. Man muss sich nur mal die »XXL Freshman Class« des Jahres 2016, als Denzel Curry mit „Imperial“ auf sich aufmerksam machte, anschauen: Neben ihm waren damals u.a. Lil Yachty, 21 Savage und Lil Uzi Vert auf der Liste vertreten, die zwar teilweise fantastische Musiker und ebenfalls noch wichtige Charaktere in der HipHop-Welt sind, aber nichtmal ansatzweise die Diversität eines Denzel Curry haben. Auf „Imperial“ präsentierte er sich erstmals als ausgereifter Künstler, lieferte uns melancholische Hooks (»Me Now«) sowie Auf-die-Fresse-Bars (»Sick & Tired«) und fasste das Alles in ein extrem rundes Album zusammen, das heute noch genauso gut funktioniert wie 2016.
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Platz 2 UNLOCKED (2020)
Eine Kombi für die Götter: Als Denzel Curry sich mit dem beliebten HipHop- Produzenten Kenny Beats zusammentat, nachdem deren unbestreitbare Chemie bei einem Gastauftritt in dessen Freestyle-Show »The Cave« zum Vorschein kam, war mir noch gar nicht klar, wie sehr ich die Mischung dieser beiden Musikköpfe gebraucht habe. Auf deren Kollabo-Album »UNLOCKED« sitzt jede einzelne Sekunde, sowohl Denzel Curry und Kenny Beats sind in absoluter Topform. Während der Rapper eine erinnerungswürdige Line nach der anderen raushaut (»I don’t write rhymes, ni**a, I write checks«), hat Kenny Beats hier ein dreckiges, rohes mit charmanten Unperfektheiten übersähtes Paket an Beats zusammengestellt, in denen vor allem der Spirit von zwei absoluten Rap-Legenden durchschimmert: MF DOOM (die Cartoon-mäßigen Skits; das zerstückeltes Gesamtfeeling) und dem Wu-Tang Clan (die kratzigen Samples; deren Vermischung mit Live-Instrumentierung). Dieses Album ist in dem, was es versucht, so unglaublich erfolgreich, dass es auch dreimal so lang sein könnte. Hoffentlich machen die sowas nochmal! Bester Song: »DIET_«
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Platz 1: ZUU (2019)
So gelungen die inhaltlich konzeptuelleren Alben von Denzel Curry, also vor allem »TA13OO« und »Melt My Eyes See Your Future«, auch (größtenteils) sein mögen, am Ende handelt es sich hier eben nicht um jemanden wie Kendrick Lamar – auch wenn er sich definitiv noch zu seinem solchen verwandeln könnte –, sondern um, nun ja, Denzel motherfuckin Curry. Und Denzel Curry braucht nicht unbedingt ein Konzept: Gib ihm einen fetten Southern-Beat, lass ihn einfach drauf los rappen und schau, was für Wunder dann passieren. »ZUU« ist jedenfalls sein allergrößtes Wunder, weil sich JEDER Beat zum abgehen bringt, weil JEDE Hook verdammt eingängig ist, weil JEDES Feature seine Daseinsberechtigung hat. In weniger als einer halben Stunde hat Denzel Curry mit »ZUU« ein (im bestmöglichen Sinne) stumpfes HipHop-Meisterwerk geschaffen. Dass sich das Album gleichzeitig als Hommage an seine Miami-Herkunft lesen lässt, gibt dem Ganzen außerdem eine herzerwärmende Note! 10/10