2014 / THE RAP UP:
Die Songs des Jahres

2014 neigt sich langsam dem Ende zu – und damit auch unser Rückblick »THE RAP UP«. Allerdings fehlt da noch etwas. Genau: die unserer Meinung nach besten Songs des Jahres. Was wir hiermit ändern.

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Wer sich regelmäßig auf ALL GOOD herumtreibt, weiß: wir lieben Listen. Und wir wissen: ihr liebt sie auch. Was würde sich daher, kurz vor Jahresende und als Abschluss des ALL GOOD »RAP UP« besser anbieten, als die Song- und Album-Highlights dieses so vielschichtigen, erfolgreichen und spannenden HipHop-Jahres noch einmal hervorzuheben? Eben.

16 Autoren haben abgestimmt – und wir haben daraus die ALL GOOD Jahres-Charts unserer Edelfedern kompiliert. In der ersten von zwei Klickstrecken präsentieren wir euch heute, kurz vor Schluss und korrekt™ am Jahresende, die 15 unserer Meinung nach besten Songs des Jahres 2014.

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  • Platz 15 Antilopengang – »Enkeltrick«

    Ist das etwa ein Glockenbeat? Und traurige Streicher? Und politische Texte? Alter… SINGEN DIE?

    Die Antilopengang: nicht zuletzt in den Reihen von ALL GOOD polarisiert diese, auf einem, äh, Punk-Label gesignte Kombo. Auf den »Enkeltrick« – die vertonte Anleitung und Begründung dafür, wie und warum es okay ist, deiner Oma die Rente wegzunehmen – fielen dennoch so viele Stimmen, dass er diese Liste eröffnet. Und das ist gut so.

  • Platz 14 Action Bronson – »Easy Rider«

    »The Magic Johnson of the game / These lames don’t want to play with me / Smile on your face, but I really know you hatin‘ me«

    Bronsolino mit Rambo-, später Amerika-Stirnband auf und einem Blättchen Löschpapier im Kopf auf einer Chopper durch einen Tarentino-Streifen in den Sonnenuntergang fahrend. Begleitet von einem 70er-Jahre-Schlangenbeschwörer-Motiv. Wer sonst hat solche Kombos?

  • Platz 13 Mark Ronson feat. Mystikal – »Feel Right«

    Mystikal macht den James Brown, Mark Ronson den Funkbrother. Und überhaupt macht hier alles Sinn. Weil: Mystikal fühlt sich korrekt in diesem Mutterfi… Er fühlt sich gut in diesem Mutterfi… Hier-und-Jetzt-Funk par excellence in diesem Mutterfi… »Don’t believe it ’cause I’m sayin‘ it / Believe it ’cause I’m tellin‘ ya!«

  • Platz 12 Mädness – »Maggo«

    Is de, is de, is de Gude, Baby! Darmstadt kann’s noch – besser denn je. Gibmafuffi reaktiviert seinen outstanding Tschingderassabumm-Loop und Mädness haut einem links und rechts die schallernden Backpfeifen um die Ohren. Back to the roots und für die hood. Rrrrouah!

  • Platz 11 Drake – »Trophies«

    Albumüberbleibsel heißt bei Drake Jahresbestlisten-Material. Nun ja, stimmt nicht ganz. Drake verschenkte »Trophies« gemeinsam mit dem nicht weniger guten »We Made It« am 30. Dezember 2013 über sein Soundcloud-Profil. Eigentlich sind wir hier also zu spät. Und eigentlich hätte der Song eben auch auf »Nothing Was The Same« sein sollen. Aber eigentlich ist das auch egal, denn »Trophies« ist Drake in Reinform: exzellentes Humble Braggin‘, nicht nur ein, sondern gleich mehrere Hochs auf die Freundschaft, kurze Tränendrüsen-Pause für alle Scheidungskinder und eben jenes Changieren zwischen Rap-Rap und Gesang-Gesäusel. Gut, Champagner in der Badewanne trinken ist jetzt nicht das Verrückteste, was man tun kann – aber dann bestellt er halt noch seine Getränke mit einem Walkie-Talkie. (Dafür sollte er eigentlich einen Pokal bekommen.)

  • Platz 10 Lil Herb – »Koolin'«

    Lil Herb ist eindeutig ein Kind der Chicagoer Drill-Bewegung – jung, aggressiv, ruppig und brandgefährlich. Aber Herb ist eben auch ein Student der großen Harlem-MCs wie Big L oder Cam’ron. Wahrscheinlich hat er deswegen eine bessere Technik als sein Kollege Lil Bibby. Nun spielt Technik auf einem Song wie »Koolin’« eher eine untergeordnete Rolle. Atmosphäre ist auf diesem Bassline-/Snare-/Galeeren-Chor-Monster hier König. Und wie. Tuuuuune!

  • Platz 9 Haftbefehl – »Lass die Affen aus'm Zoo«

    Baba Haft lässt die Primaten aus ihrem Gehege und Deutschraphausen geht steil. Natürlich. Auch wenn hier das eine oder andere ein wenig an Kaaris‘ Original erinnert, gelingt Hafti mit »Lass die Affen aus’m Zoo« eine Über-Single im »Chabos wissen wer der Babo ist«’schen Sinne. Weil Haft noch mehr seine eigene Stimme gefunden hat. Und weil hier einfach alles passt. »Azzlack, Baba Haft, Motherfuck, Nummer 1.«

  • Platz 8 iLoveMakonnen – »Tuesday«

    Eine Hymne auf den Dienstag – wenn es irgendetwas nicht gebraucht hätte, dann das. Und dann kam der 25-jährige iLoveMakonnen aus Atlanta und zauberte eine echte Trap-Ballade mit einem tumben 808-Sound, der in seiner Simplizität so effektiv wie genial ist. Das OVO-Signing und nicht zuletzt die Grammy-Nominierung sind die Konsequenz. Eine Konsequenz, aus einem ureigenen Style und einer kämpferischen DIY-Arbeitseinstellung: »Made it on my own / I made my own style.«

  • Platz 7 Drake – »0 to 100 / The Catch Up«

    Drake regiert auch in den Jahren, in denen er gar keine Alben veröffentlicht. »0 to 100 / The Catch Up« ist nur einer von vielen Tracks, die der Kanadier über seinen eigenen Soundcloud-Kanal der Öffentlichkeit preisgab. Aber wahrscheinlich der beste. Weil er auch hier sein genial eigenes Wechselspiel zwischen Machismo und Verständnis-Hudelei auslebt. Der infektiöse Beat perpetuiert sich dazu ähnlich wie einst auf »Headlines« ins Unendliche und Drake feiert sich selbst wie Hölle – um dann kurz mal an sich selbst zu zweifeln. Wie sagt er? »Know yourself, know your worth.« Ausrufezeichen!

  • Platz 6 Travi$ Scott feat. T.I. – »Quintana Pt. 2«

    »Es orgelt, es klimpert, es wummert, es kracht« schrieb Anthony Obst in der Review zu Travi$ Scotts Mixtape »Days Before Rodeo«. Das tut es immer noch: »Quintana Pt. 2« läuft sich vermutlich niemals tot. Dieser endzeitlich synthetische Kunstgriff aus brachial eingängigem Akkord- und Autotune-Championat wird, Kunstgriff zwei, mittendrin kurz von einem sportlichen T.I.-Part gebrochen, nur um dann – Kunstgriff drei – etwa eine halbe Oktave höher wieder dort anzusetzen, wo es kurz zuvor eh schon um einen geschehen war. Wahnsinn.

  • Platz 5 Cam’ron & A-Trak – »Dipshits«

    Auch wenn wir alle schon wieder die Throwback-Jerseys aufgebügelt und die Evisu-Jeans bei Muttern vom Dachboden geholt haben, hielt die plötzliche Reaktivierung des Sets durch A-Trak sowie die Herren Killa Cam, Santana und Dash nicht allzu lange an. Aber für einen kurzen Moment, im Frühling diesen Jahres, war es noch mal ganz kurz 2003.

  • Platz 4 Hit-Boy feat. HS87 – »Grindin' My Whole Life«

    Der Hit-Boy hat die Hits. Klingt jetzt nicht außergewöhnlich, aber ist halt so. HS87 ist seine Crew, bei der unter anderem auch sein Papa, der bis vor Kurzem noch hinter Gittern saß, dabei ist. Auch das ist jetzt keine sonderlich großartige Voraussetzung für einen Hit oder gar große Kunst. Aber dann gibt es da eben »Grindin‘ My Whole Life« – ein Catchphrase-Lehrstück, ein infektiöses Wiederholungs-Monster und eben ein großartiges Beispiel dafür, wie ein HipHop-Song im Jahr 2014 sein muss, um zu funktionieren.

  • Platz 3 Flying Lotus feat. Kendrick Lamar – »Never Catch Me«

    Dass es tatsächlich ganze fünf Alben gebraucht hat, bis überhaupt irgendjemand auf einem FlyLo-Album rappt, spricht bereits Bände. Die meisten können es halt einfach nicht. Da muss eben der beste Rapper der letzten zehn Jahre kommen, um eine Free-Jazz-Schönheit aus Bassline und Drums im Zaum zu halten. Auf »Never Catch Me« treffen mit Kendrick Lamar und Steven Ellison zwei Genies aufeinander, die beide aus Los Angeles stammen – und obwohl sie zwei entgegengesetzte Enden eines Spektrums repräsentieren, sitzen sie ganz nahe nebeneinander. »Never Catch Me« ist zeitlos, so zeitlos wie das Thema Tod, das der Song und auch FlyLos gesamtes Album »You’re Dead« behandelt.

  • Platz 2 Dexter feat. Audio88 & Yassin – »Dies das«

    Mit »Dies das« gelingt Dexter, Audio88 & Yassin der normalste Hit des Jahres. Meta-Ebenen-Rap für Sachkundige auf samtweichen Wohlfühl-BoomBap vom Kinderarzt-Platin-Produzenten und dem normalsten Deutschrap-Duo. Oder aber: eine echte Hustle-Hymne, eine Ode an das Multitasking, ein Lobgesang an die menschlichen Möglichkeiten, ein Appell, dass man sich gut und gerne auch mit mehreren Dingen beschäftigen kann – wenn man eben nur will.

  • Platz 1 Skepta feat. JME – »That's Not Me«

    Unterhalten sich zwei HipHop-Fans Anfang 2014. Sagt der eine: »Der Track des Jahres wird ein Grime-Song!« Das ist nicht nur ein schlechter Witz, sondern wäre eigentlich auch unvorstellbar gewesen. Nun geht dieses Jahr aber zu Ende und die Grime-Legende Skepta hat »That’s Not Me« gemacht. Und »That’s Not Me« hat mit unfickbarem Protagonisten, Punchlines, Zitat-würdigen Zeilen, Traum-Beat und außergewöhnlichem Video alles, was ein Song des Jahres braucht – aber »That’s Not Me« taugt auf der anderen Seite eben auch gar nicht als Aushängeschild für irgendwas. Und gerade deswegen ist es eben der perfekte Song. Eigendefinition durch Abgrenzung sozusagen. #thatsnotme