12 Essentials von Wise Intelligent

Der Katalog von Wise Intelligent von den Poor Righteous Teachers erstreckt sich über drei Dekaden, in denen ein ganzes Genre mehrere Transformationen durchgemacht hat. Doch beim Blick auf ein Dutzend Essentials zeigt sich, dass Wise Intelligent erstaunlich gut durch die Zeit gekommen ist.

WiseIntelligent
Wise Intelligent ist Benjamin Button. In 30 Jahren ist der nunmehr 50-Jährige nicht nur kaum ersichtlich gealtert, auch als MC ist er eher besser als schlechter geworden. Und wie viele Rapper können das im schnelllebigen Rap-Geschäft schon von sich behaupten? Ohne nostalgisch in der Vergangenheit zu verharren und alten Moden nachzutrauern, aber auch ohne sich bei der jüngeren Generation anzubiedern, hat sich Wise Intelligent als Künstler weiterentwickelt, der zwar längst außerhalb des allgemeinen HipHop-Radars stattfindet, dort aber souveräner denn je. Die folgende Auswahl soll diese Entwicklung nachzeichnen.

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  • Poor Righteous Teachers »Rock Dis Funky Joint« (1990)

    Der Klassiker und größte Hit der armen rechtschaffenen Lehrer. Das ungeclearte Sample von Wars »Slippin‘ Into Darkness« brachte den Poor Righteous Teachers 1990, kaum im Game, prompt Ärger ein. Die Schuld gaben sie dem »weißen Teufel«, der den Track produziert hatte: Tony D. Wie auch immer. Im PRT-Katalog fällt der Song aber auch noch aus einem anderen Grund etwas aus der Reihe. Er ist langsamer als das Gros der PRT-Tracks. Folglich ist Wise Intelligent gleich in seinem Einstieg förmlich anzuhören, wie er seinen Flow zügeln muss. »Time to get funky-new-radical hip as I get to the point«, überschlägt sich Wise da double-time-esk, um sich gleich darauf wieder auszubremsen. »Rock this funky joint! Wait a sec….!« Dabei sind es gerade die schnellen, singsang-artigen Raps, die unter Zuhilfenahme von Raggamuffin-Styles auch wunderbar funktionieren und einen Großteil von Wise Intelligents Portfolio ausmachen. Dazu die stets auf Inhalt bedachten Lyrics. Dass das eine (Inhalt) nicht ohne das andere (Style) funktioniert, stellt er bereits in »Rock Dis Funky Joint klar«: »Style be the lyrics I be kicking, intelligence be ticking / So it’s symbolic to a bomb« Symbolische Bomben, die hochgehen. Und in dem Video tanzen drei junge HipHopper, denen die Freude an ihrem kommerziellen Durchbruch buchstäblich anzusehen ist. Die Moves von Wise Intelligent sollen auf der Straße seinerzeit übrigens den »Wise-Intelligent-Dance« geprägt haben.

  • Poor Righteous Teachers »Easy Star« (1991)

    »Culture Freedom, come back with me, apple pie!« Die Poor Righteous Teachers laden 1991 zum Videodreh ein und gewähren dem voyeuristischen Hörer vorm Fernseher Einblick in Divine Land. Die jungen Bewohner der Sozialbauten von Nord-Trenton zeigen sich von ihrer besten Seite und feiern eine große Party. Der Beat von Tony D lässt ihnen auch keine andere Wahl. Und Wise Intelligent flowt auch im Cowboy-Look wie gewohnt extrem energiegeladen. Spätestens auf Album Nummer 2, »Pure Poverty«, bricht der Einfluss von Reggae- beziehungsweise Dancehall-Musikern wie Yellowman oder Eek-A-Mouse bei Wise Intelligent vollends durch. Fast toastet Wise mehr, als dass er rappt. Aber warum auch nicht?! Dazu liefert Culture Freedom die Adlibs, Father Shaheed die Scratches und die Feature-Gäste Long Man und Lego Man besorgen den Chorus. Ein Fest.

  • Professor X »Close the Crackhouse« (1993)

    Ein Monstrum von Posse-Track! Der zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Professor X vom mächtigen X-Clan lädt auf seinem zweiten Soloalbum zum Ständchen (Mit was für einem Einstieg in seine Strophe!), um ein Zeichen gegen die Folgen der grassierenden Crack-Epidemie zu setzen. Es ist 1993, die goldene Ära neigt sich bereits ihrem Ende zu, aber es wird noch einmal geschlossen Flagge gezeigt: von Big Daddy Kane über Chuck D und Digital Underground bis hin zu Freedom Williams, dem Five Percenter, der vor allem für sein Dancefloor-Projekt C&C Music Factory bekannt ist. Klar, dass Wise Intelligent da nicht fehlen darf. »Nuff disprespect to the drug dealer, crack sellin black killers, stop!«, fordert Wise Intelligent hier. Und auch an dieser Stelle tritt wieder die ungeheure Energie zutage, die aus jedem einzelnen Rap dieses eher kleingewachsenen Rappers spricht und den Track nach den Strophen von Professor X und Brother J noch mal extra Fahrt aufnehmen lässt. Eine MC-Eigenschaft mit Seltenheitswert. Nicht mit von der Partie ist Oberlehrer KRS-One. Der von ihm vertretene Humanismus wurde vom X-Clan aus dem Blackwatch Movement abgelehnt. Beef war die Folge. Dafür lädt KRS-One nach »Self Destruction« (1989) und »Heal Yourself« (1991) 2008 mit »Self Construction« zu einem weiteren Conscious-All-Star-Track, auf dem auch Wise Intelligent vertreten ist. Professor X starb 2006 an einer Hirnhautentzündung. Der Sohn von Aktivist Sonny Carson wurde 49 Jahre alt. RIP.

  • Poor Righteous Teachers »Black Business« (1993)

    1993 hat sich der Five-Percenter-Horizont der Götter von Poor Righteous Teachers geweitet. Auf dem Cover von Album Nummer 3 ist das Wappen der Nation of Gods & Earths in einen Davidstern eingebettet. Im Selbstverständnis der Bewegung der Black Hebrews oder auch der Rastafari handelt die in der Bibel festgehaltene Geschichte der Juden von den aus Afrika nach Amerika verschleppten Schwarzen. »Die Zahl Sieben steht für den schwarzen Gott, 144k sind die auserwählten Kinder Abrahams und andere Nachhilfestunden in Zahlenmystik erschweren den Zugang für weiße Nordländer«, befindet die »taz« im Oktober 1993 über das Album »Black Business« in einer Ankündigung eines Konzerts der Poor Righteous Teachers und empfiehlt, sich im Zweifel einfach auf den Sound zu konzentrieren. Der ist auf diesem Album, für das Poor Righteous Teachers den Großteil der Produktion erstmals selbst in die Hand nehmen, eher sperrig. Ganz anders der von Tony D produzierte Titeltrack, auf dem Wise Intelligent flowt wie ein junger, äh, Gott. Der auch einem eher gediegenen Beat die unverhoffte Extraportion an Leben einzuhauchen weiß.

  • Poor Righteous Teachers »We Dat Nice« (1996)

    In rein musikalischer Hinsicht einer der nicesten Poor Righteous Teachers-Tracks überhaupt. Enthalten auf dem 1996 erscheinenden Album »New World Order«, produziert von Father Shaheed. Wie auf dem gesamten Album ist das Tempo auch von diesem Beat im Vergleich zu den Vorgänger-Alben langsamer, die Raps von Wise Intelligent eher klassischer Natur. Dabei treten die Ragga-Styles zwar in den Hintergrund, jedoch ohne dass die Flows an Melodie und Energie verlieren. Der bittere Beigeschmack dieses Gems hier ist das zutage tretende Abdriften Wise Intelligents in die Welt der Verschwörungsmythen. Bei aller Liebe zu der dopen Delivery dieses Ausnahme-Rappers: Auch das ist Wise Intelligent.

  • Wise Intelligent »Israelites (This Uprising)« (2006)

    »All white people ain’t evil, they all ain’t racist / Just don’t ask them for reparations!«, rappt Wise Intelligent hier. Tatsächlich steht eine Reparationszahlung für die Sklaverei in den USA weiterhin aus. Einmal weißer Teufel immer weißer Teufel? Nein, sagte Wise mal in einem Interview mit »Backspin«. Aber er sehe auch nur wenige Weiße, die sich gegen Rassismus auflehnen, so wie es etwa der Amerikaner John Brown im 19. Jahrhundert mit der Waffe in der Hand getan habe. Inzwischen seien ihm die Weißen schlichtweg egal, wie er mal in einem Post auf Facebook schrieb, wo er jahrelang sehr aktiv war und sich Diskussionen durchaus stellte. Was ihn aber nicht daran hindert, auch nach PRT-Hausproduzent Tony D mit weißen Heads zusammenzuarbeiten, wie dem Produzentenduo Blue Sky Black Death oder den Snowgoons aus Deutschland. Ansonsten: Wann sind im HipHop schon Rapper der älteren Garde zu hören, die sich nach jahrelanger Funkstille mit so einer Power und Dopeness wie hier zurückmelden? Der Track, für den mit Rahzii Hi-Powa ein langjähriger Wegbegleiter den Refrain liefert, ist auf dem nicht minder kraftvollen Mixtape »Blessed Be The Poor?« enthalten, mit dem Wise Intelligent im Jahr 2006 nach jahrelanger Versenkung seine Rückkehr ins Game markiert.

  • Wise Intelligent »A Genocide« (2007)

    Ein Brett von Track. Rap- wie Beat-technisch, produziert von Paul »PJ« Little Jr. und Wise Intelligent selbst. Eine große Stärke, der sich Wise durchaus bewusst ist, ist es Intellektualität cool aussehen zu lassen. Dementsprechend hat Wise auch das todernste Thema verpackt, um das es hier geht. Weitaus konkreter und anschaulicher noch als zu PRT-Zeiten. In der ersten Single-Auskopplung seines 2007 erscheinenden Comeback-Albums »Wise Intelligent Iz… The Talented Timothy Taylor« schildert Wise Intelligent aus der Perspektive eines jungen Schwarzen, wie sich in den 1980er Jahren der vom CIA geduldete Schmuggel der nicaraguanischen Contra-Rebellen von Kokain in die USA, die damit ihren Guerillakrieg gegen die linke Regierung der Sandinisten finanzieren, in Form der Crack-Epidemie auf sich und seine Umgebung auswirkt: verheerend. »Now I’m sitting in a 6 x 10, got life with no parole / Crack life done stole my soul, and a nigga got all the blame / I’m talking tons of crack flying cross the border black / I ain’t have no part in that, where my planes and vessels at?!«, rappt Wise. »Now the government ›war on drugs‹ making it look like I’m the reason«. Rick Ross lässt grüßen. Der Dealer, von dem der Rapper den Namen übernommen hat. Dieser Kokainschmuggel mündete in der Crack-Epidemie, die von der CIA in Kauf genommen wurde, befand 1996 der Investigativjournalist Gary Webb (1955-2004) in einer Artikelserie. Die Lesart von Wise Intelligent geht noch einen Schritt weiter: Demnach sollte hier an der afroamerikanischen Bevölkerung, die von der Crack-Epidemie besonders stark betroffen war, ein Genozid vollzogen werden. Was den Titel des Tracks erklärt.

  • Wise Intelligent »Still Black« (2006)

    Ein Wahnsinn von Rap-Song. So gut wie jedes einzelne »black«, das Wort, das in jedem zweiten Takt fällt, ist ein Sprach-Sample für sich. Der Track strahlt größtmögliche Hoffnung aus und sorgt für die dementsprechende Stimmung. Ganz großes Kino. Erschienen ist der Song zuerst 2006 auf dem Album »Exodus Into Unheard Rhythms« von Oh No, der den Song folglich auch produziert hat. Zu dem Zeitpunkt hieß er noch »Black« und war wohl als Wise Intelligents Comeback-Song gedacht, wie die Eröffnungsworte vermuten lassen. Weil er ein Jahr später auf Wise Intelligents Album »The Talented Timothy Taylor« erschien, das ursprünglich bereits 2005 erscheinen sollte, wurde er in »Still Black« umbenannt.

  • Wise Intelligent »Water Walker« (2011)

    Falls noch irgendwer von den MC-Qualitäten von Wise Intelligent überzeugt werden muss, dann entweder hiermit oder gar nicht mehr. So wie Jesus übers Wasser ging, flowt Wise über dieses Brett von Produzent Masada. Als entlüde sich Wise Intelligents gesamtes Skill-Repertoire gebündelt in diesem einen Track. Mal rappt er schnell, dann wieder langsam, und hier und da lässt er wohldosiert seine Dancehall-Anleihen einfließen. So routiniert, dass man die wie gewohnt conscious Message, die Wise Intelligent auch hier verkündet, für Beiwerk halten könnte. Tatsächlich ist sie nur als Battle-Rap verkleidet. Eine Blaupause für Delivery. Ein Meisterstück. Im Video wird dem »unconkable Djezuz Djonez« mit einem großen Graffiti-Bildnis gehuldigt, für das auch Wise selbst die Dose in die Hand nimmt. Und wie sich die Rapper hierzulande nach einem neuen Stieber-Twins-Album sehnen, dürstet es Wise Intelligent im Jahr 2011 nach neuem Input aus der Native Tongue Family: »Shout out to the Jungle Brothers, make another record, please! / It’s hard out here for a G like me to learn anything from these MCs«. Der unbesiegbare Übers-Wasser-Geher hat gesprochen. Bow down.

  • Wise Intelligent »Stuck (A Lesson In Rhyme)« (2016)

    »Proper Education Always Counters Exploitation«. »PEACE« ist das Akronym, das Wise Intelligent hier fabriziert. Und friedlich ist auch der Vibe dieses herzerwärmenden Tunes, produziert von DJ Pocket aus Baltimore für das Album »Wise Intelligent Iz… Stevie Bonneville Wallce« (2016). So schön kann politischer Rap klingen. Eigenen Angaben zufolge nimmt Wise Intelligent hier eine sozioökonomische und politische Interpretation des »Ghettolebens« vor, das im Gegensatz zu dem rassistisch inszenierten Bild davon steht, während mehrere und neu zusammengesetzte Sprachsamples aus »Smile For Me Now« von Altvater Scarface für den entsprechenden Chorus herhalten: »I often wish that I could save everyone, hopin‘ it change, too many stuck inside a ghetto fantasy, and a man without a focus, life could drive him insane«. Salute!

  • Wise Intelligent »Good Morning« (2018)

    Musikalisch nicht weniger harmonisch geht es in »Good Morning«. Auch wenn es dabei unter anderem um Polizeigewalt geht. Dabei stellt Wise Intelligent einmal mehr seine lyrischen Skills unter Beweis, die sich dem Nicht-Muttersprachler manchmal erst dann erschließen, wenn der Maestro zum »Behind Barz«-Tutorium auf YouTube lädt. »I express how I feel, and though I could still have my life taking«, rappt Wise. Und? »Feel and though I could still…«, das, klärt Wise Intelligent auf, bedeutet rein phonetisch auch: Philando Castile. Damn. Es ist der Name eines Afroamerikaners, der 2016 Tochter im Zuge einer Fahrzeugkontrolle in seinem Auto im Beisein von Tochter und Freundin von der Polizei erschossen wurde. Der Polizist wurde von der fahrlässigen Tötung freigesprochen.

  • Wise Intelligent »85« (2018)

    Mit einem weiteren Track vom großartigen »Ponzie«-Album schließt sich der Kreis. Auf einem massiv scheppernden Drumbeat, wie er Mitte der 80er Jahre populär war, rekapituliert Wise Intelligent, wie er 1985, noch kein Gott, sondern unzivilisierter Barbar, »in dem dopesten kritischen Moment«, zu HipHop fand. Eine Liebeserklärung. Seinerzeit nennt sich Wise Intelligent noch Ponzie. Am Ende des Songs verweist er auf die »höhere Mathematik«, die hinter dem Namen steckt. In den »Supreme Mathematics« der Nation of Gods & Earths steht jeder Buchstabe für eine Zahl im Alphabet, A für 1, B für 2 und so weiter. Zählt man die Zahlen der Buchstaben von Ponzie zusammen, erhält man 85. Und das, ein 85er, sei er damals noch gewesen: dumm, taub und blind. Bis ihm die Nation of Gods & Earths die Augen öffnete und er zum Five Percenter wurde, der die »Wahrheit« kennt, die die zehn Prozent vor der Masse zurückhalten wollen. So gesehen ergibt alles Sinn.