Luke & Swift Was machen eigentlich ... Luke & Swift?
Ein Album hat das Münsteraner MC-DJ-Gespann Luke & Swift nie veröffentlicht. Aber Songs wie »Bleib cool« und »Soundcheck« gelten mit von Nordrhein-Westfalen und New York gleichermaßen beeinflusstem Boombap bis heute als Deutschrap-Klassiker. Gut 15 Jahre später fragt ALL GOOD: Was machen eigentlich Luke & Swift?
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Wie fühlt sich das eigentlich an, nach all den Jahren immer noch ein Begriff in der HipHop-Szene zu sein?
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Swift: Schön! Das letzte Release ist 13 Jahre her und wenn das noch so nachhallt, ist das wirklich toll. Und dadurch, dass das Video und einige andere Releases online sind, können wir natürlich verfolgen, wie die Leute das so finden – da gibt es regelmäßig Comments. Und da ist zu 99 % gutes Feedback dabei. (lacht)
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Luke: Neulich wurden wir in der ARD bei der Sportschau reingesamplet.
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Swift: Ja, in einem Sportbeitrag hat jemand als Trenner etwas aus unserem »Bleib cool«-Video benutzt. Das ist einfach schön.
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Euer erstes Release war ja »Der Wanderer«, richtig?
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Swift: Genau, die Single kam Anfang 1999 raus. Zu der Zeit hatten wir schon einige deutschlandweite Auftritte und haben mit meinem Chef von 8Ball Records – der Plattenladen, bei dem ich damals gearbeitet habe – beschlossen, dass wir mal eine Maxi releasen sollten. Das war einfach eine 1000er-Auflage, die ich zum Teil noch selbst in die Plattenläden gefahren habe.
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Auf »Soundcheck« rappst du, Luke, ja auch von »neuen Welten wie das Internet«. Wie bekamt ihr damals Feedback und von wem?
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Luke: Auf einer Silvesterparty 2000 in Wien hat Dendemann uns mal erkannt und Props gegeben. Ich wäre beinahe rausgeflogen. Aber er hat dem Türsteher dann verklickert, dass wir zueinander gehören und mich in Schutz genommen.
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Ein Album ist von euch ja nie erschienen. Warum eigentlich?
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Swift: Um dem Label näher zu sein, sind wir dann nach Hamburg gegangen. Ich habe dann Medientechnik studiert. Wir wollten natürlich auch viel Musik machen. Aber da ging es dann auch los mit den Raubkopien …
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Luke: … ich hatte das Gefühl, wir waren vorher schon raus.
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Luke: Genau. Ich habe dann das Architekturstudium angefangen und das hat mich vollkommen absorbiert. Wir haben nie gesagt, dass es vorbei ist, aber es lief dann einfach auseinander. Wobei Swift eigentlich immer genug Beats am Start hatte. Ich war derjenige, der mit den Rhymes nicht hinterherkam. (großes Gelächter)
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Wie kam das denn?
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Luke: Ich war einfach nicht produktiv genug und viel zu sehr damit beschäftigt, unsere Formel zu perfektionieren. Wir haben uns sehr stark an dem amerikanischen Ding orientiert und ich wollte einfach Doppelreim nach Doppelreim bringen. Das gab es zu der Zeit noch nicht oft und wurde sicherlich erst später von Leuten wie Samy Deluxe perfektioniert. Aber es hat viel Zeit gekostet und manchmal ging das dann auch zu sehr auf Kosten der Musikalität. Wir haben all das ins Deutsche übertragen, was wir damals gehört haben. Ich habe halt wenig deutschen Rap gehört. Natürlich gab es viele gute Sachen wie Main Concept oder Stieber Twins, aber von den Rhymes her war für mich der Rap von Ono auf dem Song »S-Bahn Fahn« von Dike ein Highlight.
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Was hast du denn so gehört?
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Luke: Viel Eastcoast-Zeug. Von Pete Rock & C.L. Smooth über Wordsworth bis zu AZ.
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Swift: Gang Starr, Group Home, Black Sheep, Masta Ace, Lords Of The Underground, Lord Finesse …
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Luke: Anfangs war es schon in gewisser Weise eine Imitation von den Einflüssen, die wir drüben gehört haben. Sprich: erst die Analyse und dann das Ausarbeiten einer Formel. Das ist genau das Gleiche wie in der Architektur. Zuletzt haben wir dann noch viel mehr unsere persönliche Komponente mit reingebracht und unseren eigenen Style entwickelt.
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Swift: Unser letzter Auftritt für VIVA war damals auch mit einer Jazz-Band. Das wollten wir eigentlich auch weiterverfolgen. Aber dann ist es irgendwie auseinandergegangen.
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Swift, über dich stand neulich unter irgendeinem Video »Der macht doch jetzt Tech-House.«
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Swift: (lacht) Ich war ja früher in Münster schon eine Zeit lang Resident im Dockland und habe da sowohl HipHop als auch House aufgelegt. Für mich war das schon immer ein Ding. Aber die Hörer haben das insbesondere damals nicht so gesehen. Gerade in der Hardcore-HipHop-Zeit kamen dann oft so Kommentare wie: »Iiih, du hörst House? Das ist doch Schwulenmusik.« Aber da gab es tatsächlich große Schnittmengen.
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Luke: In Chicago war das ja nichts anderes.
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Koze, ehemals Fischmob, und Phono von Deichkind sagen das ja auch.
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Swift: Ja, DJs waren da schon immer offener. Für mich war das schon immer ein Ding. Meine erste Platte kam 1997 auf Dockland Records raus – und war eine House-Platte. Also habe ich solche Musik eigentlich sogar schon vor Luke & Swift produziert.
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Ich finde das Stück »Swing« klingt mit seiner geraden Kick auch recht stark nach der Taktung von House.
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Swift: Das stimmt.
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Luke: Eigentlich war das auch der Style, den wir weiterverfolgen wollen würden.
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Swift: Hätten wir das weitergeführt, wie wir es damals angegangen sind, wären da sicher auch noch ein oder zwei House-Beats mit aufgetaucht. Ich habe mich dann nach dem Studium auch dazu entschlossen, von der Musik zu leben und habe das dann auch für ein Jährchen gemacht. (schmunzelt) Das war gut, weil ich dann gemerkt habe, wie schwierig es ist, wenn man sein Hobby zum Beruf macht. Es ist zwar schön und gut, aber wenn man davon seine Miete bezahlen muss und es nicht gut läuft, eher schlecht. Damit habe ich mich nicht wohl gefühlt. Mit einem abgeschlossenen Studium Musik machen, war dann doch etwas verschwendete Energie. Mittlerweile habe ich neben meinem Hauptberuf noch ein paar Projekte, an denen ich arbeite. Zum Beispiel mit einem befreundeten DJ aus München, Cambis. Das ist das Einzige, auf dem ich noch mit Namen auftauche. Wir haben ein paar Sachen auf Cosmo Records releaset. Alles andere sind eher Auftragsarbeiten für andere Künstler und Labels. Ich sehe halt zu, dass es Spaß macht und nicht in Arbeit ausartet. Ich hab zu Hause mein kleines Studio und lass mich zu nichts zwingen.
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Und womit verdienst du dein Geld?
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Swift: Ich bin ja in Hamburg geblieben und habe Medientechnik studiert. Das war ein Ingenieursstudiengang für Ton-, Video- und Veranstaltungstechnik. Da gab es den klassischen Nebenjob beim NDR als Kabelträger. Dann kam kurz die Phase als Musiker und jetzt arbeite ich beim NDR in der Tonnachbearbeitung, wo ich mittlerweile fest angestellt bin. Das ist eine super Entwicklung für mich. Ich mische zum einen selbst die Beiträge und Reportagen – halt alles, was im NDR-Programm läuft. Der andere Teil meines Jobs ist der sogenannte Supervisor, der technischen Support im Studio und in der vernetzten Produktion gibt. Es rennt ja keiner mehr mit dem Band durch den Sender. Das ist für den Redakteur manchmal schwierig, weil der technisch nicht so versiert ist. Deshalb supporte ich da mit, wenn jemand anruft und sagt: »Ich hab hier externes Schnittmaterial, wie bekomme ich meinen Ton denn jetzt in die Mische?« Da geht es um die Koordination von Workflows in der Produktion. Es gibt halt immer technische Probleme, die es zu lösen gilt. Und das ist für mich das Größte. Ich habe ja 1994 angefangen zu produzieren. Seitdem habe ich nichts anderes gemacht, als Bedienungsanleitungen zu lesen und technische Geräte bis in die letzte Funktion zu durchleuchten. Das ist jetzt auch mein Job – und ist natürlich ein Traum. (grinst)
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Luke, warum hast du eigentlich Architektur studiert?
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Luke: Das war recht pragmatisch. Ich wollte näher bei unserem Label Showdown in Hamburg sein und war schon Tischler. Da kam ich recht leicht in den Studiengang rein, habe das eher alibimäßig gemacht und bin dann total reingeschlittert.
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Du warst auch in Spanien, oder?
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Luke: Genau, erst bin ich im Rahmen des Studiums nach Spanien und dann wieder zurück nach Deutschland. Es gab hier in Deutschland dann einen sehr großen Player in der Architekturszene, der damals das Sony Center gebaut hat und in Chicago seinen Hauptsitz hatte. Also bin ich da hin und habe im ehemaligen Bürogebäude von Al Capone gearbeitet. Im Jewelers Building. Das war natürlich eine andere Welt. Auch, weil Chicago für Architektur und auch für HipHop eine bedeutende Stadt ist. Deshalb war es für mich gleich auf zwei Arten krass, dort zu leben. Common und No I.D. waren für mich geile Rapper. Ich habe in so einem halbgentrifizierten Mexiko-Ghetto gelebt, saß im Bus, dann kamen die Jungs rein und fingen an zu freestylen. Die waren halt echt dafür gemacht. In Deutschland haben es nur wenige auf so ein Level geschafft. Dendemann zum Beispiel. Deshalb denke ich manchmal: Vielleicht war’s ganz gut, dass ich mir noch eine andere Profession gesucht habe.
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Was hast du in Chicago denn genau gemacht?
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Luke: Wir haben in Doha in Katar oder im saudi-arabischen Jeddah Wolkenkratzer konzipiert und gebaut. Ich bin 2008 rübergegangen und 2009 fing die Krise an. Wir waren 100 Leute im Büro, das hat sich auf 23 herunterreduziert. Dann herrschte krasser Stress im Büro und wir haben einen Wettbewerb nach dem anderen gemacht. Der ganze mittlere Osten ist zusammengebrochen. Wir haben dann probiert, uns auf China zu konzentrieren. Das wurde sehr mechanisch und langweilig. Also bin ich zurück nach Spanien und habe dort bei einer Firma gearbeitet, die schon den spanischen Expo-Pavillon in Hannover gemacht hat. Aber nach zwei Jahren war da auch nichts mehr möglich. Derzeit wohne ich also wieder in Berlin. Ich mache gerade eine Spezialisierung als Urban Manager, was mich allerdings vermutlich wieder ins Ausland ziehen wird.
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Was macht ein Urban Manager denn?
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Luke: Das BMZ, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, schickt Experten ins Ausland, um in Indien oder Afrika zu helfen. Früher war das mehr im Bereich Entwicklungshilfe. Heutzutage geht’s mehr in Richtung Stadtplanung. Ich habe nach sechs Jahren Architektur gemerkt, dass ich noch mal ein bisschen was anderes machen möchte. Ich bin ja halber Amerikaner, spreche fließend Spanisch. Deswegen werde ich in wahrscheinlich bald wieder raus sein. Ideal wäre halt, für eine deutsche Agentur im Ausland zu arbeiten.
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Euer erster Song, über den wir eben sprachen, hieß ja »Der Wanderer«. Dann gab es noch »Der Mann in der Menge«, der ja nie erschienen ist, aber den es auf YouTube gibt und der von einer Edgar-Allan-Poe-Geschichte inspiriert ist.
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Luke: Das Motiv des Wanderers kommt ja aus der Romantik. Schumann hat das als Komponist schon verarbeitet und ist in der Literatur natürlich auch sehr präsent. Das ist schon komisch, ja. Ich höre jetzt zehn oder 15 Jahre später Rhymes wie »Entflieh dem Alltag auf Gibraltar und schalt ab« und denke: »Ey, ich war da und hab zwei Jahre in Sevilla gelebt und gearbeitet.« Das hat sich tatsächlich irgendwie durch mein Leben gezogen.