OG LU & DONNA SAVAGE »Wir sind ready für die Übernahme.«
»Wer sieht gut aus und macht Stress ohne Grund?« – OG LU und DONNA SAVAGE mischen den Deutschrap-Untergrund aktuell mit kompromisslosen Bangern, schlagfertigen Punchlines und einer Menge Selbstbewusstsein so richtig auf. David Regner hat die beiden zum Interview getroffen.
Die Wienerin DONNA SAVAGE releast am 19. Mai ihre Debüt-EP »Parole Donna«, komplett produziert von Brenk Sinatra. OG LU kommt aus Frankfurt und ist dort unter anderem mit der Crew PZK unterwegs. Beide stehen noch am Anfang ihrer Karriere, haben aber schon längst unter Beweis gestellt, dass sie die Szene mit ihrer direkten Art und korrekten Attitüde bereichern. Was die beiden machen, ist feministischer Deutschrap. Nicht die Art Feminismus, der in zeitgeistiger PR-Manier von Major Labels gepusht wird. Auch nicht die Art Feminismus, der auf eine komplizierte, akademische Sprache setzt. Es ist Auf-die-Fresse-Feminismus mit stabiler Haltung. Selbsternannte Trash-Queens sind OG LU und DONNA SAVAGE selbstverständlich auch, denn ohne Style bringt man’s nicht weit. Einen Tag vor ihrem gemeinsamen und durchaus fantastischen Konzert in der Kantine am Berghain wurden bei Kaffee und wahlweise Zigarette oder Joint essenzielle Themen besprochen.
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Ihr seid beide noch nicht allzu lange dabei und trotzdem schon fest im Deutschrap-Untergrund verankert. Seht ihr euch noch als Newcomerinnen?
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DONNA SAVAGE: Mit Rap habe ich schon mit 18 angefangen, würde mich aber trotzdem als Newcomerin bezeichnen, weil ich das erst seit dem neuen Künstlerinnen-Namen ernst genommen habe. (kurze Pause) Aber bald nicht mehr. (Lachen in der Runde)
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OG LU: Ich würde das bei mir auch sagen. Vor allem, wenn man noch nicht mal ein ganzes Jahr lang Musik releast hat.
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Was hat es gebraucht, um unter dem Namen DONNA SAVAGE professioneller an die Sache ranzugehen?
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DONNA SAVAGE: Mein bester Freund war damals mein Anheizer. Wir waren in einer großen Freundesgruppe, die alle gerappt und Musik gemacht haben, aber ich selbst habe das nie wirklich in Betracht gezogen. Ich habe damals getanzt und geskatet, war also schon in diesem Universum unterwegs. Rappen war da aber nicht auf meiner Bildfläche. Dann hat mein bester Freund mir Stift und Papier in die Hand gedrückt, einen Beat angemacht und meinte: »Jetzt schreib mal was.« Wir hatten Busta Rhymes gehört, ich konnte da komplett mitrappen und er meinte, wenn das klappt, dann kann ich auch selber schreiben. Zwei Wochen später hatte er selbst eine Show und dann kam dort dieser Beat, auf den ich geschrieben hatte. Ich so »Nein, nein…« und er so »Alice, du musst auf die Bühne!« Ich habe null damit gerechnet, aber es hat mir Spaß gemacht. Ich war da allerdings noch in einer anderen Lebensphase und das war nicht mein Main-Ding. Ich habe dann auch wenig geschrieben, eher bei Sessions mit den Jungs. Da wurde dann direkt recordet und sogar ein Video rausgehauen, was ich einen Monat später schon wieder kacke fand. Irgendwann habe ich dann Brenk Sinatra kennengelernt, der mir Feuer unter dem Arsch gemacht hat und meinte, dass da noch ordentlich Luft nach oben ist. Und ich so: «Was für Luft nach oben? Keine Ahnung, wovon du sprichst.« (Lachen) Er meinte, dass ich noch mehr schreiben soll und er sich dann bei mir meldet. Er hatte damals schon den Plan, sein Label Wave Planet Records aufzumachen und mich dort zu signen. Das hat mich sehr motiviert. Dann habe ich mich mal anderthalb Jahre hingesetzt und nur geschrieben. Und dann hat es so Bock gemacht, zusammen mit Brenk zu arbeiten, dass es sich von alleine ergeben hat. Du kannst nicht mit Brenk zusammenarbeiten und das nicht erst nehmen. Soweit ich es im Kopf habe, bin ich die erste Frau, mit der er zusammenarbeitet. Und alleine deshalb wollte ich es mir selber beweisen.
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Wie hast du Brenk kennengelernt? Passiert das automatisch, wenn man in der Wiener HipHop-Szene aktiv ist?
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DONNA SAVAGE: Gar nicht. Nicht bei einem Brenk. Der ist grundsätzlich nicht unterwegs, sondern ein busy bee und verlässt sein Studio gar nicht. Wenn dann für seine Shows oder die engen Leute. Den trifft man nicht zufällig. Wir wurden damals von einer Show namens »Rapper lesen Rapper« eingeladen, wo ich gelesen und danach bei der Aftershow gespielt habe. Das war in München, daher sind wir zusammen in einem fetten Van dorthin gefahren. Wie ich draufgekommen bin, war dann so: »Wow, Brenk, bist du nicht der Brenk Sinatra von MAdoppelT damals?« Und das ganze Auto hat mich ausgelacht, weil er so ein Rapper ist, der bis 2009 was in Wien gemacht. Die anderen haben dann erzählt, für wen er sonst noch so produziert hatte.
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OG LU: Zum Beispiel für Haftbefehl!
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DONNA SAVAGE: Ja, außerdem auch Xatar, Olexesh und sonstige. Aber das wusste ich damals noch nicht. Nach der Show waren wir saufen und haben uns richtig gut verstanden. Dort hat er mich auch das erste Mal live spielen sehen. So ist das zustande gekommen.
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Wie sieht es bei dir aus, OG LU? Hast du auch eine Vorgeschichte mit altem Rap, der sich noch in Ecken des Internets finden lässt?
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OG LU: Bei mir ist es der erste Start. Ich bin gar kein so krasses Internet-Kind, auch weil ich zu Hause relativ strenge Regeln hatte und am Tag nur so eine halbe Stunde an den Computer meiner Mom durfte. Privat Beats hören und nach Sachen recherchieren gab es bei mir gar nicht. In der Schule musste man aber Gedichte auswendig lernen und ich glaube, ich kann den »Erlkönig« von Goethe immer noch auswendig. (Lachen) Das war voll mein Ding und ich habe dann auch früh angefangen, Poetry und Poems zu schreiben. HipHop-Fan war ich durch meine große Schwester, die mir Eminem, Biggie, 2Pac und ähnliches gezeigt hat. Ich bin aber in einem Freundeskreis aufgewachsen, in dem Deutschrap voll verpönt war. Rappen auf Deutsch wurde dort einfach als peinlich angesehen. Und ich war dann immer so: »Hmm ja, voll peinlich«, habe dann aber heimlich »Mietwagentape« gehört. (Lachen) Als Schwesta Ewa groß geworden ist, kam der Moment, wo ich dazu stehen konnte, gerne Deutschrap zu hören. Ich habe sie krass gefeiert und konnte ihr komplettes Tape auswendig rappen. Selber geschrieben habe ich aber weiterhin Poetries. Als dann 2019 der Anschlag in Hanau war, habe ich ein Poetry dazu geschrieben, wo ich während einer Passage ein bisschen schneller und aggressiver gesprochen habe. Das habe ich auf Insta hochgeladen und danach haben mich Bekannte von mir, die Musik machen, also zum Beispiel Die Zelle von PZK aus Frankfurt, angeschrieben und gefragt, ob ich nicht Bock habe, auf einen Beat zu schreiben. Das war in der Anfangsphase von Corona, wir haben uns getroffen und ich habe angefangen zu schreiben und über Beats zu rappen. Das war alles noch zum Spaß. Über anderthalb Jahre habe ich drei Songs geschrieben und davon »Sonne Strand Sattla« rausgehauen, ohne große Erwartungen. Eigentlich eher reinstolpert, ohne die Intention, eine Rapperin zu sein. Als Musikfan ist es immer noch krass, jetzt diesen Einblick zu haben. Vor einem Jahr hätte ich niemals gedacht, dass ich jetzt ein Interview führe, wo ich über meine Musik rede.
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Wie wichtig war es für euch, dass ihr bestehende Strukturen hattet, die eure Entwicklung begleitet und unterstützt haben?
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DONNA SAVAGE: In meinem Fall war das schon hilfreich, um sich darüber auszutauschen, wie man Dinge angeht. Aber wirklich helfen kann dir keiner, weil du deinen eigenen Weg finden musst, wie du schreibst und auf was für Beats du stehst. Wenn ich etwas gelernt habe, dann auf jeden Fall nicht auf Männer zu hören, die einem irgendwas erklären wollen. Das kriegt man, gerade wenn man eine Frau ist, am Anfang oft. Dann glaubt jeder eine Meinung haben zu dürfen, wie du es machen sollst. Ich finde, wenn ich nicht direkt danach frage, hat man mir auch nichts zu sagen. Das kann man als Growth mitnehmen. Man lernt, zu sich selber zu stehen.
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OG LU: Für mich war es richtig hilfreich, dass die Jungs von PZK mich gefragt haben, ob ich mit ihnen Musik machen will. Ich hatte nur den Song »Fass ohne Boden« vom Die Zelle-Album »Saft Pur« und dazu einen Achter geschrieben und sie haben trotzdem gefragt, ob ich mit ihnen zu Konzerten kommen möchte. Das waren super kleine Gigs, wo ich direkt als Mitglied akzeptiert wurde, bevor ich selber daran geglaubt habe, dass ich rappe. Die haben mich gepusht und ich bin ihnen dankbar, weil es voll das süße Umfeld ist. Das sind keine Typen, die mansplainen, sondern sie haben mich so akzeptiert wie ich bin. Hätte ich diesen Zuspruch nicht bekommen, hätte ich wahrscheinlich nichts releast. PZK hat mir meine erste Plattform gegeben und es ist jetzt noch super wichtig für mich, diese Gruppe in Frankfurt zu haben. Das sind quasi meine Brüder geworden, ich fühle mich zu da Hause.
- Ich finde es viel besser, wenn man zusammenhält und supportet, anstatt sich gegenseitig zuzuschauen und keine Props zu geben. – DONNA SAVAGEAuf Twitter teilen
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Eine Parallele bei euch ist, dass eure Strukturen, wie ein weiterhin großer Teil von Deutschrap, männerdominiert sind. Hat das für euch eine Rolle gespielt, als Frau in so einem Umfeld aktiv zu sein?
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DONNA SAVAGE: Bei mir war das ganz am Anfang schon ein Thema. Wenn ich das mit dem jetzigen Zeitpunkt vergleiche, war das vor acht Jahren schon ein krasser Unterschied. Einerseits war es total cool, weil die Leute froh waren, dass sich die Frauen etwas trauen. Andererseits hatte man das Gefühl, dass viel mehr Augen auf einem waren. Du bist halt nicht einer von vielen, sondern die eine, die das macht. Vor allem in Wien, wo die Szene eher klein ist. Es wird viel mehr darüber geredet, ob das jetzt gut ist, wie die sich anzieht, wie sie sich bewegt und so weiter. Ich habe noch nie gehört, dass jemand so über einen Rapper redet, den keiner kennt. Dadurch, wie ich erzogen wurde und wie ich drauf bin, kam ich ganz gut damit klar. Ich hatte immer coole Leute im Rücken und sogar meine Mom, die in der ersten Reihe stand und jeden Song mitgesungen hat, egal wie kacke der war. Mittlerweile sind die Reaktionen viel geiler und man merkt, dass Leute auf Personen wie uns Bock haben. In Wien sind in den letzten Jahren so viele Leute aus dem Boden geschossen, die früher nie einen Platz gehabt hätten, weil es niemanden interessiert hat. Ich finde es ganz geil, dass jetzt die Plattform für alle Leute geöffnet wird, die Bock darauf haben.
OG LU: Ich war schon als Kind das einzige Mädel, das mit den Jungs auf dem Schulhof Fußball gespielt hat. Vor sieben Jahren habe ich mit Kampfsport angefangen, was auch eine sehr männerdominierte Szene ist. Ich glaube, es war bei mir schon immer ein unterschwelliger Reiz, egal ob es Fußball, Kampfsport oder Graffiti ist, mir einen Platz zu schaffen und klarzumachen, dass ihr hier nicht in eurer Schwanzrunde seid. Jetzt kommt mal ein Mädel und hat genauso Bock auf die Sachen. Ich musste schon sehr viel einstecken. Egal, ob es heißt, dass ich nicht mit Malen kommen kann, weil man dann auf mich aufpassen müsste. Oder man wüsste nicht, ob man mit mir eine Kampfvorbereitung machen könne, weil Frauen ihre Tage bekommen. Ich habe schon sehr früh die Erfahrung gemacht, dass ich als »Mannsweib« bezeichnet wurde, weil ich Hobbies habe, die in einer männerdominierten Szene stattfinden. Von der Rapszene akzeptiert zu werden ist voll das schöne Gefühl, weil man in der Vergangenheit viele andere Erfahrungen gemacht hat. Ich glaube, dass es daran auch viel Kritik gibt, aber es macht mich auf eine Art auch stolz, die Frau zu sein, die mit PZK auf der Bühne stehen kann. Oder die Frau zu sein, die doch gekämpft hat oder mit zu verschiedenen Aktionen genommen wurde. Das spielt schon eine Rolle in meiner Identität. Das sind alles Szenen, wo Frauen das Gefühl gegeben wird: »Frauen sind scheiße, aber du bist in Ordnung. Deswegen kannst du mitkommen.« Das Problematische daran ist, dass es eine Ellenbogengesellschaft unter Frauen auslöst. Dadurch haben Frauen, die schon in Szenen sind, keinen Bock darauf, dass noch mehr Frauen dort landen. Ich habe es geschafft, in gewissen männerdominierten Szenen akzeptiert zu werden. Aber ich will gleichzeitig nicht, dass andere Frauen das Gefühl haben, sie nehmen mir meinen Platz weg, wenn sie auch Bock darauf haben. Wir finden einen zweiten Platz für dich und das heißt nicht, dass ich die Hälfte von meinem Platz abgeben muss. Es gibt Platz für hundert starke Frauen-Egos, egal in welcher Szene. Das ist für mich die wichtige Schlussfolgerung, die ich daraus ziehe. Weshalb ich auch Bock habe, Musik mit DONNA oder vielen anderen Frauen zu machen.
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Ist das eh ein grundlegender Teil eures künstlerischen Schaffens, dass ihr weg vom oft vorherrschenden Konkurrenzdenken wollt, hin zu einem solidarischen Support?
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DONNA SAVAGE: Ja fix. Der Grundgedanke dieser Kultur ist genau das und es hat sich im letzten Jahrzehnt sehr davon wegbewegt. Mittlerweile geht es wieder mehr in diese Richtung und das finde ich gut so. Es trauen sich gerade voll viele Frauen, nehmen sich endlich ihre Bühne und dann beginnt direkt diese Ellenbogengesellschaft. Dabei macht das eh keinen Sinn, weil alle etwas anderes machen. Wenn du Angst hast, dass dir jemand deinen Platz wegnimmt, dann nur, weil du nicht wirklich authentisch bist.
OG LU: Oder weil die Musikindustrie so funktioniert wie sie funktioniert. Weil eine bestimmte Frauenquote erfüllt werden muss, damit man 2023 noch angesehen ist. Die Industrie gibt uns diesen Konkurrenzkampf viel mehr.
DONNA SAVAGE: Ich finde, der entsteht aber auch untereinander. Aber das spielt natürlich mit rein. Wenn du Angst um dein Genre oder deine Nische hast, musst du das eigentlich nicht haben. Wenn du du selbst bist, kann niemand so sein wie du. Wir beide machen Auf-die-Fresse-Rap, sind trotzdem komplett unterschiedlich und können uns die Hand geben und sagen: »Geil, lass das doch kombinieren.« Ich finde es viel besser, wenn man zusammenhält und supportet, anstatt sich gegenseitig zuzuschauen und keine Props zu geben. Die stehen auf deinem Konzert und nicken schön, aber sagen nur hintenrum, dass sie es geil finden. Ich finde es besser, wenn man da offen und ehrlich ist. Wenn OG LU nicht so offen gewesen wäre, hätten wir vielleicht erst viel später oder nie zusammengearbeitet.
- Ich glaube, es war bei mir schon immer ein unterschwelliger Reiz, egal ob es Fußball, Kampfsport oder Graffiti ist, mir einen Platz zu schaffen und klarzumachen, dass ihr hier nicht in eurer Schwanzrunde seid. – OG LUAuf Twitter teilen
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Auf-die-Fresse-Rap ist ein gutes Stichwort. Eure Songs sind klar feministisch, trotzdem klingt es nie nach einem belehrenden Uni-Seminar in Reimform. Wie kommt ihr zu diesem Stil?
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OG LU: Direkt aus dem Herzen. (Lachen)
DONNA SAVAGE: Straight aus unseren Eierstöcken.
OG LU: Aus dem Uterus.
DONNA SAVAGE: Unser Uterus explodiert und dann ist er auf dem Blatt. (mehr Lachen)
OG LU: Wenn man es philosophisch sehen will, muss man sagen, dass jeder Rap aus dem Uterus kommt.
DONNA: Hmm – think about that! Nein, ich glaube wir haben einfach beide unsere Erfahrungen im Leben gemacht und bestimmte Mukke, die man hört. Das spielt da alles mit rein, wie man sich gerne ausdrückt. Wir haben beide schon viel durch und dann kommt es ganz natürlich, dass man diese Schiene wählt. Ich glaube, wir haben beide nicht das Gefühl, irgendwem etwas erklären zu müssen. Das kommt unterschwellig, wenn man richtig hinhört.
OG LU: Ich will auch niemandem etwas erklären müssen. Ich bin ja kein laufender Bildungsauftrag.
DONNA SAVAGE: Das geht mir auch auf den Sack. Das wird Frauen total oft draufgedrückt. Dieses: »Aber du musst ja schon ein Vorbild sein. Du musst dieses und jenes verkörpern.« Nein, muss ich nicht! Ich muss genau gar nix und kann genau das sagen, was ich sagen möchte. Und wenn das zufällig feministisch ist, weil wir das in uns tragen und so denken und so fühlen, dann ist es cool, wenn es rauskommt. Aber ich setze mich nicht hin und versuche Leute zu belehren. Wenn, dann passiert das im engen Umfeld, falls sich jemand komisch benimmt. Da sage ich was. Aber man muss mit Mukke niemanden erziehen.
OG LU: Wir haben auch beide eine eher tiefe Stimmlage in unserem Rap und wählen Beats, die oft eine düstere und aufregende Stimmung untermalen. Das ist schon ein Statement. Das kommt aus dem, was wir erlebt haben. Ich war voll lange und bin teilweise immer noch in der linken Szene politisch aktiv und das ist schon immer ein wichtiger Teil von mir gewesen. Ich kann auch gerne eine Feminismus-Debatte auf einem intellektuellen Niveau führen, wenn die das haben wollen. Ich bin belesen, sag ich mal. Aber ich war noch nie der Typ Mensch, der sich in Diskussionsrunden setzt und groß Bock darauf hat. Sprache war schon immer ein Mittel, Dinge bewusst auszudrücken. Manche Leute wollen das sehr inkludiert machen und dabei bestimmte Worte benutzen, die sonst kein Mensch versteht. Für mich war es eher wichtig, die Sachen, die ich zu sagen habe, in einer Sprache zu formulieren, die jeder verstehen kann. Vor allem auch die Leute aus dem Umfeld, wo ich herkomme. Ich muss nicht in jedem meiner Texte soziale Ungleichheit und Feminismus komplett ausschlachten und Hintergründe oder Auswirkungen benennen. Das sind eher Erfahrungen, die ich gemacht habe. Ich habe halt miese Männerhass und HipHop ist eine Plattform für mich, den so zu formulieren, dass viele Schwestern da draußen es fühlen.
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Ich hätte dann gerne noch einen kleinen Exkurs zur Brigate Rosse, die du auf »Rauchschwaden« erwähnst.
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OG LU: »Wenn‘s mit Rap nicht klappt, dann mach ich‘s wie Brigate Rosse«… Es gibt ja diese »Wenn nicht mit Rap …«-Line von Haftbefehl und Brigate Rosse ist sowas wie die italienische RAF. Das war eine kommunistische Gruppierung in den 70ern, später gab es auch Neugründungen in Italien. Das ist eine sehr rote Bewegung, die revolutionäre Aktionen gestartet und Banken überfallen hat, um politische Arbeit zu finanzieren. Ich beschäftige mich einfach viel mit revolutionären Gruppen und weltweiten Freiheitsbewegungen, egal ob das die PKK, palästinensische Freiheitsgruppen oder die Zapatistas in Mexiko sind. Außerdem habe ich einen engen Italien-Bezug, daher musste Brigate Rosse auf jeden Fall ein s/o bekommen an der Stelle.
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Kommen wir mal zu eurem gemeinsamen Song, denn dort wurden zwei Vorbilder benannt. Nämlich Nicole und Paris.
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DONNA SAVAGE: Wo wir gerade schon bei revolutionären Kämpfen sind. (Lachen)
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Ich will schon eine Erklärung für den Kontext haben, in dem diese beiden Frauen euch beeinflusst haben.
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DONNA SAVAGE: Der Song heißt ja »Simple Life« und es gab damals Anfang der 2000er diese ultra geile Trash-Sendung von Paris Hilton und Nicole Richie. Wir beide sind einfach solche Trash-Queens, dass wir uns damit gut identifizieren konnten. Als OG LU bei mir in Wien zu Besuch war, haben wir das echt viel geschaut. Es passt einfach extrem gut zu uns. Die zwei haben in dieser Sendung einfach zero fucks gegeben. Vor allem Nicole Richie.
OG LU: Ich finde es nice, dass man uns beide eigentlich gar nicht als Nicole Richie und Paris Hilton einstufen würde. Natürlich posieren wir auch mit coolen Sonnenbrillen und Handtaschen auf irgendwelchen Fotos. Aber wir sind nicht die typischen It-Girls, wie sie im Deutschrap zu finden sind. Wir spielen gerade damit und sagen: »Nikki Paris Kombo Chayas in meim‘ Mob«. Gerade dieser zweite Nachsatz. Wir sind halt alle Chayas und diese ganze Serie ist eine Anekdote an eine wilde Schwesternschaft würde ich sagen. (Lachen)
DONNA SAVAGE: Perfekt. Nothing to add here.
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Auf den Songs bzw. den Videos zu »Blutwiese« oder »Namajunas« teilt ihr dagegen richtig hart aus. Ich nehme an, das gehört mindestens genauso zu eurer Persönlichkeit wie Trash-Queens zu sein.
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DONNA SAVAGE: Das ist genau dieser Twist. Als wir uns unser neues Video angeschaut haben, war ich nur so: »Wow, ich wusste gar nicht, dass wir so aussehen können.«
OG LU: Wir wollen nicht nur Auf-die-Fresse-Sound machen, sondern verkörpern auch diese Auf-die-Fresse-Attitude generell. Deswegen passt das wie die Faust auf’s Auge, wie man jetzt schön sagen könnte. (Lachen)
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Ich habe bei Insta schon von dem Live-Auftritt in Frankfurt mitbekommen, den ihr zusammen mit YungFSK18 gespielt habt. Der schien relativ legendär gewesen zu sein.
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DONNA SAVAGE: Auf jeden Fall s/o an die Schwester!
- Ich habe halt miesen Männerhass und HipHop ist eine Plattform für mich, den so zu formulieren, dass viele Schwestern da draußen es fühlen. – OG LUAuf Twitter teilen
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Was macht das Live-Game für euch aus? Was gibt euch das?
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DONNA SAVAGE: Live ist das Geilste, weil du von den Leuten die direkte Reaktion mitkriegst. Ein paar Leute singen die Zeile, die anderen ballern alle mit der Hook mit. Auch die Reaktionen nach dem Konzert können krass sein. Nach dem Konzert in Frankfurt haben wir zum Beispiel einen kompletten Liebesbrief bekommen, wir haben alle drei fast geheult. Es ist crazy, wenn man sieht, wie das die Leute beeinflusst. Das macht sau Spaß, gerade mit mehreren auf der Bühne. Das werden wir morgen ähnlich machen und einfach Back2Back spielen.
OG LU: Ich konnte schon ein Jahr vor meinem ersten Release live spielen. Und auch, wenn ich nur eine Minute auf der Bühne stand und gerappt habe, kamen danach immer mega viele FLINTA* zu mir. Das hat mir klar gemacht, was es mit den Leuten macht, wenn eine Frau auf der Bühne steht. Ich kannte das schon als Fan, aber das war mir nicht so krass bewusst. Das war voll das schöne Feedback und hat auch dazu beigetragen, dass ich Bock hatte, einen Solo-Song zu schreiben. Ich wollte einen Song für genau diese Frauen vor der Bühne schreiben, die ich dann nach vorne holen kann. Dementsprechend ist live total wichtig. Das ist eben nicht nur im Internet. In Frankfurt war es auch der Fall, dass ich eben nicht nur mit Typen auf der Bühne stand, sondern mit zwei Frauen. Deshalb ist es so nice, dass wir jetzt zu zweit noch mehr Shows spielen können, das ist einfach eine andere Energy. Mit DONNA oder YungFSK18 auf der Bühne zu stehen, hat nochmal anders Spaß gemacht.
DONNA SAVAGE: Ich bin es zum Beispiel gar nicht gewohnt, mit anderen Leuten auf der Bühne zu stehen. Früher hatte ich Backup-Rapperinnen dabei, manchmal sogar Tänzerinnen. Dahin müsste man eigentlich wieder kommen. Es macht so total Spaß, wenn man jemandem hat, der quasi seelenverwandt ist und mit mir auf der Bühne steht. Ich überlege mir vorher schon sehr genau, was auf der Bühne passiert, zum Beispiel auch für meine EP-Release-Show in Wien. Da habe ich ein paar lustige Sachen im Gepäck.
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Was ist euer favourite Live-Song von der jeweils anderen?
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DONNA SAVAGE: Qual der Wahl, alter. Aber bei »Sonne Strand Sattla« in Frankfurt war es schon so: »Ok, willst du für mich rappen?« (Lachen)
OG LU: Ich hatte DONNA damals angesprochen und meinte, dass ich ihre Mukke feier‘ und gerne was mit ihr zusammen machen würde. Dann hat sie mich nach Wien eingeladen, ich komme dort an, wir sind in einer Bar, sie macht »Sonne Strand Sattla« an und kannte den Song komplett auswendig. Selbst jedes Adlib konnte sie. Ich war richtig geflasht und weiß, die Schwester kann den Song auswendig.
DONNA SAVAGE: Den hör‘ ich echt rauf und runter. Das war das Erste, was ich von dir gehört habe, und es hat direkt gehittet. Bis jetzt ist das mein All Time Favourite, weil ich da so richtig ausrasten kann. Aber ganz echt, ich feier‘ wirklich jeden Song. Auch »Namajunas« oder »Eh Eh« live zu hören war echt krass. Aber eigentlich müsste ich ja sagen: Unser Song.
OG LU: Also unser gemeinsamer Song sowieso.
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Der ist raus aus dem Rennen, die Antwort wäre zu einfach.
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OG LU: Ich kann mich nur anschließen, es ist echt schwierig. »Tritte« ist krank, weil die Energy ist unnormal. Es ist ein Song, der ähnlich wie »Namajunas« so Auf-die-Fresse ist, dass die Leute live anfangen so richtig mitzuwippen. Wer da nicht mitwippt, beim dem stimmen irgendwelche motorischen Sachen nicht. Keine Ahnung. (Lachen) Und »Crush« ist ein krasser Partyhit. Das sind meine beiden Favourites. Ich weiß noch, dass ich bei denen in Frankfurt so richtig Gänsehaut bekommen habe.
- Es ist jetzt unsere time to shine und wir können uns endlich genau den Platz holen, den wir verdient haben. – DONNA SAVAGEAuf Twitter teilen
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Wir waren vorhin schon in der Nähe vom Universal-Gebäude und du rappst auf deiner EP »Universal in DMs / Mir egal ich bleibe fresh«.
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DONNA SAVAGE: Da geht’s darum, dass man mal locker bleiben und sich nicht gleich blenden lassen soll, nur weil wir in deren Augen gerade frisches Fleisch sind. Die wissen, wie viel fucking Arbeit wir da reinstecken und das wird bei Newcomern oft ausgenutzt. Jedes Foto und Video, das du siehst, kommt aus unserem Kopf. Jede Zeile, die geschrieben wird, kommt aus unserem Hirn. Das ist echt fucking viel Arbeit und die wissen, dass sie dir mit Geld und Strukturen weiterhelfen können. Deswegen gilt es mal ein bisschen zu chillen und zu schauen, dass man hinter dem steht, was man macht.
OG LU: Nicht das erstbeste Angebot annehmen, nur weil da Universal drübersteht.
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Heißt also auch bei den durchaus aufwendigen Videos wie bei »Schumacher«, in denen dann mal ein Brenk Sinatra aka »Autofahrer« zu sehen ist, geht man lieber den eigenen Weg, um so ein Projekt zu stemmen?
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DONNA SAVAGE: Wir haben uns so lange überlegt, wie wir diese »Emil und die Detektive«-Story aufziehen. Und dann war die Frage: Wie sollen wir Brenk jetzt nennen? »Verfolgungsfahrer« klingt irgendwie scheiße, »Fluchtfahrer« stimmt auch nicht. Dann war das ganze Video schon so dumm, ach nennen wir Brenk doch einfach »Autofahrer«. Das passt perfekt. (Lachen)
OG LU: Ich würde sagen, das Umfeld ist eine der wichtigsten Sachen, weil die Leute supporten und dabei helfen, Visionen umzusetzen. Das ist einfach so schön und gar nicht selbstverständlich. Ich hoffe, ich kann irgendwann genug Geld damit verdienen, um die Leute ordentlich für die Arbeit zu entlohnen.
DONNA SAVAGE: Ich habe seit dem ersten DONNA-Video meine beste Freundin am Start. Ich hatte immer direkt eine Vision, wie ein Song in einem Video aussehen soll und sie hat mir echt geholfen. Regie führen, das Ganze auf Papier bringen, durchplanen, Shotlist schreiben, Abläufe festlegen. Vor allem bei einem großen Cast mit 30 bis 40 Leuten. Die Leute haben Spaß am Set, klar. Aber du musst denen auch sagen, dass man jetzt wirklich anfängt zu drehen. Sowas kannst du nicht allein machen. Ich hatte echt Glück, dass sie mir dabei geholfen hat, jede Idee umzusetzen. Meine Managerin ist mir auch seit Tag 1 eine Unterstützung, die mir Ideen und Ansätze mitgibt, wie ich meine eigenen Ideen möglichst gut in die Realität umsetzen kann. Es ist echt nice, wenn man das nicht mit sich selbst diskutieren muss. Und „Schumacher“ war echt ein mega Aufwand. Es hat mega viel Spaß gemacht, aber war die Hölle zum Planen. Allein, das Brenk in einem Video mitmacht ist schon ein Weltwunder, eigentlich Mission Impossible. Plus die ganzen Outfits aus »Emil und die Detektive«, bei denen alle Leute einen Charakter darstellen. Eine Freundin von mir hat mir mein Outfit sogar extra genäht, damit es möglichst nah an Pony Hütchen rankommt. Das war wirklich ein gottloser Wahnsinn.
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Du, DONNA, wurdest mal gefragt, wem Deutschrap wirklich gehört. Deine Antwort war: »Den Frauen, weil die gerade alles übernehmen.« Daher die Frage: Wo seht ihr euch in Zukunft?
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DONNA SAVAGE: Na am Ruder. (Lachen) Am Steuer ganz vorn. Die andere auf dem Beifahrersitz am Überholen. (Lachen) Ich bin definitiv immer noch dieser Meinung. Es ist jetzt unsere time to shine und wir können uns endlich genau den Platz holen, den wir verdient haben. Eli Preiss meinte neulich bei den »Machiavelli«-Sessions auch, dass Rapper genau das gleiche machen, aber zehnmal mehr Applaus bekommen. Damit wir so eine Plattform bekommen, müssen wir viel dickere Haut haben. Aber ich bin definitiv der Meinung, dass Frauen da die Zukunft sind. Ich sage es auch auf meiner EP: »Die New Wave ist weiblich«. Wir sind erst am Anfang.
OG LU: Genau. Ich finde es aber schwierig zu sagen, wo man sich gerade sieht und wo man hinmöchte. Gerade, weil es noch so frisch ist. Ich denke, alles wird sich mit der Zeit ergeben. Wir sind ready für die Übernahme!