Crack Ignaz »Was hätte T-Pain gemacht?«

Österreich hat Deutschrap in der letzten Dekade um nicht wenige signifikante Ausprägungen bereichert. Dass diese nicht zwingend immer aus Wien kommen müssen, hat der Salzburger Crack Ignaz mit drei so mutigen wie starken Mixtapes bewiesen. Nun erscheint mit »Kirsch« sein Debütalbum – beim Traditionshaus MPM.

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Als vor drei Jahren das völlig vertrippte, purpurne »Elvis«-Video des jungen Ignaz K. erschien, war sich die Blogospähre zunächst uneinig: Ein weiterer grenzdebiler Ösi-Rapper? Oder doch die Zukunft für artsy Weirdo-Rap auf Deutsch? Ein paar starke Mixtapes und Sommerhits später hat sich die Salzburger Hanuschplatzflow-Clique um Young Krillin, Ernst Palicek, Hofproduzent Lex Lugner und Crack Ignaz zu einer der interessantesten Kreativzellen der deutschen Raplandschaft gemausert – Co-Signs von Casper und Sido inklusive.

Crack Ignaz‘ Debütalbum »Kirsch«, das nun über das Kölner Label Melting Pot Music erscheint, bündelt seine Vision aus cloudigen Synthflächen, zuckersüßen Auto-Tune-Hooks, slickem Player-Talk und Mundart-Swag zu einem großartigen Sommeralbum. Wir trafen Crack Ignaz mit Label-Honcho Olski, Kollege Tom, Videomensch Tim Milbredt und Haberer Gold Roger an einem sonnigen Kreuzberger Mittag, um über »Kirsch«, österreichische Sprachbarrieren und die Post-Swag-Bewegung zu reden.

  • Wann entstanden die ersten Tracks für »Kirsch«?

  • Crack Ignaz: Der erste müsste »Gwalla« gewesen sein, in einer Session mit Lex Lugner. Insgesamt saßen wir so drei Monate am Album. Eigentlich mach‘ ich ja viel lieber Beats als dass ich rappe – Pretty Falco war mein Producer-Name. Ich find‘ das stimulierender, wenn man über die Musik Leute bewegt. Ich hab im Rap schon noch befriedigende Momente – aber wenn man einen Beat baut und der genau so wird, wie man es im Kopf hatte und die Leute es dann auch noch mögen, ist das Gefühl einfach intensiver. 

  • Olski: Obwohl du doch weniger von dir preisgibst. Dein Rap, das bist ja zu 100 Prozent du. Die Sounds, die du für Beats verwendest, haben ja nichts mit deiner Person zu tun.   

  • Gold Roger: Und auf »Kirsch« hast du gar nichts selbst produziert.

  • Dein letztes Mixtape »Ewige Nacht 5000« war noch super rough, dreckig und übersteuert. Ich hätte jetzt gedacht, dass du dir einige Tracks für »Kirsch« zurückgehalten hast. Wie hast du das Album denn bei MPM abgegeben?

  • Olski: Also ich wusste von nichts, bis da plötzlich ein gemastertes Album mit Artwork bei mir im Postfach lag. 

  • Crack Ignaz: Das Album ist relativ homogen entstanden. Und schon als die ersten Tracks standen, war klar, dass wir das diesmal wenigstens anständig aufnehmen und mischen müssen. Irgendwann meinten die Leute, die es gehört hatten, das man das komplett professionell angehen sollte. Da ist mir dann Nikodem Milewski, der das Album gemischt und gemastert hat, die ganze Zeit zur Seite gestanden. Ohne ihn wäre das ganze mit Sicherheit nicht so rund geworden.

  • Dein Album ist relativ untypisch für den bisherigen MPM-Sound. Verfolgst du die Arbeit des Labels schon länger?  

  • Crack Ignaz: Noch gar nicht lange. Das Label wurde mir von Trishes Jackson empfohlen, der Radiomoderator auf FM4 in Österreich ist. »Kirsch« war quasi fertig und ich habe ihn gefragt, ob er wen kennt. Und Melting Pot war dann die solideste und beste Adresse dafür. Ich denke, das macht es gerade aus, dass der MPM-Sound eigentlich eher ein anderer ist. Olski hat sich gefreut, dass wir auf ihn zukamen und hat ein paar ganz nette Worte zum Album verloren. 

  • Tom (MPM): Wir sind generell sehr offen für neue und andere Sounds. Wir stehen zwar immer noch für das Vorzeige-Boombap-Instrumental-Label, sehen uns aber intern schon woanders: Die Footwork-Geschichten von Hade feiern und veröffentlichen wir ja genauso und sehen da keine Schranken. Es mag ein klassisches Soundbild sein, das man gerne mit uns assoziert, aber unsere Künstler kommen aus sehr verschiedenen Ecken.    

  • »Ich neige dazu, gehypte Sachen immer erst mal zu meiden.«Auf Twitter teilen
  • Wenn ich mich recht erinnere, hat Alex (Engelen, Anm. d. Red.) den Track »Elvis« vor knapp drei Jahren von Kamp zugespielt bekommen – und der behauptete, dass du der erste österreichische Rapper mit Swag bist. Wusstest du, dass er Fan ist und »Elvis« verbreitet hat?

  • Crack Ignaz: Echt? Nice… nein, das hör‘ ich jetzt zum ersten Mal. Ich hab den Kamp leider noch nie kennengelernt. In meinem Umfeld sind aber alle Fans von ihm. Ich neige dazu, gehypte Sachen immer erst mal zu meiden. Aber die Sachen, die ich von ihm kenne, finde ich extrem gut. Vor allem das letzte Video, wo die so super fertig und druff im Studio rumtorkeln.  Und dann hauen die das noch fünf Jahre später raus. Genial.

  • Olski: Das war das erste österreichische Turn-Up-Video. (Gelächter)

  • Aber »Elvis« war im Nachhinein schon sehr wichtig und eine Art Türöffner für dich?

  • Crack Ignaz: Total, der hat mir sehr viel Aufmerksamkeit gebracht und die ersten Blogs und Magazine haben erstmals berichtet. In der Entstehung war der Track eigentlich simpel: eine klassische Lex-Lugner-Ignaz-K-Session. Der Videodreh ist dann sehr spontan in Salzburg beim Abhängen entstanden. 

  • Die Produzenten Wandl und Feux, die auf »Kirsch« produziert haben, machen nicht nur klassische HipHop-Beats und sind eher in elektronischen Gefilden unterwegs. War dir dieser Twist, den ihre Produktionen haben, wichtig? 

  • Crack Ignaz: Es war extrem geil, mit diesen unterschiedlichen Stilen zu interagieren. Dann entsteht immer etwas Eigenes und komplett Anderes. Außer Padillion kennen sich die Produzenten untereinander auch alle: Wandl, Feux, Lex Lugner, B.Visible – das ist eine Art kreativer Zirkel. 

  • Hast du dich denn als Jugendlicher mit österreichischem Rap befasst?

  • Crack Ignaz: In Salzburg gab es das DNK-Movement, das waren hier die Local Heroes. Und meines Wissens auch die ersten Leute, die in Salzburg ernsthaft HipHop gemacht haben. Sonst war für mich nur Tibor Foco, der sich heute Kroko Jack nennt und auch als Jack Untawega unterwegs war, interessant. Der macht gerade wieder neue Sachen. Das ist Mundart-Rap und er lässt den Dialekt so richtig schön klingen. Das hat mich schon beeinflusst.   

  • »Ich hab‘ viele Ösi-Rapper auch erst über deutsche Medien wahrgenommen.«Auf Twitter teilen
  • Viele österreichische Rapper wie Chakuza und Gerard, aber auch Bilderbuch haben sich schon oft darüber beschwert, in Österreich erst respektiert zu werden, nachdem sie in Deutschland erfolgreich waren. 

  • Crack Ignaz: Das Problem hat der Tibor Foco halt nicht, den versteht man eh nur in Österreich. (lacht) Aber kann schon sein – mir kam das teilweise auch so vor. Ich hab‘ viele Ösi-Rapper auch erst über deutsche Medien wahrgenommen. 

  • Ich meine, Kamp wäre in Österreich sogar dafür kritisert worden, dass er nicht in Mundart rappe.

  • Crack Ignaz: Kamp macht ja eine Mischung aus normalem Hochdeutsch und Wiener Hochdeutsch. (Gelächter) Aber ich feier‘ dieses Mundart-Ding total. Ich streng‘ mich nicht an, sondern rappe einfach so, wie ich auch rede. Das ist unsere Alltagssprache: »Gwalla« ist zum Beispiel ein amerikanischer Ausdruck, der von guap, also Geld kommt. Gucci Mane nennt sich ja so.

  • Wann ging das denn bei dir los, dass du die Mixtapes von Künstlern wie Gucci Mane und Lil B gehörst hast?

  • Crack Ignaz: Eigentlich relativ spät. Ziemlich lange lief bei mir nur Oldschool-Rap. Young Krillin, der auch aus meiner Crew kommt, war da ein ganz wichtiger Inspirationsgeber. Als ich die ganze Bewegung und den Sound dann verstanden und einen Zugang gefunden habe, war ich sofort hookt.

  • Dein »Swag Tape« erschien 2012 und war stark vom Chopped-&-Screwed-Sound aus Houston und dem damaligen Trap-Sound aus Atlanta beeinflusst.  

  • Crack Ignaz: Ja, da fing das erst so richtig an für mich. Also die Generation davor, DJ Screw und die Three 6 Mafia habe ich schon verpasst. In meinem Umfeld gibt es aber genug Leute, die auf dem Memphis-Sound hängengeblieben sind. Ein älterer Kumpel sagt immer: »I hab eu‘ des 2005 scho ‚zagt und ihr hobts mi olle ausg’locht«. Der wirft uns das echt immer noch vor. 

  • Das Wort »Swag« ist in Deutschland mittlerweile von Werbetextern vereinnahmt worden und hat beinahe einen üblen Beigeschmack.  

  • Crack Ignaz: Stimmt, der Ausdruck flacht schon etwas ab. Das hat unter Money Boy seinen Höhepunkt erreicht und war in aller Munde, aber eher negativ behaftet. »Dreh den Swag auf« ist nun auch schon wieder sechs Jahre her. Es ist jetzt nicht mehr super hip, das Wort zu benutzen, aber trotzdem ist es geblieben – wie das Wort »cool«. Im deutschsprachigen Raum ist das glücklicherweise gar nicht so eskaliert. Ich habe mit den Sad Boys geredet und in Schweden war Swag ein richtiges Movement, vom Kleidungsstil über die Musik. Und die waren richtig satt von dem Wort. Als ich meinte, ich verwende das Wort immer noch, haben die mich nur völlig schräg angeschaut.  

  • Du warst letztes Jahr auf dem »Space Tape: Goonyverse« von LGoony. Euer Track »Nasa« hat sich zu einem kleinen Internet-Hit entwickelt.

  • Crack Ignaz: Er hat mich auf Facebook angehauen. Und ich kannte eh schon Sachen von ihm und hoff‘, dass wir uns auch in Zukunft featuren werden. Shout-Out an Goony, cooler Typ. 

  • Kam über ihn auch die Connection zu Live From Earth zu Stande, die dein vorletztes Video »König der Alpen« gedreht haben? 

  • Crack Ignaz: Das kam sogar wieder über Young Krillin. Lex Lugner und Yung Hurn sind dort gesignt. Die müsst ihr unbedingt auf dem Schirm haben. Das ist der Dancer in »Gwalla«, mein Pusher-Assistent.

  • »s’Mausi, s’Katzi und s’Kolibri.«Auf Twitter teilen
  • Den doppelten Witz im Namen von Lex Lugner habe ich erst verstanden, als ich dieses sehr amüsante Video gesehen habe, in dem der Bauunternehmer Richard Lugner sich an die Krocha-Szene Wiens anbiedert.

  • Crack Ignaz: (lacht) Ich glaube, der Lugner hatte ganz zu Beginn sogar eine Moschee gebaut, was damals groß in den Medien war. Er hat den Hype dann genutzt, um ein großes Einkaufzentrum in Wien zu errichten, das architektonisch eine extreme Beleidigung ist. Aber es funktioniert – ein richtiges Einkaufsmekka. In den österreichischen Medien ist der Lugner halt Fremdschäm-A-Prominenz. Er schaut immer, dass er auffällt, mit wechselnden Frauen, denen er Tiernamen gibt: s’Mausi, s’Katzi und s’Kolibri. Der hat immer extrem junge Frauen, da geht es ganz bestimmt immer um Liebe. Swaggy Dude auf jeden Fall. Ich bin gestorben bei dem Video. Alder, fuck, das ist komplett gestört. 

  • Gibt es das Krocha-Movement oder Leute, die so tanzen, denn noch in Österreich?

  • Crack Ignaz: Ich glaube nicht. Die Szene war ziemlich auf Wien beschränkt und ich hab da schon länger nichts mehr davon mitbekommen. Das war nur ein ganz kurzer Hype, der nach einem Jahr wieder weg war.

  • Wie ist denn der aktuelle Stand bei der Hanuschplatzflow-Gang?

  • Crack Ignaz: Läuft super. Wir sind ein loses Kollektiv, ein Freundeskreis. Ernst Palicek hat jetzt neuen Stuff recordet. »Summer in Wien« kann man, denke ich, als Sommerhit bezeichnen. Der wird jetzt auch gerade wieder von einigen rausgeholt. 

  • Ich finde, dass du auf »Kirsch« dein Songwriting weiterentwickelt hast. Um das Wort »Pop« zu bemühen: Tracks wie »August«, »Sternenstaub« und »Oda Ned« sind ja astreine Pop-Singles. 

  • Crack Ignaz: Das war auch die Idee dahinter – ich wollte bewusst mit dieser Kategorie spielen. Diesen roughen, eigensinnigen Scheiß mache ich immer noch am liebsten, aber habe ich halt schon gemacht. Jetzt wollte ich mal wissen, wie sich das so anfühlt und funktioniert, dieser Pop-Shit. Also mir gefällt es und ich werde das bestimmt in Zukunft weiter so machen. 

  • Olski, würdest du denn unterschreiben, dass »Kirsch« die bisher kommerziellste und poppigste Veröffentlichung auf MPM ist?

  • Olski: Das sind so gar keine Kategorien, in denen ich denke. Und wie definiert man dann poppig? Es ist eine der ausproduziertesten und rundesten Sachen, mit einer sehr eigenen Ästhetik und Atmosphäre. Klar, wenn man so will, ist »Sternenstaub« eine Pop-Nummer. Das war so das »Icing on the cake« der Platte – feier‘ ich, hör‘ ich selbst gerne. Mir macht das Spaß, zu wissen, dass bestimmte Leute sich daran reiben werden. Die haben dann halt Pech gehabt oder können mal was Neues entdecken. Das Einzige, was mich stört ist, dass die Platte ja quasi aus dem Nichts kommt und Crack Ignaz noch nicht bekannt ist und manche Stücke ein Potential haben, das sie unter Umständen nicht entfalten können. Wenn »Sternenstaub« jetzt sein »Easy« werden sollte, wäre das natürlich super geil und wir hätten alle mal Lust, so was zu erleben. Als junger neuer Künstler wirst du aber sofort mit der einen Nummer assoziiert – und wer will schon für immer der »Sternenstaub«-Boy sein. Ich gehe auch davon aus, dass das Album nicht direkt charten wird. 

  • Seit wann bist du eigentlich auf den Weirdo-Film gekommen und hörst Künstler wie Lil B und Konsorten?

  • Olski: Bei mir hat das etwas gedauert. Genauso wie bei Drake, den ich erst nach dem »Nothing Was The Same«-Album richtig verstanden habe. Aber Young Thug und Future feier‘ ich total – könnte ich mir den ganzen Tag anhören. Es hat eine ganz eigene Energie, ist aber auch super entspannend und lullt dich so ein. Da muss man sich schon für öffnen können. 

  • Ignaz, du benutzt immer schon Auto-Tune und exerzierst das auch auf »Kirsch«. Wer benutzt den Effekt deiner Meinung nach am kreativsten?

  • Crack Ignaz: Schwer zu sagen, aber ich würde immer noch T-Pain nennen. Future benutzt es halt ganz anders. Ich mag den Auto-Tune-Effekt eher, wenn er sauber klingt. Es gibt ja viele Leute, die Auto-Tune extra dreckig verwenden oder Rapper, die es nur ganz spärlich einsetzen. Lil Wayne, Kanye und Drake fand ich auf Auto-Tune zum Beispiel nie so dope. Bei Future erzeugt das so ein richtig trippiges Gefühl, wenn er darauf rappt. 

  • T-Pain dreht den Effekt doch einfach nur komplett auf. 

  • Crack Ignaz: Ich glaube schon ja. (lacht) Vor allem die alten Sachen von ihm, finde ich einfach perfekt. Für mich ist Auto-Tune T-Pain. Daran orientiere ich mich. Wenn ich jemanden auf Auto-Tune höre, denke ich mir immer: Was hätte T-Pain gemacht?