Sascha »Busy« Bühren »Wir haben mit ›Feuerwasser‹ einen echten Klassiker gezaubert.«

Laut Curse ist Sascha »Busy« Bühren das Herzstück seines legendären Debütalbums »Feuerwasser«. Zum 15-jährigen Jubiläum und der umfassenden Berichterstattung auf ALL GOOD darf ein Gespräch mit dem Mastering-Engineer und Produzenten nicht fehlen.

Busy

Sascha »Busy« Bühren ist einer der gefragtesten Mastering-Engineers des Landes und fährt für seine Arbeit für Seeed, Die Fantastischen Vier, The BossHoss, Silbermond und Unheilig Gold- und Platin-Auszeichnungen am laufenden Band ein. Seinen Weg in das Musikbusiness beginnt der gelernte Radio- und Fernsehtechniker als DJ und Produzent für GI-Rapper der nordrhein-westfälischen Peripherie. Der Keller seines Elternhauses in seiner Heimatstadt Bad Oeynhausen wird in Folge zu einem der magischen Orte der hiesigen HipHop-Historie – hier entstehen sein Klassiker-Remix für Cora E.s »Schlüsselkind« und eben sämtliche Songs für »Feuerwasser«. Nicht nur deswegen bezeichnet Curse Busy als das »Herzstück« seines Debütalbums.

Wenn Curse 2015 15 Jahre »Feuerwasser« feiert, dann feiert auch Busy 15 Jahre »Feuerwasser«. Was es ebenso zu feiern gibt: die exklusiv von ALL GOOD präsentierte »Feuerwasser 15«-Tour ab November. Darüberhinaus veröffentlicht Curse am 20. November eine Re-Edition seines legendären Debütalbums. Neben den üblichen CD- und Vinyl-Formaten wird es auch eine limitierte Collector’s Edition geben, in der neben Sechsfach-Vinyl und allerlei Bonus-Material auch das Buch »Warum hört ihr mir eigentlich zu?« enthalten ist, das die Autoren von ALL GOOD geschrieben haben. Diese limitierte »Feuerwasser 15«-Edition kann man ab sofort hier vorbestellen.

Für das Buch wurden über 35 Interviews geführt, welche die Basis für die 100 Seiten starken, definitiven Liner Notes zu »Feuerwasser« bilden. Neben dem ausführlichen Gespräch mit Curse‘ ehemaligem Manager und Verleger Götz »GG« Gottschalk liefert das Interview mit Sascha »Busy« Bühren umfassende Insights aus der Zeit der Entstehung des Klassikers. Dieses Interview wird in Auszügen auch im Buch zu finden sein – und in voller Länge nun exklusiv hier auf ALL GOOD.

  • Wann hast du Curse kennengelernt?

  • Ich habe früher Baseball gespielt. Und auf dem Mindener Stadtfest haben wir unseren Verein vorgestellt. Wir haben da voll einen auf Ami gemacht und mit einem dicken Ghettoblaster die neusten Hits aus den USA gespielt. Es lief den ganzen Tag Das EFX und EPMD. Und dann stand da auf einmal Mike – ein kleiner schmächtiger Typ mit einem Mecki-Haarschnitt, dicker Brille und einem Umhänger mit dickem Afrika-Symbol aus Holz um den Hals. Der sagte dann, wie geil er es fände, dass wir hier Rap spielen und dass er selbst hier auf der Bühne auftrete. Und dann fragte er: »Kennt ihr diese Band Blaque aus Bad Oeynhausen? Von denen schon mal was gehört?« Mein Kumpel ist gleich drauf eingestiegen. »Klar kenn ich die!« Mike hat dann nachgelegt: »Ja, das sind doch zwei weiße Rapper und ein schwarzer DJ!« Daraufhin mein Kumpel: »Ne, du. Das sind zwei schwarze Rapper und ein weißer DJ. Und der DJ steht hier direkt neben dir!« Mike ist erst mal ziemlich in sich zusammengefallen, aber hat dann gleich die Chance gepackt und gefragt, ob er mal bei mir vorbeikommen kann und mir was von sich vorspielen. Ich dachte dann schon, dass ich jetzt so einen 13-jährigen Stöpsel bei mir in der Bude habe. Schließlich war ich schon 20 und da sind sieben Jahre Altersunterschied schon eine lange Zeit. Zu dem Zeitpunkt war Rap auf Deutsch für mich sowieso nicht existent. Die Deutschrap-Szene war für mich einfach nicht relevant. Irgendwann war Mike dann mal bei mir im Studio zu Besuch. Seine Mutter hat ihn zu mir gefahren. 

  • Curse Mutter hat also ihren 13-jährigen Sohn zu einem 20-Jährigen gefahren, damit er bei ihm im Keller Musik machen kann…

  • Das war auch für mich völlig absurd. Ich habe ja damals normalerweise mit Ami-Rappern zusammengearbeitet, die fünf Jahre älter waren als ich. Noch absurder war, dass Mama Curse mit im Keller saß. Während ich mit Mike die ersten Probeaufnahmen gemacht habe, saß seine Mama bei mir auf der Couch und schälte ab und zu für ihren Jungen einen Apfel. Die wollte mich natürlich auch erst mal kennenlernen. Erst als das Vertrauen da war, hat sie ihn nur hingebracht und abends dann wieder abgeholt.

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  • Warst du der große Bruder für ihn?

  • Seine Texte waren damals schon außergewöhnlich gut geschrieben. Er hat dazu akzentfrei auf Englisch gerappt. Wir haben ja dann auch sehr, sehr lange gemeinsam an Demos gearbeitet. Am Anfang war ich nicht sein großer Bruder – ich habe mich auch wirklich nie so gefühlt. Anfangs war das eher ein Auftrag für mich. Ich habe mit ihm Demos produziert und er konnte darauf rappen. Mit der Zeit wurde der Altersunterschied unwichtig und wir wurden dicke Freunde. Mike war für sein Alter ziemlich weit. Ich war ja nach meiner Zeit mit Blaque wieder zurück in meinem Job als Radio- und Fernsehtechniker und habe eben in meiner Freizeit Musik gemacht. Um wieder die Musik zum Beruf zu machen, gab es für mich nur eine Möglichkeit: Ich musste produzieren, produzieren, produzieren. Und irgendwann würde ich vielleicht den Punkt erreichen, an dem ich das beruflich machen kann. Mit Mike hatte ich eben diesen Typen im Studio, der es tierisch drauf hatte, aber man einfach noch nicht wusste, wohin es gehen soll. Ich fühlte mich damals schon zu alt, um auf die ganzen Jams zu tingeln. Aber das hat Mike dann gemacht. In den ersten Jahren, in denen Mike bei mir war, war er ja noch gar nicht Curse. Da war er Little Mic. Dann war er Hedshogg. Das »Curse« kam erst viel später in der Zeit, als er in den Staaten studierte.

    Mike war ja dann in Amerika und als er zurückkam, hat er nur noch auf Deutsch gerappt. Das war auch für mich ein sehr wichtiger Punkt. Das muss wohl so 1995, ’96 gewesen sein. Da habe ich mich mit meinem Cousin zusammengetan, der ein Funk- und Soul-Plattensammler war mit knapp 6.000 Platten. Mein Cousin Christoph hat dazu auch begeistert Studio-Equipment gesammelt. Er hat sich alles gekauft, konnte es aber nicht richtig bedienen. Ich konnte es und war mit der Technik immer vertraut. Deswegen haben wir gedacht, dass wir vielleicht zusammen in der Werbemusik-Branche Fuß fassen könnten. Und dann kam Mike um die Ecke und meinte, dass er sein Ding bei mir aufnehmen möchte. Auf Deutsch. Er war davon überzeugt: Das ist genau das, was abgehen wird. Mein Cousin und ich haben nur mit dem Kopf geschüttelt und gedacht, dass Rap auf Deutsch einfach nicht funktionieren wird. In einer legendären Nacht-Session – wir hatten damals auch Besuch von Mr. Wiz – haben wir dann bei Christoph zu Hause das originale »Alles real« aufgenommen. Davon gibt es leider keine Aufnahme mehr, weil wir das Tape damals auf dem Nakamichi Dragon aufgenommen haben. Das war unser Master quasi. Davon hat Mike dann mehrere Kopien angefertigt und auf Jams verteilt. 

    Jetzt kommt aber der entscheidende Punkt: Für Christoph wurde das alles ein wenig zu viel. Er wollte sich da rausziehen. Da hatten wir schon unser Studio bei mir im Keller aufgebaut. Er konnte eben nichts mit deutschem Rap anfangen und wollte das Studio einfach wieder abbauen. Ohne seine Sachen hätte ich aber nichts gehabt. Gar nichts. Und dann kam Mikes Mutter, die sagte, dass es jetzt einfach zu schade für ihren Jungen wäre, wenn an dem Punkt Schluss sei. Deswegen sagte sie, ich solle Christoph einfach mal fragen, was er für das Mischpult und den ganzen Kram haben will, damit wir weiter produzieren können. Mikes Mutter hat das Geld dann vorgestreckt und gesagt: »Ich zahl das, damit du die Sachen von Mike fertig machen kannst. Und du zahlst mir das Ganze einfach Stück für Stück zurück.« Parallel dazu hat Mike das »Alles real«-Tape auf eine Jam in Essen mitgenommen und da die Stiebers und Cora getroffen. Das war für uns beide der Moment des Durchbruchs. Ab da gab es kein Zurück mehr.

    Curse erzählte mir von diesem legendären Moment auf der Jam in Essen, als die Stiebers und Cora dort unser Demotape krass gefeiert hätten. Ich war sprachlos und konnte es gar nicht fassen, dass auch ausgerechnet die Stiebers mir so viel Liebe für meine Beats gegeben haben. Dann kam der für mich schönste und wichtigste Moment: Mike rief mich eines Tages an und sagte, er kommt mich gleich im Studio besuchen und hat eine Überraschung für mich dabei. Ein paar Stunden später klingelte es dann, ich lief die Kellertreppe hoch, öffnete die Tür und vor mir stand Mike zusammen mit Martin Stieber. Unter dem Arm hatte er seine SP-1200 und ein Achtfach-Multicorekabel. Der erste Satz war: »Der Busy«, im Heidelberg-Akzent. Ich war völlig geplättet. Die Stiebers waren da schon Helden für mich, weil mir Mike im Vorfeld Stieber-Demos vorgespielt hatte. An dem Tag schlossen wir die SP direkt an und Martin zeigte mir, wie einfach die SP-1200 funktioniert und was die Kiste alles kann. Er hatte seine Disketten dabei, auf denen das ganze Stieber-Album zu hören war. Dazu der Beat, auf den Mike dann später zusammen mit Stiebers, STF, Aphroe und Tatwaffe den legendären »Tausend MCs«-Track in den Container Studios in Hamburg aufgenommen hat. Ein paar Tage später klingelte bei mir dann das Telefon: Cora E! Cora war für mich eine Ikone, sie hatte zusammen mit Marius No.1 schon einen Deutschrap-Classic herausgebracht, den ich damals richtig gefeiert hatte. Das war dann wieder so ein Tag, an dem ich für einen Moment sprachlos war: Cora E. am Telefon! 

    Diese beiden Momente haben schlussendlich mein ganzes Leben geändert – in positiver Richtung. Das werde ich nie vergessen. Mike, die Stieber Twins und Cora E. sind mit die wichtigsten Menschen meiner bisherigen Karriere. Ohne sie wäre ich wahrscheinlich nicht da, wo ich heute bin. Cora E. hatte meine Beats bei Mike auf dem Demo gehört und fragte, ob ich nicht Lust hätte, für ihre kommende Single »Schlüsselkind« einen Remix beizusteuern. Was für eine Ehre! Ab da ging alles sehr, sehr schnell. Plötzlich waren Mike und ich mittendrin im Spiel. Plötzlich hatte ich die ganze Bande – Stiebers, Cora und Akim von MZEE bei mir im Bad Oeynhausener Kellerstudio. Cora hat den Remix extra noch mal bei mir neu aufgenommen. Der ging dann als »Fat RMX« in unsere Geschichte ein. Mike ging dann 1997 zurück nach Amerika, um in dem Jahr sein Studium abzuschließen. In der Zeit wurde ich von Akim ins Produktionsteam für Coras Album geholt. Doch bevor Mike zurück ging, bin ich im Sommer 1996 mit Mike dann auf die Popkomm nach Köln gefahren. Dort war es dann schon so eine Art Familientreffen – Stiebers, Cora, STF, RAG, DCS und so weiter. Und da stand eben dann auch auf einmal so ein Typ neben uns, der den ganzen Tag nur Witze gemacht hat. Das war Götz Gottschalk. Irgendwann klingelt dann bei mir das Telefon und Mike erzählt mir, dass er einen Vertrag unterschrieben hat. Verlagsdeal, Management- und Produktionsvertrag. Das fühlte sich im ersten Moment total komisch an. Wenn du mit Mike sechs oder sieben Jahre Vorarbeit leistest und mit ihm alle Demos machst. Aber irgendwie fügte sich auch alles zusammen. Mike und ich waren endlich da angekommen, wo wir hinwollten. In der Rückschau betrachtet, war es genau das Richtige. Ohne die Treffen aller wären wir alle ziemlich sicher nicht da, wo wir jetzt sind. Letztendlich ist ja daraus auch eine Freundschaft entstanden. Business-technisch hat Götz für uns ja sowieso einen sehr guten Job gemacht. Mike konnte sich nun auf das Schreiben konzentrieren, ich kümmerte mich um die Produktionen und Recordings und Götz regelte für Mike das Business.

  • Inwieweit wart ihr in die Business-Seite involviert? 

  • Götz hatte erst einen Demo-Deal mit Jive vereinbart. Es ging eben darum, fünf aussagekräftige Demos fertig zu machen, die dann letztendlich in einer ganz anderen Form teilweise auf dem Album gelandet sind. Wir hatten »Hassliebe« als Demo »Licht und Schatten« zum Beispiel. Bei Jive war es aber sehr schnell klar, dass sie diesen Typen unter Vertrag nehmen. 

  • Wie war das für euch mit Jive?

  • Für uns beide war es krass, Jive als Label zu haben. Es wurde aber dann ein wenig kompliziert, weil wir beide vor der Jive-Vertragsunterschrift noch als Busy & Curse durch die Lande gezogen sind. Aber ab da gab es dann andere Verhältnisse. Es war dann nicht mehr Busy & Curse, sondern eben nur noch Curse, gesignt bei Götz, der wiederum als Bandeigner gesignt war bei Jive. Somit war ich live nur noch sein DJ und nicht mehr im 50/50-Verhältnis. Da wurde mir schnell klar, dass ich mich mehr auf die Studioarbeit konzentrieren muss und weniger auf das Live-DJing. Ich war halt immer der musikalische Sidekick von Curse und Götz kam dann in der Exekutive dazu. Ich weiß noch, als wir »Sonnenwende« gemacht haben, sollte der Song noch die erste Single werden. Aber in der Form kam der Track dann gar nicht raus, denn Götz kam irgendwann nach Bad Oeynhausen zu mir ins Studio und da haben wir uns ans Board gesetzt und den Song gemeinsam ausproduziert. »Sonnenwende« in der endgültigen Version ist letztendlich ein Clash zwischen Götz und mir. Es war dann ja auch eine Doppelsingle – A- und AA-Seite. Den anderen Track »Erfolg« hatte Lord Scan beigesteuert. Ab da war Scan dann auch mit im »Feuerwasser«-Produktionsteam, der dann später eher die durchgeknallten Produktionen beisteuerte. Im Übrigen war ich sehr froh, dass wir Kool DJ GQ als neuen Live-DJ von Mike gefunden haben, somit war Curse auch live sehr gut aufgestellt.

  • Bist du Götz musikalisch auf Augenhöhe begegnet?

  • Ja, schon. Technisch auf jeden Fall. Er hatte ja selbst mit seinem Bruder in Solingen ein Studio bei seinen Eltern zu Hause. Da war ich auch mal. Götz hat ja damals auch noch mit seinem Bruder Remixes gemacht für die Fantastischen 4 und so. Technisch war er auf jeden Fall auf einem Level, dass wir uns unterhalten konnten. Götz war auch der erste für mich, der ein Studio als etwas Professionelles gesehen hat. Er war auch der Erste, mit dem ich mich über Credits unterhalten konnte. Ich habe ja wirklich jeden Credit auf einer Platte studiert: Wer hat es produziert? Wer hat recordet? Wer hat gemixt? Wer gemastert? Da waren Götz und ich voll auf einer Höhe. Während wir noch an »Feuerwasser« gearbeitet haben, war Götz schon mit Brixxx in New York im Platinum Island und hat da die krassen Ami-Producer gehabt. Wir wussten ja, dass wir mit Götz einen Typen hatten, der für etwas steht. Uns war nur nicht klar, wo die Reise hingehen sollte. Wir wusste nicht, ob wir jetzt auch in die USA in ein Studio gehen. Aber eigentlich war schnell klar, dass das alles bei mir zu Hause stattfinden sollte. Obwohl das Budget es eigentlich hergegeben hätte, in New York aufzunehmen. Wenn es das heute geben würde – da würden einige Producer heute Luftsprünge machen. 

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  • Habt ihr in der Zeit also wie die Made im Speck gelebt? 

  • Curse konnte sich von dem Geld des Vertrags eine eigene Wohnung leisten, in der er mit seiner Freundin gewohnt hat, die ja auch eine entscheidende Person für so manchen Song von Mike war. Curse hat ja nie eine Ausbildung gemacht. Ein normales Berufsleben kannte er nicht. Ich weiß noch, wie ich damals Mikes Eltern eine Satellitenanlage an ihr Haus angebracht habe. Ich war damals noch als Radio- und Fernsehtechniker unterwegs und Mike sollte mir eigentlich beim Aufbau mithelfen. Er sollte dann eine Zwei-Meter-Metallstange für die Erdung in den Boden hauen. Als ich dann dahin kam, war von Curse keine Spur. Ich habe ihn dann mit Lord Scan auf dem Dach gefunden, wo sie einen gebufft haben. (lacht) Der Vorschuss hat ihm schon einen kleinen Luxus gebracht. Wobei es Mike von zu Hause aus eh nie an etwas gemangelt hat. Seine Eltern haben auch immer hinter ihm gestanden und ihn supportet, wo es nur ging. Dass man später dann in der Musikwelt so hoch gehandelt wird, dazu noch von Leuten wie den Stiebers und Cora … Das konnte keiner von uns erahnen. Auch nicht, dass man auf einmal mit seinem Hobby Geld verdient. Wir waren auf einmal drin in dem Spiel. Und es gab keinen Weg zurück.

  • Wie war Deutschrap denn zu der Zeit?

  • Ich hatte bis zu dem Zeitpunkt, an dem Mike zu mir kam und gesagt hat, dass er jetzt auf Deutsch rappt, gar nichts mit Deutschrap zu tun gehabt. Mike hat dann eben »Alles real« und »Intelligenz« gemacht, der dann auch auf dem »Flowzirkus«-Sampler gelandet, den unter anderem Chris Maruhn zusammengestellt hat. Das war auch der erste Journalist, der sich wirklich mit uns auseinandergesetzt hat. Er hat mich auch ein wenig dazu bewegt, mich mit dem Deutschrap-Ding auseinanderzusetzen. Die endgültige Initialzündung für mich war aber das Kennenlernen mit Martin Stieber. Zwischen uns beiden hat es sofort gefunkt. Ab da hat mich irgendwas an diesem Deutschrap fasziniert. An dem Wochenende, an dem Curse, Martin und ich gemeinsam nach Hamburg gefahren sind, um da alle anderen zu treffen und zusammen »Tausend MCs« aufzunehmen, da ist etwas ganz Neues für mich passiert. Das war das erste Mal nach 1982, dass ich wirklich mit HipHop in Berührung kam. Die Typen da in Hamburg waren alles Leuten, die genau so tickten wie ich! Und es war ein herzlicher Empfang – da wurde sich in den Arm genommen. Das kannte ich gar nicht. Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass ich da fünf oder sechs Jahre zu spät reingerutscht bin. Aber eigentlich war das genau der richtige Moment. 

  • Wie schätzt du deinen persönlichen Anteil an »Feuerwasser« ein?

  • Ich habe Mike entdeckt, Mike hat mich gefunden. Wir haben uns beide gefunden. Götz hat alle Deals an den Start gebracht. Trotz der Tatsache, dass Lord Scan mit dabei war und er wirklich auch einen wesentlichen Anteil an der Produktion hatte, sehe ich mich schon als 50/50. Dazu kam natürlich auch, dass das Album komplett bei mir im Studio aufgenommen wurde. Die Jungs kamen alle zu uns ins Keller-Studio. Aber es war schwierig für mich abzugeben – auch einzugestehen, dass Götz im Hintergrund alles einfädelt. Götz hatte ja überall Connections. Und er hat dann auch seine Jungs aus seinem Verlag reingebracht. Ich war ja nicht bei ihm im Verlag. Mich hatte Akim Walta gesignt. Als ich das Album von Cora machen sollte, war es klar, dass Akim mir auch einen Verlagsdeal anbieten wird. Ich habe zu der Zeit ja auch meinen normalen Job gekündigt. Ich hatte ja einen totalen Spießer-Job und konnte dann eben einen dicken Strich darunter ziehen Ende 1996. Jive war für uns genau das richtige Label – wir kannten Jive von A Tribe Called Quest und KRS One. Zudem waren die Leute richtig cool, die da gearbeitet habe. Die ganzen anderen Majors waren richtig eingestaubt. 

  • Wie habt ihr die Tracklist des Albums zusammengestellt? Warst du eine Art Executive Producer?

  • Die musikalische Exekutive lag schon bei mir. Ich habe ja auch mit den anderen Produzenten Zeit im Studio verbracht. Es wurde ja nichts extern gemacht, alles bei mir. Götz hatte aber schon auch einen Löwenteil. Als ich mich auf die Fertigstellung der Produktion konzentriert habe, liefen bei Götz bereits die Drähte heiß. Er hat also schon die Vorauswahl getroffen. Was aber von Anfang an völlig klar war, dass »Zehn Rap Gesetze« auf die Eins muss. Damit muss das Album anfangen. Und »Schlussstrich« war auch der letzte Song. 

  • Mike sagte mal, dass »Feuerwasser« so unterschiedliche Facetten hat, weil er sich in der Zeit der Aufnahmen sehr verändert hat. 

  • Mike hat in der Zeit auf jeden Fall einige Pfunde verloren. Als wir in New York zum Mastering waren, war Mike auch wirklich schon fast ein wenig in sich zusammengefallen. 

  • Wie hat Curse eigentlich seine Texte geschrieben? Stimmt es, dass er auf US-Rap-Songs geschrieben hat?

  • Ja, weil es ja auch gar nicht so viele Beat-Layouts gab. Wenn ich ihm Instrumentals gegeben habe, war noch lange nicht klar, ob ihm die überhaupt gefallen. Deswegen hat er über Ami-Instrumentals gerappt. Zu der Zeit war ja auch auf jeder 12’’ das Instrumental mit drauf. »Illmatic« hat ihn ja extrem geprägt. Ich weiß noch, wie ich ihn mal mit meinem kleinen roten Fiesta abgeholt habe, er sich ins Auto gesetzt hat und ohne was zu sagen, schob er »Illmatic« ins Tapedeck und sagte: »Das ist das, was ich machen möchte!« Für mich war »Illmatic« gar nicht so besonders. 

  • Gab es andere Referenzwerke? 

  • Nein, nicht dass ich mich erinnern kann. Ich habe mir ja in meine Produktionen auch immer sehr wenig reinreden lassen. Ich habe einfach gemacht. Ich hatte nie eine Vorlage. Ich wollte nie wie jemand anders klingen. Es sollte nach Busy klingen! 

  • Was macht »Feuerwasser« besonders?

  • Wenn ich das Album heute höre, dann ist es für mich ein extrem gutes Demo, speziell meine eigenen Produktionen. Mit meinem heutigen Know-How hätte ich vieles anders gemischt oder produziert. Aber genau das macht den Charme der Platte aus. Allein, dass wir damals nach New York geflogen sind, um dort »Feuerwasser« den letzten Schliff zu verpassen – von der Mastering-Legende Tony Dawsey, der unsere ganzen Idole gemastert hat. Das war schon etwas Besonderes. Auch wenn ich aus heutiger Sicht beim Mastering-Prozess selbst etwas mehr Feedback hätte geben können. Aber ich war halt Fan und zu geflasht zuzusehen, wie unser Baby in den heiligen Hallen von Masterdisk fertig wird. »Feuerwasser« war eben rough, rugged and raw. Das war ja auch unser Motto. Ich weiß noch, wie ich mit Martin Stieber zusammensaß und die Parrish-Smith-Sachen gefeiert habe. Dieser EPMD-Sound – da wollten wir immer hin. Das war einer unserer Ansprüche. Es gab ganz wenige in Deutschland, die es verstanden haben, den amerikanischen Sound nachzuempfinden und, ja, nachzumachen. Das haben auch nur ganz wenige Mischer verstanden. Vor Roe Beardie verneige ich mich bis heute – der hat mit Walkin’ Larges »Riverside Pictures« das bis dato beste und bestklingende deutsche Rap-Album gemacht. Das war wegweisend. Und dann kamen die Stieber Twins mit »Fenster zum Hof«. Und dann halt »Feuerwasser« – für die Zeit und auch bis heute ist das eine unglaublich gut klingende Platte. Es gibt wirklich sehr wenige Mixer und Engineers, die zu dem Zeitpunkt gewusst haben, wie man diesen typischen amerikanischen Sound macht. Und das war mein Anspruch. Ich wollte so was machen wie Craig Macks »Flava In Ya Ear« – das ist für mich bis heute eine der krassesten Platten aller Zeiten, weil sie minimalistisch, aber eben so extrem auf den Punkt ist. Genau wie »The Message« – für mich die bis heute bestklingendste Rap-Single aller Zeiten. Für mich ist immer wieder besonders – und ich bekomme jedes Mal Gänsehaut –, wenn mir Leute erzählen, wie sie sich damals »Feuerwasser« gekauft haben und vom Sound geflasht waren und wir sie in ihrem Leben mit unserer Musik begleitet haben – lyrisch wie musikalisch. Dann weiß ich wieder, dass wir damals alles richtig gemacht haben und eben dieses Album doch mehr ist als ein Demo. Wir haben mit »Feuerwasser« einen echten Klassiker gezaubert.


  • Die exklusiv von ALL GOOD präsentierte »Feuerwasser15«-Tour startet am 20. November in Minden. Tickets gibt’s hier.

    Ebenfalls am 20. November erscheinen die verschiedenen Re-Editions von »Feuerwasser 15«. Die limitierte Collector’s Box enthält unter anderem das 100-seitige, von ALL GOOD geschriebene Liner-Notes-Buch »Warum hört ihr mir überhaupt zu?« — Hier geht’s zur Vorbestellung.