Andrew Emery »Wir haben Sachen gemacht, die im HipHop niemand vor uns und niemand nach uns getan hat.«
»Wiggaz With Attitude: My Life as a Failed White Rapper« von Andrew Emery ist ein wundervolles Buch über die Höhen und Tiefen als HipHop-Fan. ALL GOOD-Autor Philipp Killmann sprach mit dem britischen Autor über seine turbulente HipHop-Liebesgeschichte.
Für manche ist HipHop nicht mehr als eine flüchtige Lebensphase. Andere lässt HipHop nie wieder los. Sie bleiben ihr Leben lang Fan oder werden sogar Protagonisten. Wieder andere begleiten das Genre hinter den Kulissen, als Journalisten oder Autoren. So wie Andrew Emery. Der 45-Jährige hält HipHop bis heute die Treue. An der eigenen Rap-Karriere haperte es jedoch. Darüber hat der langjährige Mitarbeiter der britischen Zeitschrift »Hip-Hop Connection« (RIP) und Mitbegründer des HipHop-Satiremagazins »Fat Lace« (RIP) ein wundervolles Buch geschrieben: »Wiggaz With Attitude: My Life as a Failed White Rapper«. Einen exklusiven Auszug gibt es hier zu lesen.
»Wiggaz With Attitude« ist eine Liebeserklärung an HipHop, wie sie schöner und ehrlicher kaum sein könnte. Es ist eine Geschichte, in der sich nahezu jeder, insbesondere weiße, HipHop-Fan, der in den Achtzigern und Neunzigern nicht in New York aufwuchs, wiederfinden dürfte. Anekdotenreich schildert Andrew Emery auf 252 Seiten, wie HipHop in seiner Jugend sein Leben veränderte, wie HipHop ihn (wie viele andere) aus dem Dämmerschlaf in der weißen Kleinstadt weckte, ihn politisierte und sein Bewusstsein für Rassismus und soziale Ungerechtigkeit schärfte. Klingt hochtrabend, ist es aber nicht. Denn Emery weiß, dass sich am Ende doch alle nur an die Turnschuhe und den Talentwettbewerb in der Schule erinnern werden, bei dem du Public Enemys »Rebel Without A Pause« aufgeführt hast und deine nerdigen Kumpels unechte Goldketten und verkehrt herum aufgesetzte Baseball-Caps trugen. Trotzdem äußert er die Hoffnung, in seinem Buch beides miteinander kombinieren zu können – die soziopolitische Komponente und die komische Seite von HipHop.
Genau das ist ihm hervorragend gelungen. So erzählt er von seinen ersten einsamen Gehversuchen als Rapper in Bingham, Nottinghamshire, vom sehnsüchtig erhofften Kontakt zu Gleichgesinnten sowie vom Ausschlagen einer möglichen Kollaboration mit den frühen Stereo MCs. Emery liefert fundierte Song-, Album- und sonstige HipHop-Analysen. Darüber hinaus hat es Emery in seinem Buch mit dem kontroversen Titel »Wiggaz With Attitude« auf die denkbar eleganteste Art und Weise geschafft, dem »Weiße-Rapper-Problem« nachzugehen, also der Frage, weshalb es zumindest in Großbritannien und den USA nur verhältnismäßig wenig kommerziell erfolgreiche weiße Rapper gibt. Nicht, indem er das Problem löst. Sondern, indem er mehr Fragen stellt, über die es sich nachzudenken lohnt, als vermeintlich endgültige Antworten zu präsentieren. Zu guter Letzt handelt »Wiggaz With Attitude« davon, wie Andrew Emery aka SCAM aka Drew Huge seinen Platz im HipHop als Journalist fand – »als Chronist seiner Wunder und Absurditäten«.
Für ALL GOOD-Autor Philipp Killmann war die »Hip-Hop Connection« – nebst »Yo! MTV Raps« – lange die einzige Verbindung zur HipHop-Außenwelt. Er vermisst das Magazin bis heute schmerzlich, hält sich aber zugute, das Glück, nein, die Ehre gehabt zu haben, wenigstens einen Text in dem – laut Chuck D – »besten Magazin der Welt« platziert haben zu können. (So viel Angeberei, um nicht zu sagen HipHop, sollte an dieser Stelle erlaubt sein.) Umso euphorischer hat er Andrew Emerys 2017 erschienenes Buch gelesen und das anschließende Interview mit dem Engländer in Angriff genommen. Ein Gespräch über Katzenspione, eine surreale Quad-Tour mit Diamond D durch die Wüste von Dubai, undankbare Interviewpartner und kritischen HipHop-Journalismus im Allgemeinen sowie Satire im HipHop im Besonderen.
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Du hast lange Zeit für die »Hip-Hop-Connection« geschrieben. Ich mochte an dem Magazin immer besonders seinen kritischen und humorvollen Ansatz. Das ist etwas, das in den deutschen HipHop-Medien häufig fehlt, vor allem, wenn es um deutsche Künstler geht. Was für Feedback hast du auf deine mitunter vernichtenden Reviews oder sarkastischen Kommentare bekommen?
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Ich glaube, ich habe kurz nach meinem Uni-Abschluss, so um 1995, angefangen für »Hip-Hop-Connection« zu schreiben, und erst aufgehört, als das Magazin (im April 2009; Anm. d. Verf.) leider eingestellt wurde. Das Feedback fiel erwartungsgemäß unterschiedlich aus. Viele Leute schätzten diese Ehrlichkeit sehr und fanden gut, dass ich mich von den Künstlern nicht einschüchtern ließ. Ich fand immer, die wahre Schwäche etwa von »The Source« war, dass sie super Verbindungen und riesige Budgets hatten und viele Anzeigen verkauften, aber so unkritisch und freundlich waren. Es galt die Auffassung, dass HipHop unbedingt »unterstützt« werden müsse, so als wäre es etwas so Zerbrechliches, dass es aussterben würde, wenn wir alle nicht unerbittlich positiv darüber sprechen würden. Ich fand nie, dass das stimmt. In den Neunzigern war HipHop bereits ein riesiger Moloch. Ich fand, man war es dem Kunden schuldig, dem Mann oder der Frau, die sich von ihrem Gehalt oder Taschengeld nur einmal im Monat diese eine Platte leisten konnte, ehrlich über die Musik zu schreiben.
Aber ich habe auch negatives Feedback bekommen von denen, die meinten, man müsse immer positiv berichten, weil HipHop ein besonderer Fall sei, sowie von den Künstlern selbst. Aber du darfst dich nicht nach »positiv« oder »negativ« gehen, sondern musst das schreiben, was du für richtig hältst.
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Hat sich dieser kritische Ansatz jemals negativ auf die Auflage der »Hip-Hop-Connection« ausgewirkt?
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Nein. Aber mir waren die Verkaufszahlen des Magazins auch nie bekannt.
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Mit eurer eigenen Zeitschrift, dem großartigen Satiremagazin »Fat Lace«, seid Ihr mit eurem Humor noch einen großen Schritt weiter gegangen. Wie war die Resonanz darauf?
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Big up an den legendären Andy Cowan, den langjährigen Chefredakteur der »Hip-Hop Connection«, der uns auf seinen Seiten immer machen ließ, was wir wollten, und uns sehr unterstützt hat. Trotzdem wollten wir gern unser eigenes Ding machen und gründeten daher »Fat Lace«. Wir wollten eine Mischung aus 50 Prozent Humor und 50 Prozent Geschichten, die aus spannenden, neuen Künstlern und Huldigungen der alten Legenden bestanden. Ich glaube, die Leute waren dem Magazin sehr wohl gesonnen und haben es in guter Erinnerung. Wir haben nicht alles richtig gemacht. Aber wir haben Sachen gemacht, die im HipHop niemand vor uns und niemand nach uns getan hat. Wir liebten es, uns zu verkleiden und die Grenzen auszuloten. Du verarschst HipHop nicht so, wie wir es taten, wenn du nicht eine sehr große Leidenschaft für HipHop hast. HipHop war für die meisten von uns bei der »Fat Lace«-Crew die tonangebende Kraft in unserem Leben, also entstand alles, was wir taten, aus einer Zuneigung zu HipHop.
Negatives Feedback haben wir nur wenig bekommen und auch hier kam es dann von den Künstlern. Supernatural stand mit uns auf einigen UK-HipHop-Events auf Kriegsfuß, nachdem er unsere Biggie-Smalls-Autopsie gelesen hatte. Wir haben auch einige Sommer in New York verbracht, um »Fat Lace« bekannt zu machen. Einige Reaktionen auf das Magazin waren lustig. Dass sich offen über Rapper lustig gemacht wurde, das kannten die von amerikanischen Magazinen nicht und meinten: »Y’all crazy!« Aber diejenigen, die den britischen Humor zu schätzen wussten, mochten es. Und allen war klar, wie sehr wir HipHop liebten.
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Wie würdest du diesen britischen Humor beschreiben?
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Ich denke, er besteht im Wesentlichen aus einem ausgeprägten Sarkasmus und aus sehr viel Ironie. Auch aus etwas Albernheit.
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Stimmt es, dass »Fat Lace« das erste Magazin war, das Eminem auf seine Titelseite nahm?
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Ja, das ist vollkommen richtig. Ich habe in diesem Zusammenhang das Glück, dass mein bester Freund und Partner in Crime Dan Greenpeace hervorragend vernetzt ist und solche Dinge möglich machen kann. Außerdem waren wir für eine Geschichte mal wieder zum richtigen Zeitpunkt in New York und hörten von dem Buzz, den Eminem hatte, als er noch underground und nur hier und da mal in Gast-Parts zu hören war. Dan arrangierte und führte das Interview mit Eminem, kurz bevor seine erste große Single erschien. Und so gelang es uns, nicht nur ein exklusives Interview zu bekommen, sondern auch eine Voransicht seines Videos. Wir entschieden uns, ein Standbild aus dem Video zu entnehmen und es als Titelbild zu verwenden. Das Tolle daran ist, dass Eminem und sein Manager unseren Support niemals vergessen haben und uns immer noch sehr wohl gesonnen sind. Als ich ein paar Jahre später mal ein Zitat für das Cover eines Buches brauchte, haben sie mir auch geholfen.
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»Dieses Buch ist wie eine Reise in die HipHop-Vergangenheit. Es erinnert mich daran, wie ich groß geworden bin«, heißt es in einem Zitat von Eminem auf dem Titel deines Buches »The Book of Hip Hop Cover Art«. Meinst du das?
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Ja, das ist es.
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Das Buch erschien noch über einen Verlag. Wieso hast du dich bei »Wiggaz With Attitude« dafür entschieden, es im Eigenverlag (Fat Lace Publishing) zu veröffentlichen?
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Es gab ein paar interessierte Verleger, aber entweder haben sie das Buch nicht ganz kapiert oder hielten es für ein Nischenprodukt. Von ein paar Ausnahmen abgesehen versteht die große Mehrheit der Leute, die Verlage leiten oder die Mittler, die für sie arbeiten, nicht wirklich etwas von HipHop und davon, wie weitverbreitet seine Geschichte inzwischen ist. Dadurch, dass ich mein Buch selbst veröffentliche, kann ich es besser vermarkten, als sie es könnten, kann das Copyright behalten oder es, wann immer ich möchte, verändern und bekomme am Ende ein größeres Stück vom Kuchen. Ich bin ein großer Anhänger von Selbstverlagen, aber du musst es angehen wie ein Profi: Du brauchst einen Redakteur und einen Designer für ein ordentliches Cover. Es muss schon wie ein Buch aussehen und nicht wie etwas, das du in deinem Zimmer gebastelt hast.
- »Manche sagten mir, es war, als hätten sie in ihrem eigenen Tagebuch aus ihrer Jugend gelesen.« Auf Twitter teilen
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Wie verkauft sich dein Buch bislang? Bist du zufrieden?
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Es läuft sehr gut. Vielen Leuten ist nicht klar, wie gering die Verkaufszahlen der meisten Bücher sind. Die meisten verlieren Geld. Ich war davon ausgegangen, insgesamt ein paar Hundert Stück zu verkaufen und habe das bereits im ersten Monat erreicht. Das Beste daran ist sowieso, dass mir Leute schreiben und mir sagen, wie viel ihnen das Buch bedeutet und wie sehr es sie an ihre eigene Geschichte erinnert. Manche sagten mir, es war, als hätten sie in ihrem eigenen Tagebuch aus ihrer Jugend gelesen. Das bedeutet mir mehr als Verkaufszahlen.
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Um nochmal auf die Magazine zurückzukommen: Gab es in Großbritannien neben »Hip-Hop Connection« und »Fat Lace« eigentlich noch andere HipHop-Magazine?
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Es gab viele Independent-Magazine, – die kamen und gingen. Ein paar Mainstream-Magazine hatten eine gute HipHop-Berichterstattung: »Echoes«, »Straight No Chaser«, »Soul Underground«, »Record Mirror«,… Aber für reinen HipHop-Journalismus war »Hip-Hop Connection« immer die erste Adresse. »Fat Boss« von Mat C war eine Zeit lang auch noch ein gutes Magazin, vor allem hinsichtlich des Designs, so viel zu lesen gab es da, glaub ich, gar nicht. »Big Daddy« hatte auch ein paar großartige Interviews.
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Kannst du dich noch dran erinnern, wie du dich gefühlt hast, als du deinen ersten Artikel für das Magazin geschrieben hast – das Magazin, das du schon von klein auf gelesen hattest?
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Ich war wahnsinnig aufgeregt. Zuerst hatte ich Stephen Worthy, den damaligen stellvertretenden Chefredakteur, kontaktiert, aber er lehnte meinen Vorschlag ab. Ich war völlig niedergeschlagen – ich habe ihn erst neulich auf einer Party wiedergesehen und ihn an diese Geschichte erinnert! Ich nahm dann bei einem anderen Redakteur einen neuen Anlauf und diesmal hatte ich Glück. Ich glaube, es ging um eine Album-Review oder zwei. Als ich dann erst mal einen Fuß in der Tür hatte, ging mein Selbstvertrauen durch die Decke und ich kam mit einer Themenidee nach der anderen. Unmittelbar bevor es mit »Hip-Hop Connection« losging, hatte ich meine erste bezahlte Schreibarbeit für den »New Musical Express« bekommen, für die ich ein paar HipHop-Reviews schrieb. Von daher hatte ich schon das Gefühl, für den Job geeignet zu sein.
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Gibt es Ideen, auf die du stolz bist oder an die du dich gern erinnerst?
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Ich war sehr stolz auf »Def Chef«. Das war eine HipHop-Rezept-Kolumne in den Neunzigern, die ihrer Zeit weit voraus war. Stolz bin ich auch darauf, später die Rubrik »Crap Graf« (in Fat Lace; Anm. d. Verf.) und die Phrase »alternder B-Boy« (»ageing B-Boy«) erfunden zu haben. Wenn man das dann irgendwo hört oder im Internet drauf stößt, dann gibt es einem das Gefühl, einen kleinen Beitrag geleistet zu haben.
- »Es gab sehr viele Künstler, bei denen sich zeigte, dass sie großartige Geschichten zu erzählen hatten.«Auf Twitter teilen
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Welcher HipHop-Künstler, den du interviewt hast, erwies sich als der coolste?
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Diese Frage ist wirklich schwer zu beantworten, weil es so viele waren. So viele Helden, aber auch so viele, die ich eigentlich gar nicht interviewen wollte, mit denen ich dann aber sehr gut klarkam. Es gab sehr viele Künstler, bei denen sich zeigte, dass sie großartige Geschichten zu erzählen hatten. Ich hatte tolle Zeiten mit RZA, Jazzy Jeff, T La Rock, J Dilla und vielen anderen. Aber an erster Stelle wird für mich immer Chuck D stehen, weil er mein absoluter Held ist.
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Vor diesem Hintergrund muss es sich für dich besonders schön gewesen sein, mit Chuck D für dein »Cover Art«-Buch zusammengearbeitet zu haben.
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Absolut. In diesem Zusammenhang habe ich ihn interviewt. Public Enemy gab in London ein Konzert. Die einzige Möglichkeit, ihn für mein Buch zu interviewen, war, als er sich nachts in einem Hotel die Haare schneiden ließ. Trotzdem war es immer noch ein fantastisches Interview, in dem sich Chuck D als echter Gentleman erwies.
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Und wer war die größte Enttäuschung für dich?
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Viele Künstler haben mit diesen Pressekonferenzen Probleme und manchmal ist das auch verständlich. Aber manchmal sind sie auch einfach Arschlöcher. Method Man erwies sich gleich mehrmals als Arschloch: schreckliche Antworten, Telefonieren während des Interviews… Ich war extra nach Paris gereist und bekam dann ein Interview von 30 Minuten. Auch die Beastie Boys habe ich als sehr unhöflich erlebt. Die machten die ganze Zeit nur Insiderwitze.
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Wen würdest du gern noch interviewen?
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Ich habe nicht mehr das Verlangen, irgendwelche Rapper zu interviewen. Sie wurden alle schon irgendwann von irgendwem interviewt und oftmals besser, als ich es je könnte. Aber ich bedauere es, nie KRS One, LL Cool J, Rakim oder Q-Tip interviewt zu haben. Abgesehen von KRS habe ich leider auch nie irgendein Konzert von den anderen gesehen.
- »Ich habe das UGK-Album »Ridin‘ Dirty« rezensiert und es zerrissen.« Auf Twitter teilen
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Was war als Journalist deine größte Fehleinschätzung in Bezug auf ein Album, einen Künstler oder ein Genre?
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Wo soll ich anfangen? Alle Autoren haben solche Leichen im Keller: das Klassiker-Album, das sie verrissen haben, das Genre, das sie übersehen haben. In meinem Fall war es wohl UGK: Ich war lange zu sehr in so einer reinen Eastcoast-Geisteshaltung gefangen, dass ich mir nicht viel andere Musik angehört habe. Ich habe das UGK-Album »Ridin‘ Dirty« rezensiert und es zerrissen. Heute liebe ich es!
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In deinem neuen Buch setzt du dich stellenweise nicht nur kritisch mit Rassismus auseinander, sondern auch mit Sexismus. Wie hast du damals über die »Hip-Hop Honeys«-Rubrik gedacht, die es zeitweise in der »Hip-Hop Connection« gab?
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Ich kann die Motivation dahinter schon etwas nachvollziehen. Das Magazin hatte damals mit seinen Einkünften und dem Anzeigenaufkommen zu kämpfen. Deshalb akzeptierte der Chef dann jedes Anzeigenangebot, um das Magazin am Leben zu erhalten. Ich habe mich dessen selbst schuldig gemacht. Bei »Fat Lace« haben wir online so eine Rubrik mit Models in HipHop-T-Shirts gemacht, die wir »Freaky Fridays« nannten. Es wäre daher heuchlerisch, wenn ich darüber ein Urteil fällen würde.
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Wer war eigentlich Colonel Taylor, dieser grandiose Kolumnist bei »Hip-Hop Connection«?
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Keine Ahnung! Andy Cowan hat das immer absolut geheim gehalten.
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Ernsthaft? Keine Idee, wer der Typ auf dem der Kolumne beigefügten Foto sein könnte?
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Keinen Schimmer, tut mir leid.
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Dein neues Buch ist unter anderem Andy Cowan gewidmet, der lange Zeit sowohl Chefredakteur als auch Herausgeber der »Hip-Hop Connection« war. Du dankst ihm dafür, dir geholfen zu haben, deinen Weg zu finden. Wie hat er das getan?
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Andy hat einen als Chefredakteur so unterstützt, wie man es sich nur wünschen kann. Es gab eine Zeit, in der ich ihn in einer Tour mit Ideen belagerte. Und er hat nur selten etwas davon abgelehnt. Und er hat mich in die richtige Richtung gelenkt, wenn ich mal daneben lag. Er hat uns nie zensiert, scheute nie die Kontroverse, sondern hat einfach gedruckt, was du geschrieben hast und dir am Ende des Monats einen Scheck ausgestellt.
Er war es auch, der die »Hip-Hop Connection« am Laufen hielt, als die Herausgeber wechselten, als die neuen Eigentümer, »Ministry of Sound«, das Magazin verändern wollten und als das Anzeigenaufkommen als Folge des Zusammenbruchs der Plattenfirmen in sich zusammensank. Und er machte all das mit Verstand. Er förderte die Autoren. Meiner Meinung nach hatte »Hip-Hop Connection« das beste Autorenteam, das es je gab. Lediglich »Ego Trip« kamen da nah dran. Aber hinsichtlich des monatlichen Outputs und der Möglichkeit, Autoren wie Phillip Mlynar, Angus Batey, Rob Pursey, Mike Lewis, James McNally, Dan Greenpeace, Yoda und verschiedene Gastkolumnisten, lesen zu können, stand »Hip-Hop Connection« außer Konkurrenz; nicht zu vergessen die Legenden der Vergangenheit, Malu Halasa und Vie Marshall. Das waren alles Leute, die nicht nur HipHop liebten, sondern auch großartig schreiben konnten.
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Hast du eine Lieblingsgeschichte, die bei »Hip-Hop Connection« erschienen ist?
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Ja, aber das hebe ich mir für mein nächstes Buch auf.
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Was macht Andy Cowan heute?
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Das, was er immer macht: Er betreibt ein riesiges Netzwerk von Katzenspionen.
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Was sind »Katzenspione«?
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Katzen, die spionieren.
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Konntest du von deiner Arbeit für »Hip-Hop Connection« leben?
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Nein, aber darum ging es auch nicht.
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Gab es überhaupt Autoren, die davon leben konnten?
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Nein, alle Autoren waren hauptberuflich anders tätig oder schrieben für weitere Magazine. »Hip-Hop Connection« war kein großer Zahler – Andy hat dir buchstäblich das bezahlt, wozu er in der Lage war. Es gibt nicht viele Leute, die im Verlagswesen reich werden.
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Wie hast du eigentlich recherchiert, als es das Internet noch nicht gab? Wie haben HipHop-Journalisten, die andere Leute über HipHop informiert haben, sich selbst informiert? Abgesehen davon, dass es noch kein Internet gab, waren selbst Magazine, Bücher und so weiter damals noch wenig bis gar nicht vorhanden.
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Gute Frage. Ich glaube, damals musstest du dich auf dein eigenes Wissen stützen, das du dir über die Musik selbst angeeignet hattest. Als ich noch jung war, hatte ich die Gabe, mir jeden Text eines jeden Albums und wer was produziert und wer mit wem kollaboriert hat einprägen zu können. Mit dem Alter wird das schwieriger. Glücklicherweise haben wir inzwischen das Internet, was das heute für uns erledigt. Damals ging man, förmlich nach Fragen ringend, in die Interviews, sodass man improvisieren und einfach schauen musste, wie sich das Gespräch dann entwickeln würde.
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Wie war das dann für dich, als »Hip-Hop Connection« eingestellt wurde?
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Ich war sehr traurig. Andy hat alles dafür getan, »Hip-Hop Connection« am Leben zu erhalten. Aber wie wir am Beispiel von anderen großen Musiktiteln sehen können, ist es schwierig, sie aufrechtzuerhalten. Der Tiefstand wurde erreicht, als die Anzeigen der Plattenfirmen wegbrachen. Es war schade für alle: für die Autoren, die Künstler, die in dem Magazin beleuchtet wurden, und für die Leser. Mir fehlte dieses kreative Ventil, das ich in »Hip-Hop Connection« für meine Ideen gefunden hatte.
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Hast du ein anderes Ventil für deine Ideen finden können?
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Ja. »Wiggaz With Attitude« zu schreiben war eins. Mein Blog vorübergehend ein weiteres. Ich schreibe auch etwas Belletristik und arbeite an einigen Gemeinschaftsprojekten, die noch in den Kinderschuhen stecken. Ich finde immer einen Weg, meine Kreativität auszudrücken.
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Auch wenn es »Hip-Hop Connection« nicht mehr gibt, so schreibst du immer noch gelegentlich über HipHop, zum Beispiel für »The Guardian«. Worüber schreibst du sonst noch? Ich meine, in irgendeinem deiner Social-Media-Accounts über einen Reiseführer gestolpert zu sein, den du über München schreibst…
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Ich habe zwar immer vor allem über HipHop geschrieben, aber ich habe mich stets zuerst als Autoren gesehen und erst an zweiter Stelle als HipHop-Autor. Seit über 20 Jahren schreibe ich über das Fernsehen, Kino, Sport, Reisen – je nachdem, wofür die Leute bereit sind, Geld zu bezahlen. Ich schreibe recht viel Reisematerial für digitale Agenturen. Ich habe gerade erst eine kleine Serie über Stuttgart geschrieben: Wo man dort essen gehen und übernachten kann, was sich als Tagesausflüge anbietet, die zehn Hauptattraktionen, Führungen durch die einzelnen Stadtteile, all so was. Derzeit schreibe ich ein Buch über Self-Publishing. Außerdem starte ich in Kürze ein Crowdfunding für ein Gemeinschaftsprojekt, in dem es um Craft Beer geht. Darüber hinaus suchen Dan Greenpeace und ich gerade nach einem Weg, um ein gemeinsames Buch über unsere Sammlungen von HipHop-Memorabilia zu finanzieren.
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Aus irgendeinem Grund gibt es zwischen den HipHop-»Szenen« in Großbritannien und Deutschland seit jeher kaum Berührungspunkte, abgesehen von den frühen Neunzigern, als deutsche HipHopper einen Narren an Hardcore-Rap von Künstlern wie Gunshot, Blade oder Silver Bullet aus Großbritannien fraßen und ihn »Britcore« tauften. Hast du irgendeinen Bezug zu deutschem HipHop? Den einzigen Bezug zu Deutschland, den ich in deinem Buch finden konnte, waren die Bemerkungen über deutsche Koprophilie-Pornos…
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Ja, tut mir leid, dass ich dieses alte Klischee noch einmal aufgewärmt habe. Tatsächlich habe ich Deutschland unheimlich gern und liebe es, dort zu reisen. Mein Wissen über deutschen HipHop geht allerdings gleich Null. Und so traurig es ist, gilt das ebenso für französischen, italienischen und den allermeisten anderen HipHop. Wir Briten sind nicht besonders gut darin, fremde Sprachen zu lernen, und das stellt gerade im Rap natürlich eine große Barriere dar. Da spricht unsere alte koloniale Arroganz aus uns!
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Wie informierst du dich heute über HipHop?
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Ich habe das Glück, Freunde zu haben, die die HipHop-Szene immer noch auf die neusten Sachen abklopfen und ihre Entdeckungen entweder direkt mit mir oder in den sozialen Medien teilen, sodass ich auf dem Laufenden bleibe. Natürlich bin ich nicht mehr so genau im Bilde, wie ich es noch in meinen Zwanzigern war. Dafür ist es inzwischen einfach viel zu groß und mein Leben viel komplexer geworden: Arbeit, Heirat, Scheidung, soziales Leben, mein Hund, das Haus in Schuss halten… Da kann es schon schwierig werden, noch Zeit dafür zu finden, zumal heute sehr viel mehr HipHop im Umlauf ist als früher.
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Was würdest du am gegenwärtigen HipHop-Journalismus kritisieren?
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Ich lese nicht mehr so viel über HipHop, da das meiste ja nur noch online erscheint. Aber ich weiß, dass es da draußen immer noch einige hervorragende Autoren gibt. Ich glaube Kritik kann ich ansatzweise nur an den Leuten üben, die Podcasts und Radiosendungen produzieren. Die sollten alle dringend mal bei Shawn Setaro auf »The Cipher« reinhören: Der Mann macht seine Recherche, stellt interessante Fragen und liefert immer gute Interviews mit sehr unterschiedlichen Leuten. Wenn ich dagegen Peter Rosenberg höre, wie er in jeder Sendung Fehler macht und himmelschreiende Wissenslücken offenbart und dabei noch nicht einmal ein guter Moderator ist, der das verschleiern könnte, dann erinnert mich das an die düsteren Zeiten von »The Source«, die beschissene Autoren hatten, aber überall rein- und rankamen. Ich fand es immer schade, dass all die großartigen »Hip-Hop Connection«-Autoren, diese Möglichkeiten nicht hatten. Sie hätten richtig was gerissen!
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Deinem Instagram-Account zufolge warst du in letzter Zeit öfter in Dubai, wo du mit Leuten, wie Large Professor, abgehangen hast. Was hat es mit dieser »Dubai Connection« auf sich?
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Dan Greenpeace – der Typ ist sowas wie mein eigener Bruder – ist inzwischen ein Talent-Booker und Geschäftsmann in Dubai. Das heißt, er bucht Leute wie Drake, Ed Sheeran und Emeli Sandé, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Aber auf der anderen Seite bucht er eben auch Leute wie Large Professor, Diamond D, Stretch Armstrong und Mobb Deep, um seine anhaltende Liebe für HipHop zu zeigen. Es ist ein Privileg für mich, ein-, zweimal im Jahr, meinen Freund dort zu besuchen und zu sehen, welche Rap-Stars er gerade wieder vor Ort hat. Vorletztes Jahr habe ich Diamond D zum Quad-Fahren in die Wüste mitgenommen, als alle anderen keine Zeit hatten. Das war eine surreale Erfahrung.
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Kannst du das noch etwas näher ausführen?
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Irgendjemand hatte Diamond D und Large Pro gegenüber erwähnt, dass man in der Wüste Quad-Fahren könne. Ich saß mit im Auto, als Large Pro sich dagegen entschied, also fragte Diamond mich, ob ich mitkäme. Allein mit Diamond D und einem Fremdenführer in der Wüste zu sein, das war einfach surreal: Wir posierten für Fotos und fuhren an Kamelen vorbei. Ich kenne Diamond sonst gar nicht. Aber mit dem Mann, der für einige meiner Lieblingsmusik verantwortlich ist, da draußen zu sein, war großartig. Er war allerdings ein sehr schlechter Quad-Fahrer!
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Ich weiß noch, wie es in der »Hip-Hop Connection« mal eine Debatte über den umstrittenen Begriff »Wigga« gab. Wieso hast du dich bei deinem Buch dazu entschieden, dieses Wort in deinem Titel zu verwenden? Und was für Feedback hast du darauf bekommen?
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Ich weiß, dass es ein Wort ist, das nicht jeder mag. Aber in Großbritannien war es nie allzu problematisch oder kontrovers, zumindest im Vergleich zu den USA. Ich hatte übrigens Eminem über seinen Manager eine Anfrage geschickt, weil ich gern ein Zitat von ihm für das Buch bekommen hätte. Aber sie lehnten mit der Begründung ab, dass sie nicht wollen, dass Marshall mit dem Wort »Wigga« in Zusammenhang gebracht wird. Ich verstehe das absolut und kann es nachvollziehen, denn dort drüben ist es etwas anderes. In Großbritannien ist es eher eine Trash Talk-Begriff, der noch dazu kaum verwendet wird. Mir ging es darum, einen starken Titel zu haben – und wenn er als Wortwitz funktioniert hat, aber auch ein paar Leute geärgert hat, dann umso besser. Es ist schwer, ein Buch selbst zu veröffentlichen und wahrgenommen zu werden, und ein langweiliger Titel wäre sicher nicht hilfreich gewesen. Aber mir ist natürlich bewusst, dass der Titel das Buch auf gewisse Weise eingrenzt. Ich befinde mich gerade in Gesprächen darüber, aus dem Buch eine Fernsehsendung zu machen, und der Titel wird das erste sein, was geändert werden wird!
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Eine Fernsehsendung? Das war jetzt der gute alte HHC-/Fat Lace-Humor, oder?!
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Nein. Ich arbeite mit einer Produktionsfirma in Großbritannien zusammen. Sie lieben das Buch und wollen es gern adaptieren. Gerade haben wir einen Drehbuchautor gefunden, der mit an Bord sein soll. Es ist alles noch im Anfangsstadium, aber wir werden unser Filmmanuskript den großen Fernsehsendern vorstellen. Wir haben auch schon darüber gesprochen, einen großen US-Rapper für den Film gewinnen zu wollen, um ein paar der Fußnoten aus dem Buch zu erzählen.
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In deinem Buch beschreibst du an einer Stelle, wie einige der Darsteller aus dem Film »Wild Style« an dem Amphitheater im East River Park wieder zusammenkommen. War das eine Geschichte für »Hip-Hop Connection«? Worum ging es bei diesem Treffen?
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Das war in der Tat für »Hip-Hop Connection«. Das war mal wieder eine Idee von Dan Greenpeace. Er, unser Freund Mike Lewis und ich setzten sie dann in die Tat um. Wir wollten, einige der originalen Wild-Style-Legenden für ein Foto-Shooting am Amphitheater versammeln und haben genau das gemacht. Aber die Details hebe ich mir für mein nächstes Buch über HipHop auf. Darin wird es mehr über meine Zeit als Journalist und die Geschichten dahinter gehen.
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Kannst du schon sagen, wann es erscheinen wird?
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Nein. Zurzeit ist bei mir gerade sehr viel los, sowohl beruflich als auch privat. Ich ziehe um, lasse mich gerade scheiden und arbeite an weiteren Verlagsprojekten. Aber wenn all das erledigt ist, werde ich dem Buch meine volle Aufmerksamkeit widmen, zumal sehr viel gutes Material vorliegt.
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Viele der älteren Rap-Fans klagen über den aktuellen Status von HipHop. Du zählst offensichtlich nicht dazu. Wie hältst du dich in Anbetracht der Schwemme an neuen Veröffentlichungen und Styles auf dem Laufenden? Und mit welchen jüngeren Künstlern kannst du etwas anfangen?
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Ich kam 1984 zu HipHop, und schon damals gab es Leute, die den Status von HipHop beklagten. Jedes Musikgenre wird immer seine Leute haben, die auf so was wie ein goldenes Zeitalter zurückblicken. Und das ist okay. Es ist ihr gutes Recht, ausschließlich die Musik aus den Jahren von 1986 bis 1994 zu hören, wenn sie das möchten. Sie haben die Wahl. Aber wenn du mich fragst, klingt das für mich immer ein bisschen nach dem Brexit: Die Leute träumen von einer Zeit, in der angeblich alles perfekt war, was in Wirklichkeit aber nie der Fall war. Es gab jede Menge Scheißplatten im Jahr 1987 – und das sage ich, obwohl 1987 mein Lieblingsjahr ist. Man hört ja auch immer wieder, dass Rap heute immer nur von Drogen handele oder zu viel Gewalt oder Sex beinhalte. Haben diese Leute sich jemals die Raps aus dem HipHop der späten Siebzigerjahre angehört? Die Texte damals hatten keinerlei Substanz! Es ging ausschließlich um Angeberei, Sex und zu einem guten Teil auch über Waffen und Drogen. Kaum einer droppte Knowledge.
Von daher kann ich sagen, dass sich für mich HipHop nicht verändert hat. Es ist nur größer geworden. Das bedeutet, dass du mehr ignorieren kannst. Aber dass es auch sehr viel guten Kram gibt, der sich zu entdecken lohnt. Du musst einfach weiterhin Musik hören. Ich habe das Glück, dass mich Leute auf Sachen aufmerksam machen. Mein Mann Rob Pursey empfiehlt mir immer wieder neuen Kram. Er brachte mich auf Ab-Soul und Kendrick Lamar, lange Zeit bevor Letzterer bekannt wurde. Und ich war von Anfang an schwer begeistert. Ich halte Kendrick für ein Talent, wie es eine Generation nur einmal hervorbringt. Anderson .Paak ist phänomenal. Ich mag auch diese beiden Southern-Rapper sehr gerne, Don Trip und Starlito. Die machen beide großartige Solo-Sachen, aber arbeiten auch hervorragend zusammen. Sie haben eine tolle Chemie und Punchlines, aber verpackt in diesem Southern-Style.
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Was macht 1987 zu deinem Lieblingsjahr?
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Ich glaube, es war die Zeit, in der HipHop so richtig ausreifte. Samplebasierter HipHop war das Größte und Gruppen wie Public Enemy, EPMD, Eric B & Rakim, hatten ihre beste Zeit. Außerdem war ich damals 14 Jahre alt und entsprechend aufgeschlossen für all diese Einflüsse.