Bambus »Vielleicht bin ich nicht mal ein richtiger Rapper.«

Bis dato veröffentlichte Bambus seine EPs auf Soundcloud oder Bandcamp, so auch sein neustes Werk »Harambus« mit dem Hamburger Produzenten Haruno. Bambus würde aber sehr gerne auch auf Vinyl releasen.

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Isolation provoziert Neues. Das sieht man in der hiesigen Deutschraplandschaft immer wieder. Während in Franken das Smilingstreet-Kollektiv ihren modernisierten UGK-inspirierten Country-Rap vorantreibt, in Dresden die KMN-Gang aus Dancehall zitiert, fließen bei Bambus aus irgendwo zwischen Dortmund und Hamm die dystopische LoFi-Ästhetik des Team SESH-Dunstkreises und Battlerap von nur in Nerdkreisen bekannten Kollektiven zusammen. Bambus will sich nicht auf einen Stil festlegen, splittet EPs immer wieder auf und bricht mit der eigenen Stilistik. Während seine EP »Das Leben ist hart« noch uninspiriert dem damaligen BoomBap-Revival nacheiferte, ist Bambus mittlerweile einer der Progressiven in Deutschland – genau wie LGoony hat er die Deutsch- und US-Rap-Klassiker verschlungen, dabei aber keine Lust, in seinem eigenen Schaffen nur eine Kopie seiner Vorbilder zu sein.

Abseits der Metropolen veröffentlicht er seine Musik in einem Paralleluniversum zwischen Soundcloud und Bandcamp, das allerdings immer relevanter wird und die ursprünglichen Formen der Musikverwertung vollends zu verdrängen scheint. So drastisch sieht Bambus das allerdings nicht. Das Internet war für ihn immer Mittel zum Zweck, wie er sagt. Eine Vinyl würde er trotzdem gerne releasen. Die neue EP »Harambus« mit dem Hamburger Produzenten Haruno wäre tatsächlich auf Platte vorstellbar. Dann würde sie nicht verpuffen, wie die vorherigen EPs von Bambus. Bisher war sein Schaffen geprägt von Schnelllebigkeit. Dabei ist der 20-Jährige doch so gar kein Freund von Hektik, wie sich im Interview herausstellt.

  • Musik machst du erst seit knapp drei Jahren, oder?

  • 2013 hatte ich nur einen Song auf Soundcloud. Der Produzent Noiscape hat mich daraufhin angehauen und wir haben damit begonnen, Beats zu bauen. So kamen die ersten atmosphärischen Tracks zustande, die den Grundpfeiler für das gelegt haben, was ich jetzt mache.

  • Damals hast du aber eher Battlerap auf Neo-BoomBap à la Sichtexot und Co. gemacht.

  • Die Beats habe ich mir damals komplett von 2ZG-Produzenten for free von Soundcloud gezogen. Da war das noch total mein Film und ich hatte meine Nische noch nicht gefunden. Wobei ich den zeitlosen Vibe dieser Beats immer noch mag. Die LoFi-Ästhetik, die chillige Atmosphäre und die dementsprechend chilligen Punchlines verbinde ich mit Sonne und Wärme.

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  • Warum hast du dich trotzdem von diesem vermeintlich zeitlosen Sound wegbewegt?

  • Ich bin ja dabei geblieben, mach aber in abwechselndem Rhythmus noch andere Musik. Vor der »octo«-EP kam »Wol Ra«, auf der BoomBap und futuristischer Sound gesplittet waren. Nach »Harambus«, das sehr zukunftsgerichtet ist, wird auch wieder ein klassischeres Projekt kommen. Ich möchte einfach nicht den Fokus verlieren und genau mitbekommen, wo ich mich verbessern kann. Ich will mich auf beiden Schienen austoben. Für mich beißt sich das nicht.

  • In sozialen Medien wurdest du in letzter Zeit öfter mit Bones verglichen. Ist das der Sound, den du mit futuristisch meinst?

  • Für mich bedeutet futuristisch elektronische, düstere LoFi-Ästhetik, die durch einen sehr hellen und sonnigen Sound mit Pop-Nuancen aufgebrochen wird. Haruno und ich haben diesen Sound auf »Harambus« so umgesetzt und waren damit total auf einer Wellenlänge. Es ist aus uns herausgesprudelt. Ich finde aber, dass die Bones-Vergleiche etwas hinken.

  • Es gibt sogar Bilder von dir in einem Team SESH-Hoodie. Du hörst Bones schon gerne oder?

  • Klar. 2014 bin ich auf Xavier Wulf aufmerksam geworden. Mit Bones konnte ich erst mal gar nichts anfangen. Irgendwann habe ich es aber total gefühlt. Er ist ein Rapper, der die Musiklandschaft gerade sehr prägt. Er geht komplett eigene Wege und entkoppelt sich von den gängigen Strukturen. Seine Mischung aus Gesang, Rap und Geschrei über diese apokalyptischen Beats, worüber manchmal noch Autotune gelegt wird, klingt sehr neu. 

  • »Wie willst du als Dörfler sonst Präsenz zeigen?«Auf Twitter teilen
  • Euch eint ja auch die Art der Veröffentlichung und Produktion. Ihr verbreitet eure Musik beide aus einer Isolation heraus über das Internet. 

  • Wenn man anfängt zu rappen, braucht man einen PC, einen Beat und ein Mic – dann geht es los. Ich habe dann bei rappers.in mit Leuten connectet. In meinem Dorf gibt es keine Szene und man vernetzt sich automatisch übers Internet. Bei Haruno in Hamburg ist das anders – der ist von Gleichgesinnten umgeben. Wäre ich in einer Großstadt aufgewachsen, wäre es vielleicht auch anders gekommen. Aber durch meine Situation bleiben mir nur Soundcloud, Bandcamp und so, um meine Musik anderen Menschen zugänglich zu machen. Wie willst du als Dörfler sonst Präsenz zeigen?

  • Aber wie motiviert man sich dazu, etwas zu machen, wenn es in direkter Nähe absolut keinen interessiert?

  • Musik ist das, was am meisten bockt. Es ist das Schönste, was man im Leben machen kann. Du kannst natürlich auch einen Film oder eine Serie gucken, aber bei Musik habe ich viel intensivere Gefühle. Wenn du dann irgendwann doch Leute triffst, die auf deiner Wellenlänge sind, ist es der pure Genuss. Fußball spielen kann natürlich auch cool sein, aber du hast am Ende nichts Fertiges in der Hand. Musik ist da beständiger.

  • Sind Online-Releases unter dem Radar wirklich beständig? Es gibt Unmengen an Musik-Daten-Files und jeden Tag kommen neue dazu.

  • Der Anfang ist schwer. Wenn ich etwas veröffentliche, wird es im ersten Monat noch oft heruntergeladen, das nimmt immer weiter ab und irgendwann gerät alles in Vergessenheit. Aber gerade verändert sich das und Releases werden auch nach mehreren Monaten noch gehört. Mittlerweile zahlen Leute sogar bei Bandcamp. Vielleicht bekomme ich irgendwann die Möglichkeit, etwas physisch zu releasen. Das hat noch mal einen anderen Stellenwert.

  • Du warst und bist Teil der Online-Kollektive Genitalgäng, 7,8 und Wronghouse. Die sind auch ein Weg, sich der Isolation zu entziehen.

  • 7,8 und Genitalgäng ist dasselbe. Wir haben nur den Namen geändert, weil er irgendwann zu albern klang. Wir leben alle über ganz Deutschland verteilt und jeder hatte die Intention etwas zu machen. Wir haben uns dann vor allem in WhatsApp-Gruppen und über Teamspeak ausgetauscht, um uns gegenseitig Rückhalt zu geben – damit man in seinem Kaff nicht völlig am Arsch ist, weil kein anderer Musik macht. Falk von 7,8 wohnt jetzt zum Beispiel in Duisburg und ihn sehe ich auch mal abseits des Internets. Wronghouse, das andere Kollektiv, gibt es nicht mehr. Wir sind uns nicht einig geworden, weil einige richtig loslegen wollten und andere durch Arbeit und Studium nicht so viel Energie hatten.

  • Auf deinen neuen Tracks kritisierst du den Kapitalismus, sprichst über das Darknet und die digitale Welt. Sind das tatsächlich Themen, mit denen du dich viel auseinandersetzt?

  • Das Weltgeschehen interessiert mich schon sehr und ich lese den ganzen Tag Nachrichten auf Reddit World News, beschäftige mich mit dem globalen Ölhandel und so weiter. Manchmal versuche ich das auch in der Musik zu verbauen. Ich möchte aber niemandem permanent politische Sachen um die Ohren hauen. Das wirkt verkrampft und meine Musik soll vor allem entspannt bleiben und nachvollziehbar sein. Wobei es beim Schreiben sehr darauf ankommt, ob man nüchtern ist oder nicht. Ich fühle bei jeder Melodie und in jedem Zustand einen anderen Text. Ich kann auch nur einen Text auf einen Beat schreiben. Würde ich den verwerfen, fühlt es sich nicht mehr richtig an.

  • Ist der vernebelte Kopf denn eine wichtige Voraussetzung zum Schreiben?

  • Um Beats zu fühlen und damit zu verschmelzen, ist es nicht verkehrt, ein bisschen high zu sein. Man hat andere Gedankengänge und verwendet andere Wörter: Früher habe ich deswegen nur so geschrieben. Aber an die neuen Sachen bin ich oft nüchtern herangegangen, damit die Melodien nicht zu verspult werden.

  • Dein Rap ist schon immer sehr apathisch.

  • Das passiert einfach. Ich komme schnell in diesen Modus. Früher habe ich nur im Sitzen recordet, weswegen automatisch alles sehr laidback klang. Jetzt bin ich auch mal aufgestanden und hatte mehr Luft. Man soll ja nicht direkt einschlafen.

  • Die Musik entsteht ja, wie es das Bedroom-Musiker-Klischee verlangt, tatsächlich im Schlafzimmer.

  • Ich habe ein Mic, ein Interface und einen Equalizer bei mir im Zimmer stehen und nehme mich selbst auf. Das funktioniert. Und mit guter Mische kann man noch einiges herausholen. Haruno macht gerade eine Ausbildung in einem Audiotechnik-Unternehmen – das wird das Mastering von »Harambus« noch mal richtig voranbringen. Ich war erst einmal im Studio aufnehmen und habe gemerkt, dass man das heutzutage nicht mehr braucht.

  • »Ich würde mich niemals als krassen Technik-Rapper bezeichnen.«Auf Twitter teilen
  • Auf einem deiner ersten Tracks hast du gesagt: »Scheiß auf Skills/Was es braucht, ist Atmosphäre«. Ist das noch immer deine Leitlinie?

  • Technisch werde ich zwar immer besser, aber ich würde mich niemals als krassen Technik-Rapper bezeichnen. Die Atmosphäre und das Gesamtbild müssen am Ende größer sein, als die ausgepackten Skills. Irgendwelche Dreifach-Reime jucken doch am Ende keinen. Ich sehe die Stimme auch mehr als Instrument. Vielleicht bin ich nicht mal ein richtiger Rapper. Ich mache einfach das, was in meinen Augen auf den Beat passt.

  • Fehlt dir das Intuitive in Deutschland?

  • Ja, schon. Es gibt fast keinen Deutschrap, den ich momentan hören kann. Auch wenn Leute versuchen atmosphärischer zu wirken, klingt das oft plastikmäßig und nicht authentisch. Ich frage mich dann immer, ob diese Rapper das wirklich fühlen. Es kommt mir nicht so vor.