Eko Fresh »Wir wollten die Welt übernehmen.«

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Er war, ganz objektiv betrachtet, das größte Talent, das deutscher Rap je hervorgebracht hat. Noch ganz grün hinter den Schlitzohren und nicht mal volljährig, aber mit einer unglaublichen Arroganz und HipHop-Knowledge von Mönchengladbach bis Harlem gesegnet, schlug Eko Fresh 2001 in der Szene auf. Seine »Jetzt kommen wir auf die Sachen«-EP hat bis heute keinen Deut von ihrer Freshness und Kompromisslosigkeit eingebüßt. Dass der von Kool Savas unter die Fittiche genommene Ekrem Bora Deutschrap in den Jahren darauf maßgeblich geprägt und den Weg für Dipset Deutschland und selbstironischen Straßenrap gleichermaßen geebnet hat, steht außer Frage.

Fragen hatte ALL GOOD-Redakteur Jan Wehn aber dennoch. Denn so jung und hungrig sich Bora E zu Beginn seiner Karriere gab, so verwirrt und geschmacksverkalkt klangen seine Releases mitunter in den letzten Jahren. Und außerdem hat er auf sein erstes Eko-Fresh-Interview mehr als zehn Jahre gewartet. Klar, dass sich da ein paar Fragen angehäuft haben. Folglich gestaltete sich das Gespräch auch weniger als Promo-Q&A zu »Deutscher Traum« oder die anstehende Tour, sondern mutierte binnen Sekunden zum euphorischen Throwback-Talk über Kuriositäten zwischen Tri-Top-Sirup, ignoranten Rhymes, der Weltübernahme von Optik Records und unnötigen Torch-Disses.

  • Mir ist bei der »Jetzt kommen wir auf die Sachen«-EP damals sofort dein Style aufgefallen, der sich ganz klar von dem der damals sonst so präsenten Rapper unterschieden hat.

  • Meine ersten Aufnahmen klangen noch sehr nasal. Ich hatte meine Stimme damals einfach noch nicht gefunden und irgendetwas auf Englisch ins Mikrofon gerappt. Aber ich wusste schon sehr früh, was eine Zeile ist oder was sich so reimen muss. Das hatte ich mir aus dem amerikanischen HipHop angeeignet. Und dann habe ich zusammen mit Kingsize, der jetzt ja viel für Selfmade Records macht, angefangen auf Deutsch zu rappen. Wir waren auf Open Mics und haben überall gerappt, wo wir nur konnten. Und da hat sich schnell herauskristallisiert, dass ich das sehr ernst genommen habe und auch einen wirklichen Draht zu der Sache und vielleicht auch das meiste Talent dafür hatte.

  • Ich fand, du klangst damals schon sehr fresh und vor allem hungrig. Woher kamen deine Einflüsse?

  • Von einem Samy aus Hamburg, aber später auch von Savas. Eigentlich war mein Style eine Mischung der beiden.

  • Was hast du dir von den beiden ganz konkret angeeignet?

  • Bei Samy war es die Reimtechnik und die Art, wie ein MC sich selbst loben kann. Das hat mir bei Samy immer gefallen. Alleine durch seine Art hatte ich immer das Gefühl, er wäre der krasseste Rapper überhaupt. Dann kam irgendwann Savas dazu. Und als ich den das erste Mal auf »Ihr müsst noch üben … « von STF gehört habe, war mir klar: »Das ist es! Da ist noch jemand, der Türke ist und so rappt. Alles, was ich hier mache, hat einen Sinn.« Und da Savas damals noch ohne Doppelreime gerappt hat, habe ich mir seine Schlagfertigkeit und Anstößigkeit angeeignet und die Doppelreime und Präsenz eben von Samy abgeguckt.

  • Was dich außerdem besonders gemacht hat, waren diese ganzen Rap-Referenzen. Ich meine Zeilen wie »Ich bleibe real seit Tag eins in meinem Team wie Diamond D«, »Denn ich rappe tighte Parts fast in einem Stück wie Jay [Z]«, »Rap raw, Chef meines Squads wie Fat Joe« oder »Du drehst durch wie Pastor Troy, ich bleib real wie Beanie Sigel«.

  • »Das klang halt unglaublich fresh, weil es das noch nicht gab.«Auf Twitter teilen
  • Das stimmt! (grinst) Ich war einfach großer Rap-Fan, habe viele Sachen gehört und für mich war es auch so, dass die Sachen ab dem Moment uncool waren, wo andere dann auch davon wussten. (lacht) Aber du hast recht: Ich habe gerne Rappernamen oder US-Begriffe in die Texte eingebaut und dann deutsche Wörter als Doppel- und Dreifachreim darauf folgen lassen. Das klang halt unglaublich fresh, weil es das noch nicht gab.

  • Dein Hunger und insbesondere die Kontroverse haben sich für mich aber auch darin gezeigt, dass du von Anfang an Leute wie Torch, Toni L, Boulevard Bou oder Das Department gedisst hast. Warum eigentlich? Hast du die wirklich scheiße gefunden?

  • Guck mal, ich war einfach ein Junge aus Mönchengladbach, der nie gedacht hätte, dass er mit seiner Musik mal richtig bekannt wird. Das war einfach ADHS. (grinst) Wenngleich ich nie der größte Torch-Fan war, habe ich schon auch mal Torch gehört und konnte Verses von ihm auswendig. Ich wollte einfach mitmischen und vielleicht auch Savas beeindrucken. Weil genau das war es ja auch, was ich an Savas so geil fand: Er hat einfach auf alles geschissen. Teilweise habe ich das dann im Nachhinein auch bereut …

  • Zum Beispiel bei Samy.

  • Ja. Aber andererseits ist es einfach so gewesen. Wenn heute ein Jugendlicher in seinem Zimmer sitzt und im Eifer mich oder Farid disst, obwohl er eigentlich Fan von uns ist, aber eben die Aufmerksamkeit will, kann man es ihm nicht verübeln. Eigentlich ist es ja sogar eine Respektsbekundung.

  • Warum lief das »Komm her«-Video eigentlich nur ein einziges Mal im Fernsehen?

  • Das weiß ich gar nicht. Es gab vor dem eigentlichen »Komm her«-Clip sogar schon eines. Das haben wir damals in Mönchengladbach gedreht und das wurde dann aber irgendwann verworfen. So etwas gab es früher noch. (lacht) Bei dem ersten Videodreh hat Kool Savas übrigens auch Ercandize kennen gelernt. Das zweite Video haben wir dann in Berlin gedreht. 

  • Das Mysterium um dieses verschollene Video ist mir auch immer wieder im MZEE-Forum begegnet.

  • Ich habe das dann jahrelang nicht mal selbst besessen und Staiger hat es mir dann bei einem Interview mal überreicht. Das war mein schlimmstes Interview ever, aber das Gute war, dass ich dieses Video dann bekommen habe. Und dann haben wir es online gestellt.

  • Lass uns mal ein bisschen in der Zeit springen – und zwar hin zum »Optik Mixtape Volume 1«. Da fing es doch eigentlich an, dass ihr diese US-Rap-Mechanismen ins Deutsche übertragen habt, oder? Ich denke da an Sachen wie Telefonanrufe zwischen den Tracks oder ein schon bestehendes Instrumental nehmen und einen neuen Verse darauf rappen. War das deine Idee oder habt ihr das zusammen entwickelt?

  • Das haben wir, glaube ich, gemeinsam gemacht. Wir waren einfach total auf unserem Ami-Film und haben die ganze Zeit diese Mixtapes für teuer Geld gekauft. Heute bekommt man das alles im Internet, aber damals musste man auf Leute warten, die einem die Sachen aus den USA mitgebracht haben. Wir haben uns echt die ganze Scheiße – von Killa Cam über Grafh bis hin zu den ganzen Beef-Geschichten – gegeben. Und dann hieß es irgendwann, dass wir ein Mixtape machen. Wir haben das alles bei Savas zu Hause aufgenommen und das war eine richtig coole Zeit. Heutzutage rappe ich aber nur noch ungern auf schon bekannte Instrumentals. Weil die neuen Hörer das gar nicht mehr checken. Da steht dann immer drunter, dass der Beat geklaut ist. Das mag ich nicht mehr. Aber gerade zur German-Dream-Zeit haben wir das ja auch zuhauf gemacht. Da gab es ständig Songs auf Ami-Beats. Das war irgendwie unser Konzept. Auch wenn es gar kein Konzept gab.

  • Aber gut, dass du das ansprichst. Für das erste »Optische Elemente«-Tape von DJ Nicon hast du einen Remix von dem Massive-Töne-Song »Cruisen« gemacht. Meines Wissens das erste Mal, dass ein Rapper so etwas gemacht hat. Und auf dem »Wanksta«-Remix mit Illmat!c habt ihr beiden sogar 1:1 im Style von Fifty gerappt.

  • Da muss ich ganz klar sagen, dass das mein Film war. (schmunzelt)

  • Mit Illmat!c oder auch Sentence hattest du ja auch Leute im Camp, die da ganz ähnlich drauf waren. Wie hast du Sentence eigentlich kennen gelernt?

  • Durch Desue und den damaligen Manager Julien [Smith, Anm. d. Red.]. Uns ist sofort aufgefallen, dass der ein sehr tighter MC war. Savas kannte ihn schon und hatte mir das schon angekündigt. Und ich war direkt auf Attention, weil er ja genauso jung war wie ich und ähnlich gut rappen konnte. Aber wir haben uns sofort gut verstanden. Er hatte damals ja auch schon ein paar Sachen aufgenommen, die eher Consciousness waren, aber hat dann ganz schnell auch unseren Film geschoben. Sentence wäre einer gewesen, der damals auch bei uns hätte mitmischen können. Aber Savas wollte das nicht, glaube ich.

  • Gab es denn schon Entwürfe?

  • Ich glaube nicht. Savas hat sich mit ein paar Leuten getroffen, aber mehr ist daraus nicht geworden. Wir hatten so viele Pläne … Wir wollten sogar mal einen Film machen und hatten sogar schon ein Konzept im Kopf. Wir wollten die Welt übernehmen. (grinst)

  • »Ey, wir haben soviel Scheiße geschenkt bekommen.«Auf Twitter teilen
  • Auf einem Foto vom Videodreh zu »König von Deutschland« auf dem du mit Savas, Thomas Stein und Roberto Blanco zu sehen bist, trägst du auch diese Fingersleeves.

  • Ey, wir haben soviel Scheiße geschenkt bekommen. Und ich habe das alles gesportet.

  • Du-Rags auch?

  • Auch, ja. Aber unter Kappen.

  • Im Video zu »Optik Anthem« hattest du diese irre Lederjacke samt farblich abgestimmter Cap an. Hast du die Sachen damals gekauft?

  • Teilweise habe ich mir die gekauft, teilweise gab es die Sachen auch geschenkt. Für mich war das natürlich geil, weil ich zu der Zeit so krass auf Kleidung geachtet habe. Ich war total erpicht darauf, Sachen zu bekommen. Wenn wir einen Vertreter kennen gelernt haben, habe ich stundenlang mit dem gequatscht. Heute denke ich mir auch: »Warum?« Dieser gelbe Anzug war zum Beispiel von Clench. Es gab zu der Zeit ja auch tausende Marken, die gekommen und wieder gegangen sind. Klamotten waren uns zu der Zeit einfach extrem wichtig.

  • Savas und du habt auch den Song »Harlem Globetrotters« gemacht. Wahrscheinlich direkt, nachdem ihr einen großen Karton mit Fubu-Klamotten bekommen habt, oder?

  • Genau. (lacht) Wir fanden das einfach geil, weil Cam’ron und die Diplomats das auch getragen haben. Aber ich weiß, dass Savas damals schon mit sich gerungen hat, ob wir diesen Song machen sollen, weil er damals schon auf diesem Realness-Film war und Marken nicht so krass pushen wollte. Aber ich war total begeistert davon. Ich war auch einfach noch jünger und habe sehr kurz gedacht.

  • Die letzte Ami-Adaption, auf die ich noch zu sprechen kommen wollte: das Zeigen des »O« mit den Fingern.

  • Wir haben das einfach gelebt. Das war ein geiler Ride, der leider nur für ein oder zwei Jahre anhielt. Ich glaube, wir haben den Leuten einfach geholfen, etwas lockerer zu werden.

  • »Es ist geil, wenn man heute darauf zurückblickt und merkt, dass man Teil einer Zeit war, die alles danach beeinflusst hat.«Auf Twitter teilen
  • Gutes Stichwort. Was ihr im Deutschrap auch salonfähig gemacht habt, war ja der Style, ein Wort auf das gleiche Wort zu reimen und das zweite mit einer andere Bedeutung zu versehen. Auf der Doku der »Der beste Tags meines Lebens«-DVD hieß das noch ignorante Rhymes, später dann Spitten.

  • Das mit den ignoranten Rhymes klingt eher nach einer Bezeichnung von Savas. (schmunzelt) Es ist geil, wenn man heute darauf zurückblickt und merkt, dass man Teil einer Zeit war, die alles danach beeinflusst hat. 

  • Was war damals eigentlich mit Bro’Sis los?

  • Ich hatte einfach geile Rhymes auf Bro’Sis. Auch wenn ich nie ein Problem mit denen hatte und die mir nichts getan haben. Nachdem ich die Lines gerappt habe, haben wir die noch mal irgendwo getroffen und da hat Shaham uns irgendwas hinterhergerufen und so Sachen wie »Öko Frosch« an unseren Trailer geschrieben. Wie hätte er sich sonst auch wehren sollen? Hätte er auf einem Popsong was gegen mich auf Englisch sagen sollen?

  • Vor dir war das eher verpönt, überhaupt nur die Namen von Musikern abseits des HipHop-Kosmos in den Mund zu nehmen.

  • Ich hatte nie Probleme damit, solche Tabus zu brechen. Ich habe halt nicht eingesehen, warum das überhaupt Tabus sein sollen. Jeder wusste, dass es diese Bands gab und hat sich die Sachen im Fernsehen angeguckt. Und ich habe das in meinem Leichtsinn eben in die Texte eingebaut.

  • Erinnerst du dich noch an die »Eko 5« auf deiner Homepage zur Zeit von »Ich bin jung und brauche das Geld«?

  • Nee.

  • Das waren wöchentlich geupdatete Charts deiner Lieblings-US-MCs und -Tracks. Keine Erinnerung mehr?

  • Gar nicht. Das hat wahrscheinlich die BMG gemacht damals. Zu der Zeit habe ich sicher zu viel gekifft.

  • Ungefähr zur gleichen Zeit wie »Ich bin jung und brauche das Geld« kam ja auch »Vom Bordstein bis zur Skyline« von Bushido raus. Auf seinem Album waren einige versteckte Seitenhiebe. »Wer ist der Hustler eins? / Du willst sein wie Busta Rhymes – ich fress’ Anabolika und pumpe nachts im Knast allein.« ist ja ganz klar eine Antwort auf deinen Song »Mein Name ist…?«.

  • Das erste Mal, dass ich davon Wind bekommen habe war, als die »Wicked« [früheres HipHop-Magazin, Anm. d. Verf.] mit Bushido auf dem Cover rauskam und er mich ohne Grund gedisst hat. Damals war er ja wirklich noch sehr underground. Das fiel aber schon in die Zeit hinein, in der wir bei Optik Records Differenzen hatten und uns gar nicht darauf konzentrieren konnten. Ich habe sein Album dann ganz lange ignoriert, weil ich wusste, dass es da böse Vibes gegen mich gibt. Erst als ich Bushido in Berlin getroffen habe und es schon darum ging, ob wir was zusammen machen oder er sogar zur BMG kommt, habe ich mir das angehört. Und es hat mir eigentlich gefallen und mit einem Mal war auch der Mythos von diesem Typen verschwunden, der mich so krass hasst. 

  • Warum hast du im »L.O.V.E.«-Video den Tri-Top-Sirup damals aus der Flasche getrunken?

  • Das wäre zu umständlich gewesen, den Sirup auf dem Boot noch mal zu mixen. Die Flasche war sogar noch zu und versiegelt und ich habe nur so getan, als wenn ich aus der Flasche trinken würde.

  • Würdest du sagen, dass du, als du »Du hast mein Herz gebrochen« für Yvonne Catterfield geschrieben hast, den Doppel- und Dreifachreim in der deutschen Popmusik etabliert?

  • Ganz genau. Den Song habe ich in zehn Minuten geschrieben. Die Melodie stand ja schon und es kommen nicht sonderlich viele verschiedene Worte in dem Text vor. Das lief damals über Thomas Stein. Ich habe ein englisches Demo bekommen und sollte da einen deutschen Text für schreiben. Dann saß ich krank bei meiner Mutter in der Wohnung, habe das nebenbei gemacht und Valezka einsingen lassen. Die fanden das total gut. 

  • Hast du danach noch viel Pop-Kram gemacht?

  • Ein bisschen was. Aber genau weiß ich das nicht mehr. So etwas Großes wie Yvonne Catterfield gab es aber nicht mehr.

  • Was macht SD eigentlich heute?

  • Ab und an treffe ich ihn noch zufällig. Das Letzte, was ich gehört habe, ist, dass er in Köln in einem Burgerladen arbeitet. Ich habe natürlich auch immer probiert, ihn auf meine Alben zu holen, aber auch das irgendwann aufgegeben. Wenn ich ihn mit ins Studio genommen habe, war es immer sehr anstrengend, weil ihn ständig Gewissensbisse plagten, ob er überhaupt noch rappen soll. Und wenn man wie ich fokussiert an einem Album arbeitet, dann passt das nicht so richtig. Ich habe ihm gesagt, er soll was aufnehmen und es mir bringen, dann helfe ich ihm auch dabei, es herauszubringen. Ich bin schließlich riesiger Fan von seinen Sachen.

  • »Heute geht es mir gut, ich erlebe viele Sachen, die ich schon immer erleben wollte.« Auf Twitter teilen
  • Gibt es irgendwas, das du in deiner Karriere wirklich bereust oder ist alles cool, so wie es gelaufen ist?

  • Heute sage ich, dass alles cool ist – weil man ja nicht weiß, was sonst passiert wäre. Heute geht es mir gut, ich erlebe viele Sachen, die ich schon immer erleben wollte. Klar hat man hier und da mal einen Aussetzer – aber wer hatte das nicht? 

  • Bei dir waren eben von Anfang an die Kameras dabei.

  • Eben. Aber ich glaube, das macht einen letzten Endes auch sympathischer und lässt mich näher an den Leuten sein. Ich bin auch nur ein Mensch, der vielleicht hier und da mal Scheiße gebaut hat.