12 Deep-Essentials von Drake

Gestern hat Drake spontan die »Dark Lane Demo Tapes« veröffentlicht. Ehe im Sommer Album Nummer 6 aus der 6 erscheint, gibt’s darauf 14 Leftovers, Loosies und Liegengebliebenes. Davide Bortot hat zwölf weitere, gerne vergessene Aubrey-Tunes zusammengestellt.

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Deep Cuts von Drake gibt es eigentlich nicht. Seine Karriere als Musiker hat vollständig in der Internet-Ära stattgefunden und ist dementsprechend wohl dokumentiert. Vor allem stand Drake in diesen 14 Jahren, zumindest aber in den letzten zehn davon, in der Aufmerksamkeitshierarchie der Popwelt stets ganz oben. Die Streamzähler rattern bei ihm selbst dann in Rekordgeschwindigkeit, wenn er – wie gestern geschehen – einfach nur seine Producer die Cloud aufräumen lässt. So finden sich auf dieser Deep-Cuts-Liste Songs, mit denen andere Rapper 20 Jahre lang Ehrenrunden durch Europa drehten. Trotzdem: zwölf nicht ganz so offensichtlich essentielle Drake-Songs, die man sich mal wieder anhören könnte.

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  • Drake »Make Things Right« (2006)

    Im Herbst 2005 drängte ich darauf, dass ein Rucksack auf das Cover der »Juice« zu nehmen sei: ein Drängen, dem sowohl von übergangenen Rappern als auch vom Endkonsumenten mit einigem Argwohn begegnet wurde. Wer die Sache mit Sicherheit verstanden hätte, ist Drake. Der nahm zu dieser Zeit sein erstes Mixtape »Room For Improvement« auf. Darauf erinnert er über weite Strecken an einen jungen, übermütigen, leicht angeschwipsten Phonte. Zum Beispiel auf diesem Song – produziert übrigens von Boi-1da, der ebenfalls seinen Sound noch nicht gefunden hatte. Wer das Mixtape nicht kennt, hat nicht allzu viel verpasst. Das Geheimnis von Drakes Erfolg aber war schon angelegt. Ein weiteres »Southern Smoke«-Tape, das im Okayplayer-Forum Liebe bekam und bedenkenlos auch Lisa aus der 10b gebrannt werden konnte, ist mir jedenfalls nicht bekannt.

  • Drake »Houstatlantavegas« (2009)

    Ein paar Jahre später rappte Drake dann wie Lil Wayne. Hier rappt er ausnahmsweise wie »Graduation«-Ära-Kanye. Aber (a) gibt es Schlimmeres und (b) zeigt er in der Hook zum ersten Mal seine ureigene Fähigkeit, auch solche Orte vor das innere Auge zu zaubern, die es gar nicht gibt. Diese Fähigkeit macht ihn zum universellsten Rapper, den es je gegeben hat. Das Drake-Feel ist für alle, ob in Houstatlantavegas, Harare, Heinsberg oder wo auch immer es noch Träume gibt.

  • Drake »Up All Night« feat. Nicki Minaj (2010)

    Die Beziehung zwischen Drake und Nicki war immer unklar. Unbestritten ist, dass die beiden in der Booth eine außergewöhnliche Chemie unterhielten. »Up All Night« ist ihr bester gemeinsamer Song. Wie Boi-1da bei Nickis Einstieg den Bass rausdreht und dann pünktlich zur Schlüsselline wieder rein krachen lässt, ist perfekt und eines von vielen Beispielen für die außerordentliche Liebe zum Detail im Hause OVO. Oder wie Alibi sagen würde: Lass noch richtig durchdrehen jetzt.

  • Drake »Lord Knows« feat. Rick Ross (2011)

    Dass »Take Care« das beste Drake-Album ist, ist eh klar. Der beste Song, den alle kennen und wenige nennen, ist »Lord Knows«: mit extra großem Just-Blaze-Beat, Snoopy-Line (Bonus bei mir) und einer vollendeten schlafwandlerischen Selbstverständlichkeit im Abliefern der immernächsten Zeile, die selbst die besten Rapper nur einmal in ihrer Karriere erreichen. Drake erreicht sie immer wieder, auch im hohen Alter. Hier vielleicht zum ersten mal.

  • DJ Khaled »I’m On One« (Sinjin Hawke Remix) (2011)

    Drake ist auf diesem Remix nicht mehr zu hören. Dennoch steht er beispielhaft für die Soundrevolution, die das OVO-Camp vor einer Dekade angezettelt hat. Was wäre SoundCloud ohne Drake, 40, Boi-1da, T-Minus und Oliver? Auf jeden Fall leerer. Heavy heavy monster sound in schwerelos.

  • Rick Ross »Stay Schemin’« feat. French Montana & Drake (2012)

    Bösedrake ist immer ein bisschen belastend. Dieser Song aber ist so ein verdammter Klassiker, dass man ihm nachsieht. Der Powermove ist, dass, obwohl ja eigentlich Drake für den Singsang zuständig ist, er hier einen schnurgeraden Rap-Part kickt, während French die Traditionslinie von »Many Men« über Max B weiterführt. Bemerkenswert ist auch, wie Drizzy die lyrische Komplexität mit voller Absicht runter schraubt und, folgerichtig, ausgerechnet mit der Dulli-Line »You like the fuckin‘ finish line, we can’t wait to run into you« im Gedächtnis bleibt. Hood-Hymne ist halt Hood-Hymne. Es gibt und gab nie einem Rapper mit so einem feinen Gespür für das Wesen eines Songs.

  • Wizkid »Ojuelegba« (Remix) feat. Drake & Skepta (2015)

    Nicht der beste Drake-Verse, aber ein hervorragender Grund, auf Skeptas epochales Mixtape mit Tim Westwood hinzuweisen, das mehr noch als die beiden Alben die im wahrsten Sinne des Wortes fabelhafte zweite Karrierehälfte des Grime-Veteranen definiert. Skeppys Part ist alles, conscious und cocky zugleich, simpel und deep, Message und Musik in vollendeter Einheit. Real talk einer meiner zehn liebsten Rap(ish)-Songs aller Zeiten.

  • Drake »Weston Road Flows« (2016)

    Mit 90s-R&B-Referenzen gewann man auch im Frühsommer 2016 keine Originalitätspreise mehr. Wie 40 und Stwo hier aber die emotionale Essenz aus Mary J. Bliges »Mary’s Joint« pressen, ist genial: näher an Burial als an all dem Alt-R&B-Amateurtum, das zu jener Zeit die »Blogs« belangte, die es längst nicht mehr gab. Überhaupt ist »Views«, bei aller Zerfahrenheit, eine Lehrstunde für die kreative Verwendung von Vocal-Samples post Kanye. Drake und 40 zitieren sich auf dem Album einmal durch ihre Einflüsse: Brandy, DMX, Pimp C, Beenie Man, Mavado, Minneapolis Sound, Memphis-R&B, New Orleans Bounce und natürlich…

  • Drake »One Dance« (Popcaan Dub) (2016)

    In Deutschland ist der Red Bull Culture Clash der Abend, an dem ein Mann einem anderen Mann aufs Maul gehauen hat und später ein Plastikpenis aufgeblasen wurde. In England ist er eine kulturelle Institution, die sogar euer bester Freund Stormzy in einem wichtigen Song erwähnt hat. 2016 spielten Mixpak und Popcaan als letzten Tune ein »One Dance«-Dub. Das Video vermittelt nur eine Ahnung des Moments, aber wie die Vocals aus dem UK-Funky-Klassiker »Do You Mind?« reinkommen, ist ein ewiger Gänsehautkick und der ultimative Beleg dafür, dass Frühwerk-Fanboys Drake nie geliebt haben. How’s life in London? In solchen Momenten beste.

    Random Bonus.

  • Drake »Blem« (2017)

    »Blem« war der sog. Fokustrack der sog. Playlist »More Life«. Oder wie man in Schwaben sagt: Spotify muss Aubrey überweisen. Ein Superhit wie »One Dance« oder zumindest »Controlla« ist dieses Future-Dancehall-Broken-Beat-Monster nie geworden. Warum, weiß ich, ehrlich gesagt, auch nicht.

  • Drake »Behind Barz« (2018)

    Wenn sich jemand stilvoll anzubiedern weiß, dann Drake. Dieser komplett nicht gefreestylte und auch sonst straff durchdesignte Freestyle für den britischen YouTube-Channel Link Up TV (der später auch als Bonustrack auf dem »Top Boy«-Soundtrack erschien) ist das beste Beispiel dafür. When in London, do like the roadmen do.

  • Drake »Demons« feat. Fivio Foreign & Sosa Geek (2020)

    Drakes Track Record in der sensiblen Grauzone zwischen A&R’ing und Appropriation ist legendär. Zuletzt ritt er unter anderem geschickt die neue Welle von Memphis-Rap, die er gleichwohl anschob. Natürlich ist auch Drill nicht sicher vor Drizzys Liebe. Der Song mit den beiden Newcomern aus Brooklyn ist das Highlight von den »Dark Lane Demo Tapes« und hat das Zeug, diese Sammlung von Flow-Fingerübungen deutlich zu überdauern.