Greg Nice »Wenn du Musik magst, magst du Musik, der Rest ist egal.«
Mit Nice & Smooth lockerte Greg Nice in den Neunzigern starre Genre-Grenzen, machte Songs mit Big Daddy Kane und New Kids On The Block und verbrachte die letzten Wochen vor dessen Tod mit Tupac, kürzlich tauchte er überraschend im Video von Run The Jewels auf. ALL GOOD-Autor Philipp Killmann hat mit dem 53-Jährigen New Yorker telefoniert.
Bei Nice & Smooth konnte man endlich mal Luft holen, sich entspannt zurücklehnen und Fünfe gerade sein lassen. Dieses HipHop-Ding war schließlich anspruchsvoll. Und bisweilen entsprechend anstrengend. Besonders im Deutschland der frühen Neunzigerjahre. Ständig lief man Gefahr, fake zu sein, weil eines oder gleich alle Realness-Kriterien – die Vier Elemente – nicht oder auch nur unzureichend erfüllt wurden. Oder einfach, weil der persönliche Geschmack etwas von dem der orthodoxen HipHop-Elite abwich. Aber auch im Mutterland unterschieden die Protagonisten seinerzeit recht deutlich zwischen dem echten HipHop hier und vermeintlichem Pop-Rap, Rhythm’n’Bullshit und New Jack Swing da. »Strictly hardcore tracks, not a New Jack Swing«, rappte Phife Dawg 1991. Nice & Smooth aber gelang ein seltsamer Spagat. Das Duo aus der Bronx konnte verliebt dahersäuseln, in bunt schillernden Klamotten tanzen oder schlicht die schönen Seiten des Lebens berappen, ohne auch nur einen Deut an Kredibilität einzubüßen. Ganz im Gegenteil. Die damalige Creme de la Creme des Games zollte Greg Nice & Smooth Bee höchsten Respekt: von Gang Starr über Tim Dog bis zu Tupac. Denn wo Nice & Smooth auftraten, war ausgelassene Partystimmung garantiert. HipHop-Beats mit Wohlfühl-Vibes. Über eine Dekade, von 1987 bis 1997, erstreckte sich die Nice & Smooth-Ära. Dabei hatten sich die beiden »Hip-Hop-Junkies« schon lange vorher ihre Sporen verdient. Smooth Bee an der Seite von Bobby Brown und Greg Nice als Beatboxer für T La Rock. Als Nice & Smooth setzten sie schließlich ganz eigene Akzente. Insbesondere mit ihren ersten beiden Alben »Nice & Smooth« (1989) und »Ain’t A Damn Thing Changed« (1991), gefolgt von den nicht minder hörenswerten Langspielplatten »Jewel Of The Nile« (1994) und »IV: Blazing Hot« (1997).
Im ALL GOOD-Telefoninterview mit Beatboxer, MC und Produzent Greg Mays alias Greg Nice geht es um seine frühen Tage mit dem »Lyrical King« T La Rock, die späteren Tage mit Tupac Shakur und dessen »One Nation«-Projekt. Der Rapper mit dem markanten Echo-Effekt spricht von Spiritualität, Altern im HipHop, von New Kids On The Block und Run The Jewels und natürlich von dem unverwechselbaren Stil von Nice & Smooth.
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Was kannst du über dein kommendes Album verraten?
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Es ist ein Soloalbum, an dem ich eine ganze Weile gearbeitet habe. Es ist echter HipHop. Das heißt, ich mache das, was ich machen will. Das Mikrofon in die Hand nehmen und ordentlich für Party sorgen. Darum geht’s mir.
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Hast du das Album selbst produziert?
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Ja, bis auf zwei Tracks, die von anderen Produzenten gemacht wurden, habe ich alles selbst produziert.
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Es ist dein erstes Soloalbum, richtig?
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Ja, genau. Aber ich habe jahrelang Features gemacht. Vor ein paar Jahren erst für DJ Katch aus Deutschland. Der Song war ziemlich groß, sowohl dort als auch in den Staaten.
- »In der Hood war jeder am Breaken, Graffiti malen, Beatboxen oder Deejayen.«Auf Twitter teilen
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Lass uns mal einen Blick zurück werfen. Wie bist du damals mit T La Rock zusammengekommen?
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Das war auf einer Hausparty in meiner Nachbarschaft. Ein Freund meinte, ich solle da hinkommen. Und T La Rock und sein Bruder Special K von den Treacherous Three waren auch dort. In der Zeit war ich schon viel auf Blockpartys, in Clubs und auf Jams unterwegs. Ich war schon sehr anerkannt, weil ich einfach überall beatboxte. Der einzige bekannte Beatboxer war damals Doug E. Fresh, später kamen noch die Fat Boys. Aber in der Hood war jeder am Breaken, Graffiti malen, Beatboxen oder Deejayen.
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In diese Zeit fällt auch ein Battle von dir mit Biz Markie, aus dem du als Sieger hervorgingst, korrekt?
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Oh nein, das war ein Wettbewerb, an dem wir zufällig beide teilnahmen. Es kam zu einer Stichwahl mit drei Finalisten, bei der ich dann den Preis gewann.
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Stehst du mit T La Rock noch in Kontakt?
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Ja, er hat mich gestern erst angerufen.
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Macht ihr noch zusammen Musik?
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Wir sind Freunde. Aber ich weiß gar nicht, ob er überhaupt noch Musik macht. Darüber haben wir gar nicht gesprochen. Wir haben hauptsächlich alte Erinnerungen ausgetauscht. Aber ich hätte nichts dagegen. Wenn es sich in Zukunft mal ergeben sollte, würde ich es sehr gerne machen.
- »Ich sagte, ich bin Greg Nice, du bist Smooth Bee, wir könnten uns doch Nice & Smooth nennen.«Auf Twitter teilen
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Wie kam das Duo Nice & Smooth zustande?
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Ich war damals mit T La Rock, Mantronik und den ganzen Leuten unterwegs und Smooth Bee mit Bobby Brown von New Edition. Bobby Brown hatte New Edition gerade verlassen und versuchte, seine Solokarriere in Gang zu bringen. Er war ja aus Boston, Massachusetts, kam aber nach New York, weil hier die Plattenfirma und die ganze Action war. Er wurde Mix Master Ice von UTFO vorgestellt, der ein Freund von Smooth Bee war, so lernten sie sich kennen. Sie mochten sich, und weil Bobby Smooth ständig rappen hörte, fragte er ihn, ob er ihm helfen könne, ein paar Reime für sein Album zu schreiben. So kam das.
Ein gemeinsamer Freund von Smooth und mir wollte mich dann Smooth vorstellen, weil er meinte, Smooth und ich könnten zusammen was auf die Beine stellen. Ich stimmte zu. Wir wurden einander vorgestellt, wir verstanden uns, trafen uns immer öfter und redeten viel über Musik. Gleichzeitig ging er immer noch auf Tour mit Bobby Brown und ich mit T La Rock. Als wir dann beide mal an einem Dienstag frei hatten, ging ich zu Smooth nach Hause, zeigte ihm ein paar Beats von mir und fragte ihn, ob er Lust hätte, daraus einen Song zu machen. Er mochte den Beat und war dabei. Ich sagte, ich bin Greg Nice, du bist Smooth Bee, wenn wir also zusammen einen Song machen, könnten wir uns doch Nice & Smooth nennen. Dann folgte ein Song auf den anderen, fast als würden wir an einem Album arbeiten. Das ist etwas, das viele Leute heute nicht verstehen, wenn sie etwa gerade Smooth Bee mit seinem neuen Song und Video sehen. Sie kennen die Geschichte nicht. Sie kennen nur das, was sie gesehen haben, zum Beispiel ein Foto oder einen Song von mir und Smooth, und folgern daraus, dass es schon immer so war. Wenn er heute also ein Soloalbum macht oder ich seit Jahren ständig Features, dann ist es im Grunde so, wie es schon vor Nice & Smooth war. Nice & Smooth war für uns eine Brücke, die uns auf andere Ebenen brachte. Und das ist bis heute so.
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Wie alt wart ihr, als ihr euch kennenlerntet?
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Wir waren Jugendliche. Smooth ist drei Jahre älter als ich. Ich war 19 Jahre alt, als ich ihn traf.
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Ich fand immer, dass Nice & Smooth einen sehr eigenen und besonderen Style hatten, wie ihn niemand sonst hatte. Wie würdest du persönlich diesen Style beschreiben und wie seid ihr überhaupt darauf gekommen?
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Erst mal danke dir, das weiß ich zu schätzen, und ich weiß, Smooth würde dasselbe sagen. Wir hatten bereits unser eigenes Ding gemacht und unseren eigenen Style. Ich brachte jetzt noch die Musik dazu. Es gab ja bei uns immer diese Melodien… Denn da gab es noch jemanden, bevor ich Smooth traf: June Love. Wenn ich von den Touren mit T La Rock nach Hause kam, bastelte ich mit meinem Jungen June Love an Demos. Irgendwann meinte er, ich sollte mit ihm gemeinsam rappen. Ich sagte: »Ne, lass mich lieber einfach die Beatbox machen.« Aber er meinte, doch, du hast eine andere Energie, ein anderes Gefühl, lass uns wenigstens einen Part zusammen machen! Also ließ ich mich darauf ein. Aber kurz darauf wurde er ermordet. Daraufhin fingen Smooth und ich an, mehr miteinander zu machen. Ursprünglich wollten wir drei zusammen was aufziehen, wir hatten ein Konzept. Als das nun nicht mehr ging, machten Smooth und ich einfach weiter. Smooth war immer smooth, darum heißt er Smooth, und ich war immer ein Spaßvogel und funky im Sinne von nice, und das hat gepasst. So sollte es sein. Das Konzept war ja schon da. Und es war gut.
- »Die Nationalität, das Alter, die Hautfarbe, der Glaube – das alles spielte nie eine Rolle.«Auf Twitter teilen
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Anfang der 90er Jahre hatte ich den Eindruck, als herrschte eine große Diskrepanz zwischen HipHop auf der einen und R’n’B beziehungsweise New Jack Swing auf der anderen Seite. Nice & Smooth schienen mir da immer so ein Mittelding gewesen zu sein. Trotzdem hattet ihr einen enormen Respekt von der Ost- bis an die Westküste und darüber hinaus. Wie erklärst du dir diese Anerkennung, die Ihr trotz eures eher melodischen, eingängigen, eben nicen und smoothen HipHops erfuhrt?
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Ich habe dafür keine Erklärung, aber einen Fakt: Wenn du etwas magst, spielt es keine Rolle, wo es herkommt oder wie es entstanden ist. Wenn du etwas magst, auch wenn es eingängig ist, dann ist es halt so. Du kannst der härteste Typ von der Straße oder ein Massenmörder sein, aber wenn du etwas Gutes hörst oder fühlst, dann hast du keine andere Wahl, als es zu fühlen. Wenn du etwas Trauriges empfindest, bringt es dich zum Weinen, auch wenn du es gar nicht willst. Und wenn du etwas Gutes hörst, macht es dich froh. Wann immer wir also ein Konzert geben, egal vor wem, kannst du davon ausgehen, dass, sobald wir die Bühne betreten, alle begeistert sind. Alle meine Künstlerfreunde, von denen die einen sehr lyrisch sind, wieder andere machen Gangsta Rap oder Storytelling, sagen mir: »Ich liebe es, euch auf der Bühne zu sehen!« Ein Beispiel: KRS One gab einmal ein Konzert, für das er uns extra anrief und bat, dort zusätzlich aufzutreten, was er dann aus seiner eigenen Tasche bezahlte! Er sagte: »Ich will euch einfach zusehen, denn wann immer ihr auftretet, sind alle glücklich!« Da gibt es nichts Bedrohliches. Ich sage nicht Sachen wie »Scheiß auf die Westküste!« oder »Scheiß auf Europa!«. Wir sind einfach positiv eingestellt. Es ist so, als übertrage sich das Gefühl aus unseren Songs auf das Publikum. Die Nationalität, das Alter, die Hautfarbe, der Glaube – das alles spielte nie eine Rolle. Und das haben Smooth und ich verstanden und zu schätzen gelernt. Also hielten wir daran fest.
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Später habt Ihr sogar zusammen mit den New Kids on the Block Musik gemacht. Wie kam das?
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Es war Thanksgiving, und wir hatten ein Konzert im Apollo Theater in New York City. Wir waren für zwei Shows gebucht, eine war um 19 Uhr, die andere um 23 Uhr. Wir waren der Haupt-Act. Außer uns spielten noch Black Sheep, Tim Dog, die Geto Boys und Cypress Hill. Und ein Bekannter von mir, der gut mit Doug E. Fresh befreundet ist, kam in den Umkleideraum und sagte, dass da ein paar Typen sind, die uns kennenlernen wollten. Er würde uns gern einander vorstellen, sagte aber nicht, um wen es ging. Zwischen der ersten und zweiten Show hatten wir zweieinhalb Stunden frei. Wir gingen durch die Hintertür nach draußen, wo diese Typen in einem Auto saßen. Da stellten wir dann fest: Ach, das ist ja Donnie Wahlberg! Sie sagten: »Wir lieben eure Musik und würden gern einen Song mit euch machen!« Ich sagte, lasst uns unsere Nummern austauschen, ich rufe morgen früh Russell Simmons an, und dann sehen wir weiter! Aber Russell Simmons wollte uns den Song zuerst nicht machen lassen, weil sie Pop machten und wir HipHop. Ich sagte: »Nein, Mann, wenn du Musik magst, magst du Musik, der Rest ist egal.« Also nahm ich Kontakt zu Don Ienner, dem Präsidenten von Columbia Records, auf, über die damals der Vertrieb von Def Jam lief. Und die New Kids waren bei Columbia/Sony unter Vertrag. Also fragten wir dort nach, und Ienner sagte. »Ihr wollt den Song machen? Dann macht ihn!« Also haben wir den Song gemacht.
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In den Liner Notes zu Eurem zweiten Album, »Ain’t A Damn Thing Changed« prophezeitet ihr Puff Daddy bereits eine glorreiche Zukunft. Wie konntet ihr das 1991 schon wissen?
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Oh, das hat Smooth geschrieben. Er ist sehr spirituell in Bezug auf gewisse Dinge. Das bin ich zwar auch, aber er liest mehr und geht Dingen auf den Grund. Das ist einer der Gründe, weshalb wir so lange miteinander auskamen und unser Ding machen konnten. Wir haben beide einen spirituellen Blick auf das Leben.
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Ist Smooth Bee nicht auch mit der Nation of Islam verbunden?
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Ja, ist er. Er studiert alles Mögliche, er hat die Bibel gelesen, den Koran, verschiedene Dinge. Er geht den Dingen immer auf den Grund. Am Ende des Tages haben wir beide das Gefühl, dass es ein höheres Wesen gibt, einen Gott.
- »Wenn etwas spirituell ist und es um Liebe geht, dann bin ich dabei.«Auf Twitter teilen
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Das heißt, du selbst hast keinen spezifischen spirituellen Hintergrund?
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Nein. Ich bin in einem Pfingstler-Haushalt aufgewachsen, ging auf eine katholische Schule und hing mit jüdischen Freunden ab. Ich habe Familienangehörige, die Zeugen Jehovas sind oder Baptisten. Ich war mit Smooth Bee bei Louis Farrakhan zu Hause zum Essen, ich trat beim Savior’s Day für die Nation of Islam auf, ich trat bei der Allah School in Mecca für die Five Percent Nation auf. Wenn etwas spirituell ist und es um Liebe geht, dann bin ich dabei.
- »Ich kannte Tupac seine ganze Karriere über.«Auf Twitter teilen
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Auch Nice & Smooth sollten ja eigentlich auf Tupacs geplantem Album »One Nation« vertreten sein. Was kannst du darüber erzählen?
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Eigentlich war es nur ich, nicht die Gruppe. Ich habe die letzten zwei Monate seines Lebens bei Tupac in Kalifornien verbracht. Ich kam nur für ein Wochenende zurück nach New York, um für einen jungen R’n’B-Künstler ein Feature aufzunehmen, der bei dem Label eines Freundes von mir unter Vertrag war. Also sagte ich zu Tupac, dass ich bald zurück bin. Er fragte noch: »Kommst du auch wirklich zurück?« Ich sagte: »Ja!« Er: »Sicher?« Und ich: »Klar, Mann!« Meine Klamotten und alles ließ ich dort, weil ich ja nicht lange wegbleiben wollte. Ich nahm für meinen Kumpel den Song auf und machte danach einen Zwischenstopp bei Smooth, um ihm zu erzählen, dass Tupac nach ihm gefragt hat. Auf dem Weg zu einem Restaurant lief im Auto das Radio, das auf einmal verstummte. Wir fragten uns, was zum Teufel los ist. Als dann der Ton wieder anging, hörten wir, wie Angie Martinez von Hot 97 weinte. Wir fragten uns, was zur Hölle sei. Dann sagte sie, dass Tupac in Las Vegas erschossen wurde. Ich dachte, das kann nicht wahr sein, ich war doch erst vorgestern noch beim ihm… Ich war Tupac jedenfalls dabei behilflich, mit Duck Down in Kontakt zu treten, mit Boot Camp und vielen anderen Künstlern. Ich sprach alle an und fragte sie, ob sie Teil des One Nation-Projektes sein wollen, und alle sagten zu. Denn anfangs glaubte Tupac noch, dass alle sauer auf ihn sind. Aber ich versicherte ihm, dass das nicht so ist. Ich organisierte Telefongespräche zwischen ihm und Easy Mo Bee, DJ Premier und Fat Joe. Ich rief all die Ostküsten-Typen an und fragte sie, ob sie mitmachen wollen. Alle sicherten zu. So kam das zustande. Ich ging ins Studio und produzierte einige der Tracks. Fünf, sechs Stück müssen es gewesen. Aber dann hätte es nicht schlimmer kommen können.
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Was ist aus diesen Beats geworden?
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Ich habe gesehen, dass zwei oder drei bei YouTube geleakt wurden. Den Rest, also die Master, hat seine Nachlassverwaltung, nehme ich an. Zurzeit wird ein Film über Tupac und seine Mutter gedreht, »Outlaws« heißt der. Ein Freund von mir ist einer der Produzenten. Regie führen, glaube ich, die Hughes Brothers, die auch »Menace II Society« gedreht haben. Erst gestern habe ich mit den Leuten vom Film telefoniert. Sie meinten, sie würden sich freuen, wenn ich mit ihnen noch ein paar Informationen teilen würde. Klar. Immerhin habe ich seinen letzten Geburtstag noch mit ihm verbracht. Er hat bei sich zu Hause eine Geburtstagsparty veranstaltet. Mit mir, seiner Mutter und noch ein paar anderen.
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Das klingt jedenfalls, als habe Tupac mit »One Nation« die Ost- und Westküste wieder miteinander vereinen wollen.
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Ja. Er sagte, er habe die Schnauze voll. Er sagte, er vermisse New York, die Bodegas, die Puerto-Ricaner. Er wollte wieder Leute sehen. (lacht) Ich sagte, er sei einfach verrückt.
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Wie kam es überhaupt zu dieser Verbindung zwischen dir und Tupac?
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Ich kannte ihn seine ganze Karriere über. Hast du den Film »Juice« gesehen? Als sie am Anfang die Straße entlanggehen, rappt er ein paar meiner Zeilen aus »Funky For You« von unserem ersten Album. Und zu dem Soundtrack von »Poetic Justice« haben Smooth und ich einen Song beigesteuert. Im Film hatten sie ein Poster von Smooth und mir über das Bett in seinem Schlafzimmer aufgehängt. Seit damals waren wir immer miteinander verbunden. Als er dann richtig groß wurde und auch unsere eigene Karriere neue Wege nahm, indem die Labels wechselten, schrieb ich ihm irgendwann mal wieder eine Nachricht, und innerhalb von 15 Minuten rief er mich zurück. Gleich am nächsten Morgen schickte er mir ein Flugticket nach Los Angeles, und einen Tag später war ich da. Das war am Set beim Dreh von »Gridlock‘d« mit Tim Roth.
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Welches Nice & Smooth-Album ist dir das liebste und wieso?
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Ich glaube, jedes Album bedeutet etwas anderes für mich. Ich habe sowieso keine Lieblingsdinge. Kein Lieblingsessen, keine Lieblings-Sneakers. Ich mag viele Dinge. Heute ist dir nach chinesischem Essen, morgen nach einer anderen Küche. Das erste Album mag man, weil es das erste war, weil man endlich die Gelegenheit bekam, einen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Das ist natürlich besonders. Das zweite Album brachte uns auf ein neues Level im Leben. Dann wechselst du von einer Plattenfirma zur anderen, sodass du lernst, wie das Geschäft funktioniert und wie verschiedene Unternehmen arbeiten. In der Zeit, in der unser zweites Album erschien, veränderte sich die Technik. Die Leute fingen an, Alben zu veröffentlichen. Etwa zwei Jahre zuvor gab es noch nicht allzu viele HipHop-Alben, die Künstler veröffentlichten vor allem Singles. Und allzu viele Outlets gab es auch nicht. Im Mainstream-Radio wurden vielleicht vier bis fünf HipHop-Songs gespielt, und die mussten schon außergewöhnlich sein. Aus diesem Grund werden diese Lieder heute auch als HipHop-Klassiker betrachtet, weil sie damals nicht jedes beliebige Lied im Radio spielten. Es musste was wirklich Neues sein. »MTV« brachte damals nur ein HipHop-Video im Monat, nur ein einziges! Als wir »Ain’t A Damn Thing Changed« veröffentlichten, waren es vielleicht drei. Aber dann waren es Songs wie MC Hammers »U Can’t Touch This« oder Sir Mix-a-Lots »Baby Got Back«. Ich weiß noch, wie sie sich bei »MTV« dann für »Sometimes I Rhyme Slow« und »Scenario« von A Tribe Called Quest entschieden, weil ich an diesem Tag gerade bei ihnen im Büro war. Wir gaben damals viele Auftritte für eine neue Show auf »MTV«, und ein Vertreter von Columbia Records sagte uns, dass heute etwas Besonderes passieren würde. Wir hatten keine Ahnung, wovon er redete. Er sagte, sie hätten heute zwei Auswahlen getroffen, und eine davon steht hier mit mir in diesem Raum. Ich verstand nur Bahnhof. Dann sagte er, dass einer hier im Raum heute von »MTV« in die Song-Rotation aufgenommen werde. Eine Woche später sah ich das Guns’n’Roses-Video zu »November Rain«, und da dachte ich noch, wenn da unser Video laufen würde, das wär‘s. Direkt im Anschluss kam dann… (imitiert das Gitarrenspiel von »Sometimes I Rhyme Slow«) …und dann… (rappt den Anfang des Refrains von »Sometimes I Rhyme Slow«). Da dachte ich: »Heilige Scheiße!« Das veränderte alles.
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Das erklärt, weshalb auch ich erst über das Video zu »Sometimes I Rhyme Slow« auf Nice & Smooth aufmerksam wurde. Das Video wurde tatsächlich verhältnismäßig oft gespielt.
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Ja, deshalb mag man verschiedene Dinge aus unterschiedlichen Gründen. Manche manche sagen bei Jay-Z »Reasonable Doubt«, weil es sein erstes Album war. Das größere Album, das mehr Mainstream war, war aber das mit »Hard Knock Life«. Und bei Nice & Smooth sagen sie, »More & More Hits«, »Funky For You« oder »No Delayin’« (allesamt Songs vom ersten Album; Anm. D. Verf.)! Dann meint einer, ich mochte »Hip-Hop-Junkies« (vom zweiten Album; Anm. d. Verf.)! Aber dann kam »Sometimes I Rhyme Slow« (ebenfalls vom zweiten Album; Anm. d Verf.), und das war wieder was ganz anderes. Es gibt also unterschiedliche Gründe, weshalb man etwas mag. Du kannst dreimal verheiratet gewesen sein, aber du hast jede einzelne Frau geliebt! (lacht)
- »Wenn wir wollen, können wir jederzeit wieder daran anknüpfen, weil wir uns im Guten getrennt haben.«Auf Twitter teilen
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Nach dem letzten Nice & Smooth-Album, »IV: Blazing Hot«, hatte ich den Eindruck, ihr seid ziemlich von der Bildfläche verschwunden. Was ist passiert?
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Das Plattenlabel, über das unser letztes Album erschien, ging bankrott. Also konnten wir nicht viel machen. Das Internet gab es noch nicht, um all den Scheiß machen zu können, der heute möglich ist. Gleichzeitig änderte sich damals unser Sound und die Richtung, in die wir gehen wollten. Smooth wollte vielleicht in die eine und ich in die andere Richtung. Es war eine Zeit, neue Möglichkeiten auszuloten. Wie gesagt, noch bevor wir eine Gruppe waren, machten wir schon jeder für sich sein Ding. Es ist nur so, dass der Mainstream nichts davon weiß. Oft sieht man eine Band und denkt, das war schon immer so. Dabei hat der Bassspieler vorher vielleicht in einer anderen Band gespielt und der Sänger in einer anderen Gruppe gesungen. Und so habe auch ich vorher in anderen Konstellationen Musik gemacht. Ich habe mich also wieder auf meine Vision von damals zurückbesonnen. Denn ich hatte definitiv eine Vision davon, was ich machen will. Das gilt für Smooth genauso. Die Gruppe war eine super Möglichkeit, um das auszudrücken, was wir ausdrücken wollten. Und wenn wir wollen, können wir jederzeit wieder daran anknüpfen, weil wir uns im Guten getrennt haben. Aber jetzt hat jeder die Chance, auszudrücken, was er persönlich ausdrücken will, zu kreieren, wie er kreieren will. Denn in einer Musikgruppe zu sein, ist wie eine Ehe. Du musst Kompromisse machen. Du gehst mit deiner Frau ins Kino, und sie will »Sleepless in Seattle« sehen, während du dir lieber »King of New York« ansehen möchtest. Aber dann einigst du dich auf »Sleepless in Seattle« – da wird niemand umgebracht; und siehst dir »King of New York« später an. Nur so funktioniert das auch in einer Gruppe. Natürlich wollte John Lennon was anderes machen als Paul McCartney und Ringo wollte wieder was ganz anderes machen, natürlich! Wenn du meinst, etwas auf ganz bestimmte Weise machen zu müssen, und du hast die Gelegenheit dazu, dann mach es! Michael Jackson hat die Jackson 5 verlassen und hatte dann einen anderen Sound. Aber du liebst beide Sounds für das, was sie waren. New Edition klingt nach New Edition, Bobby Brown nach Bobby Brown, Bell Biv DeVoe nach Bell Biv DeVoe und Johnny Gill nach Johnny Gill. Außerdem hatten wir das Glück, über genug Talent zu verfügen, auch solo weiter kreativ zu sein. Viele können das nicht.
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Du performst in dem im Frühjahr erschienenen Run The Jewels-Video zu »Ooh LA LA«. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und was bedeutet es dir, mit einer der stärksten HipHop-Gruppen von heute assoziiert zu werden?
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Das ist schön. Du musst bedenken, dass die beiden jünger sind als ich. Wie du sahen sie uns damals im Fernsehen. Wenn es sich dann ergibt, dass du mit so einem Künstler gemeinsam ein Projekt in die Tat umsetzen kannst, dann ist das eine tolle Sache. Und ich schätze sie genauso, weil wir somit eine Lücke geschlossen haben. Denn gerade im HipHop stellt das Alter eine große Hürde dar. Und das ist traurig, weil es das nur im HipHop gibt. Im Jazz oder Rock gibt es so was nicht. Da machen Green Day was zusammen mit Mick Jagger und den anderen Motherfuckern oder Katie Perry mit Shania Twain oder sonst wem. Weil es ihnen scheißegal ist. Sie machen es für die Musik. Punkt. Aber im HipHop gilt die Auffassung, dass du nicht älter als 19 Jahre alt sein darfst, um noch HipHop zu sein. Alles, was älter ist, ist kein HipHop mehr. Dabei hat Arthur Baker »Planet Rock« produziert. Oder nimm Rick Rubin. Die waren alle älter als 20. Die waren 30 Jahre alt und haben den Scheiß gemacht, auf den 15-Jährige abgefahren sind. Weil Musik universell ist! Wenn es sich gut anfühlt, dann ist es gut. Und so haben es El-P und Killer Mike empfunden. Also klar war ich bei dem Video dabei, warum nicht?! Nach dem Videodreh sind wir an zwei Abenden beim Coachella Festival in Los Angeles aufgetreten, aber dann kam Corona. Daraufhin wurde die Rage Against the Machine/Run The Jewels-Tour auf 2021 verschoben. Also ja, das Video war toll, viele Leute mögen den Song. Viele ältere Fans lernten über mich Run the Jewels kennen und viele jüngere Fans lernten über den Song mich kennen. Insofern ist alles gut.
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Noch eine letzte Frage: Wird es jemals ein weiteres Nice & Smooth-Album geben?
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Ich weiß es nicht. Wir werden sehen.