Alphamob »Vielleicht koche ich musikalisch zu sehr mein eigenes Süppchen.«
Innerhalb weniger Jahre ist es Alphamob gelungen, Legendenstatus zu erreichen. Zumindest in der stetig wachsenden Bubble des Memphis-inspirierten Kassetten-Raps. Mit »Swaffle Phonk 3« schließt der Hamburger Produzent, DJ und Partyveranstalter nun seine gleichnamige Trilogie ab.
Im Jahre 2017 spülte mir der YouTube-Algorithmus »Ich nehm die Glock« von Alphamob in die Timeline. Düstere Vocalsamples, Cowbells, dazu eine in Höchstform krächzende Haiyti – so richtig einordnen konnte ich das Ganze nicht, aber beeindruckt (oder eher eingeschüchtert) war ich davon irgendwie trotzdem. Knappe 28 Monate später hat inzwischen auch wirklich jedes größere deutsche Rapmedium über die vitale Memphis-Rap-Szene hierzulande berichtet, Alphamob-Gefährte Skinny Finsta ist beim Major gesignt und selbst ich chronischer Hype-Verpasser besitze ein paar Tapes. Zufall ist es daher sicherlich nicht, dass Alphamob just auf diesem (zumindest vorläufigen) Aufmerksamkeitspeak seines Subgenres den dritten und letzten Teil seiner »Swaffle Phonk«-Trilogie veröffentlicht. Und trotzdem tut er darauf deutlich mehr, als sein bewährtes Erfolgsrezept zu wiederholen.
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Um gleich zu Beginn die gängigen Memphis-Rap-Vorurteile zu unterlaufen: »Swaffle Phonk 3« klingt für mich weniger dark und slow als die anderen Teile. War das eine bewusste Entscheidung oder Teil des Trilogie-Konzepts?
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Es gibt nur ein grundsätzliches Konzept für die »Swaffle Phonks«: Es soll spiegeln, wie ich auflege. Ich spiele nicht nur Rap-Songs, sondern auch instrumentale Sachen, deshalb ist es so ein Misch-Masch aus beidem. Das kann dann dark aber auch sehr positiv klingen. Grundsätzlich muss der stilistische Faden und Vibe einfach passen, auch die Reihenfolge der Tracks. Da muss ein Fluss entstehen, dem man folgen kann. Außerdem habe ich beim Machen eines Beats auch immer gleich im Kopf, wer dazu passen könnte. Und das klappt dann eben mit der oder dem jehnigen, oder eben nicht. Das ist wahrscheinlich der einzige Grund, warum es insgesamt heller klingen könnte. Weil bestimmte Leute dann doch nicht darauf gelandet sind. Bewusst vorgenommen habe ich es mir jedenfalls nicht, nein.
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Du hast mit »503 Vibez« auch eine komplette Instrumental-EP in deiner Diskografie. War bei »Swaffle Phonk« immer schon klar, dass du Rapper und Rapperinnen darauf haben möchtest?
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Das war von vorneherein klar, ja. Also ich möchte auf jeden Fall auch mal wieder was rein Instrumentales machen, mindestens eine EP. Aber die Leute, die rein instrumentale Mucke hören, sind einfach nicht so zahlreich, obwohl ich das persönlich sehr geil finde. Wenn man es mal rein business-technisch sieht, ist es klar von Vorteil, einen Vokalisten drauf zu haben. Der macht es für noch mehr Menschen interessant.
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Auf »Swaffle Phonk 1« war Haiyti vertreten, die damals kurz vor ihrem Durchbruch stand. Mit KeKe hast du jetzt wieder eine Rapperin auf dem Album, die als erfolgsversprechende Newcomerin gilt. Bist du immer auf der Suche nach neuen Acts?
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Ich bin ganz klar Fan der Sache und ganz großer Enthusiast, deshalb ziehe ich mir alles rein. Also eher im Untergrund als im Pop. Obwohl ich da gar nichts gegen habe und mir auch gerne einen Summer Cem angucke, wenn er was Cooles gemacht hat. Aber ich möchte schon gerne Sachen entdecken und mag die obskuren Dinge, die kleinen Acts. Bei KeKe war es halt so ein Zufall. Die habe ich entdeckt, weil ich letztes Jahr eine Adventsaktion hatte, wo ich Sachen verschenkt habe. Dafür wollte ich bei einer Aktion, dass die Leute mir Acts nennen, die ich noch nicht kenne. Und da hat jemand unter anderem KeKe genannt, die damals gerade ihre erste Single draußen hatte. Witzigerweise war sie auch voll der Fan von mir. Das hat sich dann schnell ergeben. Außerdem hat mich KeKes Manager ungefähr zeitgleich als DJ für eine Partyreihe nach Wien eingeladen, ganz unabhängig von ihr. Da hat sich dann ein Kreis geschlossen.
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Von Teil zu Teil sind weniger englischsprachige Rapper auf den »Swaffle Phonks« gelandet. Ein weiterer Zufall?
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Das ist mir bei »Swaffle Phonk 3« tatsächlich erst richtig aufgefallen, als es aus dem Mastering kam. Es liegt letzten Endes eigentlich nur daran, dass ich Tracks am liebsten mit Leuten zusammen im Studio mache. Und die Englischsprachigen sind einfach so weit weg. Das ist der einzige Grund. Obwohl ich schon noch ein paar Sachen in der Schublade habe. Mit 211 zum Beispiel, auch so einer Memphis-Legende, die gerade wieder im Knast gelandet ist. Aber da fehlt mir noch der Kontext, in dem das erscheinen könnte.
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Produzierst du auch für andere oder ausschließlich exklusiv eigene Projekte?
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Ich arbeite ja auch noch und bin Vater, deshalb muss ich mir schon immer ganz genau überlegen, wie ich meine Zeit nutze. Am effektivsten für mich als Künstler, also auch um mich weiter nach vorne zu bringen, ist es, wenn ich Sachen mache, wo vorne immer direkt mein Name draufsteht. Statt irgendwo hinten in Klammern »produziert von…«. Da ich nur bedingt Zeit habe, hab ich auch nicht 500 Beats auf Halde, die ich einfach wahllos Leuten mitgeben kann. Mal ergibt sich das ja schon, aber grundsätzlich arbeite ich schon eher komplett auf eigene Künstlerprojekte hin. Ich mache einfach auch gerne die künstlerische Gesamtgestaltung eines Projektes und hole mir dann eher Leute dazu, als dass es andersherum passiert. Vielleicht koche ich musikalisch zu sehr mein eigenes Süppchen. Es macht wahrscheinlich wenig Sinn, dass jetzt einer meiner verrauchten Sample-Beats zwischen zehn Trap-Bangern auf einem krassen Mainstream-Album landet.
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Aber vielleicht ist Memphis-inspirierter Rap ja auch bald selbst Mainstream. Zumindest hat Falk Schacht die These aufgestellt, dass die ganze Sache in Deutschrap »das nächste große Ding« wird.
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Also die Sache bekommt schon immer mehr Aufmerksamkeit und wird sicher auch noch mehr bekommen. Aber ich glaube, dass es trotzdem immer nur eine Nische bleiben wird, wenn auch vielleicht eine größere. Aber ein klassischer Memphistrack wird kaum charten. Es wird eher Elemente daraus geben, die in eine chartkompatible Produktion reinrutschen. Wie es in den USA schon letztes Jahr auf dem Drake-Album passiert ist. Da waren viele Memphis-Referenzen drauf und auch direkt Leute aus Memphis beteiligt. Es wird sicher auch in Deutschland mal so passieren, dass ein Vocal-Sample oder eine Cowbell wo reinrutscht. Aber um ein richtiges Boom-Subgenre zu werden, ist der Sound dann schon zu unkomfortabel für viele, zu unglatt.
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Und von der Geschwindigkeit her auch zu langsam?
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Es wird eigentlich immer schneller. Wenn man sich mal so Hutmacher-Sachen anguckt, die sind ja ganz schön flott eigentlich, funktionieren auch über eine Trap-Ebene. Und wenn man meine ganze Trilogie mal gesamt betrachtet, ist das jetzt auch schon das schnellste Tape von allen. Neulich habe ich mal einen ganzen Schwung neue Beats vorproduziert, die sind auch alle recht schnell geworden… Keine Ahnung, ob das ein unterbewusstes Mitnehmen von dem ist, was von außerhalb auf einen einwirkt, aber grundsätzlich ist das Genre schon etwas schneller geworden. Obwohl ich es auch richtig geil finde, wenn was schleppend langsam ist.
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Du hast als DJ früher viel auf House- und Techno-Partys aufgelegt. Inzwischen veranstaltest du deine eigene Phonk-Partyreihe »Nite of the Trill«. Feiern Raphörer anders als Technofans?
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Es ist auf jeden Fall unterschiedlich. Der Kernunterschied ist erstmal, dass HipHop-Partys kürzer sind als Techno-Partys. Das mag sicherlich auch am Konsumverhalten liegen, wobei sie sich alle nix darin tun, wie sehr sie sich wegschießen. Den Unterschied macht aber eben, womit sie sich wegschießen. Und dadurch, dass Techno- und Housepartys länger funktionieren, sind die Leute auch konstant lange am tanzen. Auf HipHop-Parties rasten die Leute eher komprimierter und stärker aus. Das geht dann auch mal ein bisschen in Richtung Pogo. Die Besucher der »Nite of the Trill« sind auch sehr jung. Da triffst du fast nie, wie auf Technopartys, auch 40-Jährige.
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Du hast vorhin schon angesprochen, dass du ein Kind hast. Wie schaffst du es den familienunfreundlichen Job des Musikers und DJs damit zu vereinbaren?
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Es steht und fällt halt mit dem Partner. Wenn du keinen Partner hast, der versteht, was du da machst, beziehungsweise, dass die Dinge laufen wie sie laufen, dann ist eines von beiden früher oder später gestorben. Entweder die Partnerschaft, oder du kannst deine Sachen nicht mehr machen. Meine Frau ist zum Glück selber in der Kreativbranche und weiß, wie es da läuft. Dass es eben kein 9-to-5-Ding ist. Dass man manchmal spontan sein muss, oder sich die Nächte um die Ohren schlägt. Grundsätzlich ist das also zum Glück kein Thema. Ansonsten muss man sich halt immer wegen allem knallhart absprechen.
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Hat das Vater-Sein auch die Art und Weise, wie du Musik machst, verändert?
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Meine Tochter ist jetzt 15 Monate alt, ich hab noch nie so wenig Musik gemacht wie in diesem Zeitraum. Seit ich 20 bin, mache ich eigentlich konstant Musik im Studio und das zeitlich auch echt auf einem hohen Level. Aber jetzt will ich auch viel beim Kind sein, weshalb sich meine Musikmach-Gewohnheiten schon hart verändert habe. Früher habe ich eben im Studio sofort losgelegt. Jetzt produziere ich abends, wenn ich noch zwei, drei Stunden Zeit habe, mit meinem Laptop zu Hause so ein bisschen was vor, sammle Ideen, die ich dann im Studio gezielt ausarbeite. Ansonsten muss man halt echt mit sich selbst und dem Partner brutal offen und ehrlich sein. Sobald der eine das Gefühl hat, dass der andere sich dauernd die Zeit für seine Sachen nimmt und man selbst dadurch zu kurz kommt, muss man das eben sofort ansprechen. Da kommt ja ansonsten ein Groll auf. Das kann niemand gebrauchen.