Teesy »Vielleicht haben wir die Fliege ein bisschen zu viel geritten.«

Knapp zwei Jahre nach seinem Debüt »Glücksrezepte« veröffentlicht Teesy den Nachfolger »Wünschdirwas«. Jan Wehn sprach mit dem Berliner über die Zeit nach dem ersten Album, Erwartungen und Soundfindungsphasen.

Teesy_Credit_Delia_Baum

»Deutscher R&B hat sich selbst ein Problem gemacht«, erklärte Teesy vor gut zwei Jahren im Interview mit uns. An der Schwachstelle hat er ordentlich gearbeitet. Nach einem respektablen Platz 34 für sein Debütalbum »Glücksrezepte« machte der Berliner zudem den dritten Platz beim BundesVisionSongContest klar. Gerade erschien mit »Wünschdirwas« das zweite Album von Teesy über Chimperator. Es ist ein gutes Album geworden. Warum? Wegen der Musik natürlich. Aber auch weil es den nächsten Schritt geht – raus aus der wie auch immmer gearteten Raop-Sparte, rein in den Pop. Aber bitteschön volle Kanne! Ein Interview über eigene Erwartungen, ungeschriebene Bachelorarbeiten und zu klein gewordene Hemden.

  • Wie hast du denn die Zeit nach dem Release von »Glücksrezepte« wahrgenommen?

  • Das war sehr aufregend. Für mich waren die krassesten Erfahrungen eigentlich die, die ich in der Musikindustrie machen konnte.

  • Konnte oder musste?

  • Schon konnte. Ich habe das immer als Geschenk angesehen, dass ich da jetzt dabei sein und total viel lernen kann. Tatsächlich war das Schöne ja, dass am Anfang so viel schiefgelaufen ist. Dadurch habe ich viel gelernt. Ist ja auch normal, dass man, wenn man zu einem neuen Label kommt, erst mal gucken muss, was die verschiedenen Parteien wollen. Aber durch diese kleinen Fehler und die kleinen Erfolge habe ich ganz viel mitnehmen können und gehe viel gelassener ans zweite Album – einfach weil ich weiß, wie bestimmte Sachen ablaufen. 

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  • Und abgesehen davon?

  • Allgemein war es eine sehr schöne Zeit und eine schöne Erfahrung, das Album erst gemeinsam mit T-No zu realisieren und es dann zu veröffentlichen. Ich fand es total spannend, auch das ganze Drumherum mitzubekommen. Wie läuft das mit einem Management ab? Wie mit einem Verlag? Außerdem war es interessant, wie sich das Feedback entwickelt hat. Wie hatten erst »Der Anfang« und dann »Rom & Paris«, wo die Reaktionen noch etwas verhalten waren. Aber bei »Generation Maybe« ist es dann – für unsere Verhältnisse – echt durch die Ecke gegangen. Das war echt schön zu sehen – vor allem auch, weil es das günstigste Video war! (lacht)

  • Hattest du denn eigene Erwartungen?

  • Damals mehr als heute. Was das angeht, bin ich etwas entspannter geworden. Damals habe ich mich schon sehr stark darüber definiert. Mein Lebensglück war damals abhängig davon, wie die Musik läuft. Ich war schon ein bisschen traurig, als wir damals auf 34 gechartet sind. Da habe ich irgendwie mehr erwartet. Im Nachhinein finde ich das aber total geil, weil dadurch erst Raum für Verbesserungen entsteht.

  • Mit »Keine Rosen« warst du nach dem Release ja auch beim BundesVisionSongContest.

  • Das ist alles passiert seit dem wir uns das letzte Mal getroffen haben? Krass! 

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  • Wie war’s denn da?

  • Wir haben viel rumgesessen und gewartet. (lacht) Aber das war schon cool und aufregend. Ich habe auch ein paar CDs mitgenommen und den Leuten gegeben, die mir dort wichtig waren – Marteria und Stefan Raab zum Beispiel. Als ich Stefan die CD gegeben habe, meinte er auf jeden Fall zu uns, dass er gehört hätte, ich sei einer der Favoriten. Das war krass. Am Ende bin ich dann ja auf Platz 3 gelandet. Aber ich habe das Votum als ehrliche Meinung empfunden. Das hat mir gezeigt, dass man etwas erreichen kann, auch wenn man keinen Namen hat und einfach nur ein geiles Lied singt.

  • Hat sich danach noch mal was in der Außenwahrnehmung verändert?

  • Ja, voll. Ich würde sogar sagen, dass das eigentlich erst der Startschuss für das Album war. Das ist ja auch einfach eine gute Referenz, durch die man Buchungen für Festivals bekommt oder mehr Karten für die eigene Tour verkauft.

  • Parallel zu all dem hast du aber noch studiert, oder?

  • Ja, aber nicht mehr aktiv. Ich hatte einen Leerlauf von zwei Semestern und musste nur noch eine Klausur schreiben. Die Bachelorarbeit habe ich dann letzten Sommer fertiggemacht.

  • Hast du in der Zeit die Musik ausgesetzt?

  • Nein. Ich hatte zu der Zeit noch den Plan, das Album mit T-No zu machen. Da sind wir im Februar 2015 an die Ostsee gefahren und haben uns für eine Woche einen Trailer gemietet. Es war übelst kalt dort, höchstens sechs Grad. Wir haben immer den Ofen im Trailer angemacht, damit es ein bisschen wärmer wurde. Da haben wir dann die Skizzen zu »Ohne dich«, »Hol’ es nach Haus« und »S.C.G.A.« gemacht. Dann ist erst mal eine Zeit lang nichts passiert. Dann habe ich mich von meiner Freundin getrennt, bin aus Kiel wieder zurück nach Berlin gezogen und habe im April auf einen Beat von Yves Bakes »Wünschdirwas« gemacht. So richtig los ging es dann im Juli. Da habe ich die Bachelorarbeit angefangen und parallel dazu am Album gearbeitet. Ich habe zu der Zeit wieder bei meinen Eltern gewohnt, bin mit denen früh aufgestanden, habe mich ins Wohnzimmer gesetzt und sofort geschrieben und produziert – und wenn meine Eltern nachmittags nach Hause gekommen sind, habe ich wieder an der Bachelorarbeit geschrieben. (lacht) Die waren natürlich ein bisschen grantig, weil ich neben der Uni noch etwas anderes gemacht habe.

  • Wie kam’s denn, dass du das Album nicht mehr komplett mit T-No gemacht hast?

  • Bei mir hat sich mit dem Umzug aus Kiel viel verändert. Ich war wieder Single, hatte hier in Berlin eine neue Wohnung und es waren so viele Veränderungen, dass ich mir gedacht habe: »Wenn sich so viel verändert, dann soll das auch in der Musik passieren.« Ich musste oft an die Zeit vor den Tracksetters denken, in der ich alles alleine produziert habe und hatte das Gefühl, dass ich damals in der Musik und den Texten etwas frecher geklungen habe. Das war immer sehr leichtfüßig und das letzte Album klang doch etwas überlegter – und das wollte ich nicht. Aber als ich dann wieder allein Mucke gemacht habe, kam das Lockere und Leichte wieder zurück. Jeder Song, den ich alleine produziert habe, ist letzten Endes auch auf dem Album gelandet.

  • Aber die Skizzen von dir wurden schon noch ausproduziert, oder?

  • Ja, klar. Der Plan war, die Skizzen im Januar auszuproduzieren – wobei man dazu sagen muss, dass ich keine Ahnung hatte, wie das aussehen soll. Ich wusste nicht, mit wem oder wie. Ich dachte einfach, ich hole mir unsere Band ins Studio und dann klappt das schon irgendwie. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass ich jemanden brauche, der mich technisch begleitet, der Ahnung hat. Beim MTV Unplugged von Cro hatte ich mal Thomas Geiger aus dem Funkhaus Rummelsburg kennengelernt und stand lose mit ihm in Kontakt. Er kommt eigentlich aus der Metal-Ecke, aber hatte total Bock. Als wir dann angefangen haben, miteinander zu arbeiten, habe ich sofort gemerkt, dass ich genau ihn gebraucht habe. Ich wollte keinen zweiten kreativen Kopf, sondern einfach jemanden, der die Gitarre so klingen lässt, wie ich das möchte. Wir haben dann drei Monate lang im Funkhaus gearbeitet und die Songs in dem großen Hörspiel-Studio mit der Band aufgenommen. LOT kam auch vorbei und wir haben gemeinsam Streicher arrangiert.

  • Wie kam man sich das genau vorstellen?

  • Ich habe mit dem Rechner schon die Orchester-Sounds eingespielt und die wurden dann live von den Musikern nachgespielt. Die konnten auch Sachen spielen, wenn man sie ihnen nur vorgepfiffen oder vorgesungen hat.

  • »Als ich dann auf dem Moped saß, hatte ich immer diese Melodie im Kopf und wusste nicht mehr, woher sie kam.«Auf Twitter teilen
  • Gab’s soundmäßig denn Vorbilder?

  • Eigentlich gab es für jeden einzelnen Song immer kleine Vorbilder, wobei sich das während der Entstehung dann auch wieder verändert hat. Bei »Elisabeth« habe ich jetzt auch nicht an Phil Collins gedacht. Der Song ist entstanden, weil ich ein paar Tage vorher »Easy Lover« gehört habe, als ich dann auf dem Moped saß, hatte ich immer diese Melodie im Kopf und wusste nicht mehr, woher sie kam. Dann bin ich nach Hause gefahren, hab den Song gemacht und dann hieß es hinterher erst: »Das ist doch ›Easy Lover‹!« Wobei das auch nur die ersten vier Takte an den Song erinnert und danach aufbricht.

  • Was mir beim letzten Album schon gut gefallen hat, waren die kleinen Intros, Outros und Zwischenrufe auf den Songs. Etwas, dass es jetzt bei »Wünschdirwas« auch wieder gibt.

  • Ja, ich mag das total. Ich mache Songs gerne wie einen Film. Kleine Details machen einen Song erst charmant und witzig und im besten Fall freut man sich bei jedem Hören wieder darauf – sei es ein Laserschwert-Sound, eine Radiomoderation oder die Stimme der echten Elli im Song »Elisabeth«. Das sorgt auch dafür, dass die Songs trotz ihres großen Sounds immer noch etwas sehr Charmantes haben.

  • Cro ist ja gleich zwei Mal auf dem Album. Ich fand, dass er auf eurem gemeinsamen Song auf dem Danju-Album und auch jetzt wieder total Lust am Rappen hat. Liegt das an dir?

  • Das weiß ich gar nicht. Wir saßen irgendwann mal im großen Gremium zusammen und haben überlegt, welches die erste Single sein könnte – und es gab keinen gemeinsamen Nenner, der für alle okay war. Dann bin ich noch mal mit Carlo der Hitmaschine ins Studio gegangen. Ich bin dann über Silvester zu ihm gefahren und wir haben mit Danju gechillt, gar nicht unbedingt um auf Krampf einen Song zu machen, sondern einfach so. Zuerst haben wir dann »Blind« gemacht, der schon richtig geil war. Es hat mich total gefreut, dass wir da einen zweiten Teil von »S.O.S.« in ein bisschen cooler gemacht haben. Wir haben dann noch »Tag & Nacht« aufgenommen und irgendwann hat Carlo mir ein paar Beat-Skizzen vorgespielt. Eine davon hieß »Compton 4«. (lacht) Er und Danju hatten da schon was drauf gejibberished und ich hatte dann die Idee für die »Jackpot«-Hook.

  • »Ich wollte nicht den Look, sondern Chique und Stil im Allgemeinen vermitteln.«Auf Twitter teilen
  • Auf deinen Konzerten sind nach dem Album oft Leute gewesen, die sich angezogen haben wie du.

  • (überlegt) Mein Look wurde oft nachgeahmt, das stimmt, ja. Aber das finde ich ein bisschen schade. Ich wollte nämlich nicht den Look, sondern Chique und Stil im Allgemeinen vermitteln. Das wirkte dann wieder ein bisschen wie verkleidet und sah nach Fasching aus. (überlegt) Vielleicht haben wir die Fliege ein bisschen zu viel geritten und waren in dem Stil nicht vielfältig genug. Nach dem das Album fertig war, hatte ich so eine kurze Down-Phase und saß wie eine vertrocknete Rosine im Studio rum. Da habe ich mich auch gefragt, ob das mit dem Hemd und der Fliege überhaupt ich bin. Irgendwann kam mir dann diese Idee mit den Pastellfarben – ich wollte so aussehen, wie das Album klingt: Leichtfüßig, frech, frei und schnelllebig.

  • Mir ist aufgefallen, dass gar nicht mehr so viel gerappt wird. Aber wenn…

  • …dann geil! (lacht) Keine Ahnung, das hat sich einfach so ergeben. (überlegt) Ein paar Parts gibt es ja schon.

  • War es mal ein Problem, dass die Leute vielleicht nicht so richtig wissen, ob du Rapper oder Sänger bist?

  • Hauptsache, ich bin nicht der Raopmantiker – das habe ich nämlich auch schon gelesen! (lacht)