Die 15 wichtigsten Rap-Alben aus Frankfurt

Für ALL GOOD hat der Frankfurter DJ Kitsune die für ihn 15 wichtigsten Rap-Alben aus Frankfurt zusammengestellt.

DJ Kitsune
Frankfurt hatte es schon immer schwer im Deutschrap-Städtekampf. Die Main-Metropole war seit jeher unterschätzt, gefürchtet und, ja, anders. Wahrscheinlich kommen deswegen so viele Meilensteine und Impulsgeber aus Frankfurt – das war vor 20 Jahren so, als Roey Marquis Deutschland gezeigt hat, was rough und raw ist, und das ist heute so, wenn man von der Hauptwache aus die Restwelt wissen lässt, wer der Babo ist. DJ Kitsune ist seit vielen Jahren ein wichtiger Teil der Frankfurter HipHop-Szene. Er ist ein international anerkannter DJ, Radio-Host, Manager und Verleger, kurzum: einer der HipHop-Weisen des Landes. Für ALL GOOD hat er die für ihn 15 wichtigsten Rap-Alben aus Frankfurt zusammengestellt – hier in chronologischer Reihenfolge. »Nix mit Hollywood. Frankfurt, Brudi.«

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  • Various Artists »Ruff'N'Raw presents Da Experience« (1993)

    »Wenn man 21 Jahre später auf diesen Frankfurter Klassiker zurückblickt, fällt es schwer zu verstehen, warum diese Platte so wichtig war für die Entwicklung einer Stadt. Musikalisch war die Compilation ein Versuch, irgendwo zwischen den Native Tongues, Rakim und EPMD. Die sieben Tracks vereinen die frühesten Veröffentlichungen von Leuten, die Jahrzehnte später noch von sich hören lassen. Auf seinem eigenen Label Ruff-N-Raw brachte Roey Marquis II. unter anderem mit die ersten Veröffentlichungen von D-Flame, Azad (als Asiatic Warriors), CodX und Chima raus.«

  • Rödelheim Hartreim Projekt »Direkt aus Rödelheim« (1994)

    Auch wenn Moses P. für seine erstes deutschsprachiges Unterfangen (und gewisse textliche und stilistische Punkte, die zu sehr an Konkret Finn erinnerten) innerhalb von Frankfurt schwer infrage gestellt wurde, so war es doch völlig unumstritten, dass der ehemalige »Twilight«-Rapper seine Sporen auf den Bühnen der Stadt mehr als verdient hatte. Mit »Direkt Aus Rödelheim« erschufen Moses und Thomas H. nicht nur ein musikalisches Imperium, was den Grundstein für Sabrina Setlur, Illmatic, Xavier Naidoo und Glashaus legen sollte, sondern auch einen dringend benötigten kommerziellen Gegenpol zu den Fantastischen Vier und ein vorher nie dagewesenes Selbstbewusstsein der Stadt für sich.

  • Roey Marquis »Zumo Breaks« (1998)

    http://youtu.be/b9FA0TTTeWI

    Für viele Fans und Beobachter von Roey Marquis‘ Schaffenswerk war die Zeit zu Beginn des von ihm und Da Germ in Brooklyn initiierten Quiet-Force-Labels die kreativste und wichtigste Phase der DJ- und Produzentenkarriere. Dazu zählen insbesondere »Momentaufnahmen«, »1st There Waz The Word« (beide ursprünglich nur als Mixtape-Kassette erhältlich). Natürlich aber auch die instrumentalen Beat-Bretter »Zumo Breaks«, die es ausschließlich auf Vinyl, dafür aber eben auch in Record Stores von New York bis Tokio gab. Gerade die erste Ausgabe, die mit Hilfe der Brooklyner Produzentenlegenden Evil Dee und DJ Spinna entstand, zeigte Roey Marquis auf Augenhöhe mit den New Yorkern und öffnete wichtige Türen im transatlantischen Austausch.

  • Spiritual Warriors »Spiritual Warriors« (1999)

    Gemeinsam mit Da Germ und Matrix, sowie den Gästen Harvey Dent, Evil Dee, Curse und Nicodemus als den »Spiritual Warriors« schuf Roey Marquis ein Monument. Das 1999 veröffentlichte Album war nicht nur ein kleines Meisterwerk auf dem Höhepunkt von Roey Marquis‘ produktionstechnischem Schaffen, sondern auch das einzige Rap-Album aus Frankfurt, das tatsächlich weltweit vertrieben wurde und auch in den Underground-Szenen von New York und Tokio für Aufmerksamkeit sorgte. Näher war Frankfurt an den Veröffentlichungen der US-Indie-Rapszene der späten Neunziger nie dran. Dass das Album als vertontes Hörspiel und beigelegtem Comicbook ein überaus innovatives Konzept fuhr, ist dabei nur das Sahnehäubchen.

  • D-Flame »Basstard« (2000)

    D-Flame - Basstard

    Es gibt wahrscheinlich niemanden, der in den letzten 20 Jahren die Frankfurter Fahne so hochgehalten hat, wie D-Flame. Fast schon tragisch ist es, dass er bis nach Hamburg ziehen musste, bevor sein Debütalbum dann endlich veröffentlicht werden konnte. Unter dem kreativen Mantel von Jan Eißfeldt und Eimsbush Records erschien zuerst »Heißer«. Die Single war in einer von Hamburger und Stuttgarter Party-Hymnen bestimmten Zeit endlich auch ein kleines Frankfurter Gegenstück. Dann kam das Album »Basstard«, das D-Flame in seiner besten Form und zeitgleich sowohl seine Frankfurter als auch jamaikanischen Wurzeln deutlich zeigte. »Wo sind wir daheim« mit Tone, den Chabs (Jeyz und Jonesmann) und Real Jay bleibt auch 15 Jahre nach Veröffentlichung ein Garant für verschüttetes Bier und wahllose Grölereien auf Frankfurter Parties.

  • Konkret Finn »Reim, Rausch und Randale« (2001)

    Für »Ich diss dich« werden Tone (und Iz) alias Konkret Finn für immer in den deutschen Geschichtsbüchern stehen, so viel steht fest. Dass der Song in den Tagen der Veröffentlichung allerdings nur kleine Kreise in der damals noch überschaubaren deutschen Szene nach sich zog, muss fairerweise aber auch betont werden. Nichtsdestotrotz war es eine unumstrittene Tatsache: Keiner rappt so gut wie Tone (Stand 1992 – 1999)! Und das zu »Ich diss dich« gehörende Album »Reim, Rausch und Randale« wird wahrscheinlich nie erscheinen (Stand 1992 – 2001). Dann kam Def Jam Germany und zückte das Scheckbuch für einen Tonträger, der gefühlt seit zehn Jahren abgestanden war und musikalisch und produktionstechnisch einfach nur verlieren konnte. Der Charme des endlich gefundenen »heiligen Grals Frankfurter Rap-Kunst« konnte – wenn überhaupt – nur in den großartigen Skits noch wahrgenommen werden. Wenn man ehrlich ist, wäre es vielleicht besser gewesen, wenn »Reim, Rausch und Randale« zum deutschen Detox geworden wäre, zumal die Solo-Karriere von Tone 2001 schon auf einem sehr guten Weg war.

  • Azad »Leben« (2001)

    Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen. Jahrelang kannte man Azad und sah ihn auf verschiedenen Events, mal als DJ, mal als MC, und immer hieß es: »Mein Album kommt bald.« Als dann das Snippet-Tape in den Stores kursierte, lief es bei mir im Autoradio, als wäre es »Illmatic«. Und für deutsche Verhältnisse ist es das irgendwie auch. Ein Klassiker, der kommerziell keine Rolle spielte, aber die Szene nachhaltig veränderte. Und auch wenn Azad durch seine Entscheidung für 3p einiges an Kritik in Frankfurt einstecken musste, kann ich mir bis heute keinen besseren Einstieg vorstellen. Die Zusammenarbeit mit Specter und der extrem hohe Anspruch an das eigene Projekt (alle Beats und Scratches stammen von Azad selbst) sorgten für die nötige kreative Detailliebe, die dieses Album zurecht zu einem Deutschrap-Klassiker machte und gleichzeitig ein Katapult für die frühen Karrieren eines Jonesmann, Jeyz, Lunafrow, Sezai und (!) Kool Savas bedeutete.

  • Roey Marquis II. »Herzessenz« (2002)

    Herzessenz

    Das Vorgänger-Album »Ming« zeigte bereits den neuen musikalischen Weg von Roey Marquis II. auf, dazu waren deutsche Raps auf den Beats der Frankfurter Produzenten-Stars nach langer Abstinenz wieder »erlaubt«. Nach meinem Empfinden ist »Herzessenz« das Album, das die neue Symbiose perfektioniert. Insbesondere auf Songs wie »Myself« mit einem frühen Chaker (später Bozz Music) und Samir oder »Karma« von Pal One und Vanessa Mason hört man Spuren von den Zeitgeist-Entwicklungen à la J Dilla und Hi-Tek, die ein weiteres Mal Roey Marquis als Erster nach Deutschland brachte. Außerdem auf »Herzessenz«: Das erste Zusammentreffen von Azad, Sezai, Jeyz und Chaker auf einem Song – Jahre bevor dem Beginn von Warheit.

  • Nordmassiv »Schlachtplatte« (2002)

    Auch wenn »Schlachtplatte« nicht der ganz große Rap-Meilenstein für Frankfurt war und auch wenn die Charaktere von Nordmassiv und dem Binding-Squad-Umfeld nie deutschlandweit für viel Furore sorgen konnten, so war doch keine Crew für das Frankfurter Rap-Bewusstsein so langatmig wichtig und prägend wie das Nordmassiv. Mit starker Verwurzelung in der Graffiti-Szene und viel Engagement in lokalen Projekten von Jams bis Politik schufen die Jungs vom Nordmassiv auch Brücken und Zusammenhalt in einer Zeit, in der viele Teile in der Frankfurter Szene immer zerstrittener waren. Insofern bleibt Nordmassiv bei den ganz großen Klassikern zu nennen, auch wenn es zwischen all den veröffentlichten Songs eben kein großes Album für die Ewigkeit gab.

  • Freunde der Sonne »Nur noch 24 Stunden« (2003)

    Freunde der Sonne

    Mit drei von vier Protagonisten aus Frankfurt, zählen wir diesen Deutschrap-Klassiker von 2003 mal guten Gewissens zum Frankfurter Katalog. Sicherlich nicht ganz unumstritten mit zwei Charakteren aus dem eher kommerziell-angesiedelten 3p-Lager (Illmatic und DJ Release) sowie DJ Katch aus dem Nordmassiv/Binding-Squad-Umfeld und der Berliner Ikone Kool Savas, war man sich nicht sicher, was man von diesem Album erwarten durfte. An einigen Stellen bewusst überzeichnet, an anderen näher am musikalischen Niveau der US-Vorbilder als alle anderen deutschen Releases, ist dieses Album in der Retrospektive vor allem eins: ein Mitschnitt einer Jam-Session auf höchsten musikalischen Niveau, eine Momentaufnahme und ein Experiment, dessen Resultat deutlichen Vorbildcharakter hatte, nach einem gefühlten Jahrzehnt der deutschen HipHop-Stigmatisierung die Köpfe öffnete und für dringend benötigte kreative Freiheit in der Rap-Szene sorgte.

  • Azad »Der Bozz« (2004)

    Wenn »Leben« der Meilenstein in Azads Karriere als Künstler und Musiker war, so ist »Der Bozz« das wichtige Album für seine öffentliche Wahrnehmung und den deutschlandweiten Durchbruch. Unfairerweise konnte Azad selbst von der von ihm losgetretenen Welle des deutschen Straßenraps nie so profitieren, wie er es verdient hätte. Aber mit »Der Bozz« konnte er zumindest beweisen, dass er sich musikalisch und raptechnisch auf höchstem Niveau bewegte. Beflügelt durch die Vision des eigenen Labels und der neuen musikalischen Unterstützung von Sti und Benny Blanco klang Azad nie besser und echter auf seinen eigenen Songs.

  • Jonesmann »Macht, Käse, Flows, Cash« (2004)

    Wenn die meisten Rapper aus Frankfurt tief in ihr eigenes Herz schauen, werden sie zugeben (müssen), dass Jonesmann immer zu besten Rappern der Stadt gehört hat. Ein wenig Loose Cannon, ein wenig gestraft von der eigenen Vielseitigkeit und definitv seiner Zeit voraus, konnte es Jonesmann mit jedem in diesem Land aufnehmen, sobald er nur sein Herz und seine Seele auf einen staubigen Beat spuckte. Als wir zusammen »Macht, Käse, Flows, Cash« planten und aufnahmen, wollten wir genau das zeigen. Dass wir dabei einen nachhaltigen Klassiker erschufen, war meiner Meinung nach erst so richtig ersichtlich, als Jonesmanns offizielles Debüt-Album »S.J.« zwar ein wichtiger und erfolgreicher Schritt für seine musikalische Karriere war, aber zumindest für mein Empfinden die Seele des Mixtape-Klassikers vermissen ließ.

  • Vega »Vincent« (2011)

    Vega - Vincent

    Vega stammt nicht gerade aus dem Herzen der klassischen, alten Frankfurter Rap-Strukturen, deswegen befand er sich schon immer eher am äußeren Rand der dortigen Rap-Landkarte. Und trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb?) gelang es ihm, neue und sehr erfolgreiche Wege für sich und sein Label Freunde von Niemand zu gehen. Besonders in einer Zeit, in der Rap aus Rhein-Main so tot wie schon lange nicht mehr war. Umso überraschender war sein Top 5-Chart-Einstieg mit einem Album, das niemand so richtig auf dem Schirm hatte. In der Retrospektive legte »Vincent« den Grundstein für ein kleines Indie-Label-Imperium und sorgte auch in der Frankfurt-fernen Künstler-Szene für viel Aufsehen.

  • Celo & Abdi »Hinterhofjargon« (2012)

    Celo & Abdi

    Celo & Abdis »Hinterhofjargon« ist vor allem eins: Der Beweis, dass die Zukunft von Rap aus Frankfurt nicht nur aus Haftbefehl besteht. Und die neue Generation hat ganz offensichtlich von den Fehlern ihrer kreativen Ziehväter gelernt: sie fackelt nicht lange, veröffentlich beständig und fleißig und wartet nicht auf den richtigen Moment, der vielleicht nie kommt. Der kommerzielle Erfolg spricht für die Jungs. Neben dem Straßen-Slang finden sich auf »Hinterhofjargon« jede Menge lyrische Querverweise, mit denen der altbackene 90er-Rap-Fan vielleicht gar nicht so gerechnet hat. Schön, dass Frankfurt dieses Alleinstellungsmerkmal auch nach 20 Jahren nicht abgelegt hat. Rap-Knowledge und Street-Smartness gingen hier schon immer mehr Hand in Hand als anderswo.

  • Haftbefehl »Blockplatin« (2013)

    Haftbefehl - Blockplatin

    In gewissen Kreisen kannte man den Namen Haftbefehl schon seit Jahren und ein Eindruck blieb seit seinem ersten offiziellen Release auf dem Echte-Musik-Sampler: Der Junge hatte das gewisse (atmosphärische und humoristische) Etwas, auch wenn es gerade bei seinen frühen Veröffentlichungen noch an einigen Raps deutlich gefehlt hat. Spätestens seit »Blockplatin« gehört Haftbefehl aber zur ersten Liga des deutschen HipHop und macht deutlich, dass seine kreative Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen ist. Mit dem stärksten Input von Frankfurter Slang seit D-Flame, Ebony Prince und Fast H und dem Ghetto-Pathos eines Azad, stürmt Haftbefehl die Charts und die Clubs – ein für Rap aus Frankfurt einzigartiges Phänomen.