Cr7z »Schreiben und Flowen sind für mich wie Essen und Trinken.«

Gerade ist das zweite Cr7z-Album »Sieben Weltmeere« erschienen. Jan Wehn sprach mit dem Rapper aus Rosenheim über seine Faszination für das Element Wasser, das Land Japan und seine Synästhesie.

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Seit mehr als zehn Jahren am Mic, weiß Cr7z ein bisschen Bescheid. Der Rosenheimer hat sich seit seinen Anfängen als Chriz MC mit Streettapes, Freetracks, EPs und seinem beeindruckenden Debütalbum »An7ma« weit über die Grenzen seiner Heimatstadt hinaus einen Namen gemacht – als Rapper, dem in Sachen Flow und Reimtechnik wenige das Wasser reichen können und der dazu sein Innerstes nach außen kehrt. Auch sein neues Album »Sieben Weltmeere« stellt das einmal mehr unter Beweis. Jan Wehn sprach mit dem 58Muzik-Signing über seine Faszination für Wasser, Japan und die Anime-Serie »One Piece«, eine sommerliche Nahtoderfahrung und seine Synästhesie.

  • Wenn man deinen Namen bei YouTube eingibt, fällt einem die immense Zahl an Tracks auf, die du selbst oder Fans von dir hochgeladen haben. Weißt du eigentlich, wie viele Songs es von dir im Internet gibt?

  • Es müssten 230 oder 240 Stück sein. Was den internen Stand angeht, gibt es bestimmt über 300. 

  • Ich finde das total spannend, weil ich das Gefühl habe, dass die Songs bei dir so eine Eigendynamik entwickeln. Du gibst sie raus und bietest sie als Freetracks an, dann lädt irgendjemand sie wieder hoch und versieht sie mit Fotos oder bewegten Bildern. Kuckst du dir das alles an?

  • Ich finde das richtig gut, wenn jemand anderes sich noch einmal kreativ an einem Track betätigt, den ich gemacht habe. Außerdem erreiche ich dadurch ja noch mehr Leute. Denn wenn jemand zu einem Freetrack aus Schnittbildern noch ein Video dreht, kucken sich das viel mehr Leute an, als wenn der Song nur ein Standbild hat.

  • Ich finde das Feedback auf deine Songs wirklich enorm. Es gibt vielleicht keine so große Kommentarflut wie bei anderen Künstlern, aber dafür schreiben die Leute sehr aufrichtig und ehrlich, was deine Musik ihnen gibt. Liest du dir das alles durch?

  • Ich lese das nur ganz selten. Aber meine Mom liest sich alles durch. Sie ist schon ein bisschen älter, mittlerweile Hausfrau, und feiert es total, die ganzen Kommentare zu lesen. Sie zitiert zum Teil auch die Kommentare der Leute.

  • »Rap ist für mich wie ein Videospiel: Wenn du das Internet ausschaltest und die Musik ausmachst, zerfällt eh wieder alles zu Staub.«Auf Twitter teilen
  • Wenn wir schon bei deinen Songs sind, lass uns doch mal ein bisschen über die Tracktitel sprechen. Schon auf »Pein« sind mir Namen wie »Yuki« oder »Shiroi« aufgefallen. Hast du ein Faible für Mangas?

  • Ja, ich bin ohnehin sehr an Japan interessiert. Wenn man mein Zimmer betritt, sieht man das sofort. Bei mir hängen japanische Schriftzeichen an den Wänden und es ist sehr minimalistisch und karg eingerichtet. Ich mag die Konzentration, die die Japaner ausstrahlen. Es geht nur um die Einfachheit, das Wesentliche und das Besinnen auf sich selbst. Das finde ich toll. Die Faszination für Anime und Mangas ist ein Überbleibsel aus der Kindheit, die ich jetzt mit einem generellen Faible für die japanische Kultur verbinde. Daher kommen auch diese Titel. Ich interessiere mich sehr für Mangas oder Anime wie »One Piece« oder »Naruto«. Der Typ auf dem Cover ist auch ein Charakter aus »Naruto«, der den Namen Pain trägt. Er ist der Meinung, dass die Welt dazu verdammt ist, unterzugehen. Erst, nachdem sie untergegangen ist, kann wieder Frieden herrschen. Ich habe das Album damals ja unter starkem Alkoholeinfluss geschrieben und dadurch ist diese Seite an mir viel stärker hervorgetreten, die es ähnlich wie Pain sieht. 

  • Weil du es gerade erwähnt hast: Worum geht’s denn eigentlich in »One Piece«?

  • Es geht um Monkey D. Ruff, der König der Piraten werden will. So geht es mir auch im Rap-Game. Es gibt hier und da mal ein paar leichte Gegner, aber eben auch Endgegner. Rap ist für mich wie ein Videospiel: Wenn du das Internet ausschaltest und die Musik ausmachst, zerfällt eh wieder alles zu Staub. Mehr ist es ja auch nicht.

  • Du hast früher ja auch sehr viel gezeichnet, oder?

  • Ja, das stimmt. In der Schule habe ich sehr viel gezeichnet: Mangas, aber auch Superhelden wie Spiderman oder Superman. Das habe ich mit 15 oder 16 allerdings aufgegeben, weil ich gemerkt habe, dass man auch mit Sprache Bilder zum Ausdruck bringen kann.

  • »Ich kenne die Grenzen, aber auch die Möglichkeiten der Musik.« Auf Twitter teilen
  • Was ist eigentlich der Grund dafür, dass du dich bei der Wahl der Tracktitel oft auch mythologischer Begrifflichkeiten bedienst?

  • Ich versuche immer, Gefühle zu beschreiben – aber egal wie sehr man das versucht, gelingt es einem nicht. Das kann nur schiefgehen! Aber ich versuche, den Titel des Songs wenigstens dahingehend auszuwählen, dass er den Inhalt des Tracks halbwegs wiedergibt. Meistens entsteht der Name erst, wenn ich den Track aufgenommen habe. Woher das aber kommt, weiß ich gar nicht so recht. Von Kindesbeinen an war ich schon immer in dieser Traumwelt unterwegs und habe mich sehr viel mit Sachen beschäftigt, die für andere nicht offensichtlich oder interessant sind. Das hat sich einfach ergeben. Mein Plan war nie, ein spiritueller Mensch zu werden. Ich wurde vom Leben dazu gemacht.

  • Du bist ja Synästhesist. Kannst du vielleicht noch einmal erklären, was das genau ist?

  • Es gibt verschiedene Formen von Synästhesie. Bei mir ist es so, dass Klänge bzw. alles, was mit dem Gehör zu tun hat, mit den Augen zusammenhängt. Man kann also sagen: Ich sehe Musik in Farben. Im Endeffekt ist es eine Art Behinderung, weil es ja nicht natürlich ist. Das haben ohnehin sehr wenige Leute auf der Welt. 

  • Wie äußert sich das denn?

  • Wenn jemand ein Klavier spielt, und in der Mitte anfängt, klingt das für mich erst einmal blau. Wenn derjenige dann Töne auf der linken, also tieferen, Seite spielt, wird das Blau dunkler. Spielt er höhere Töne, wird es heller. Drums sind für mich helle Lichtblitze. Wenn dann noch andere Instrumente, wie eine Gitarre z.B., dazukommen, ergibt das für mich ein großes Farbspektrum, das ich als Matrix vor meinem inneren Auge sehen kann. Ich weiß, wie der Beat funktioniert, kenne mich dementsprechend in ihm aus und weiß, was ich machen kann. Ich kenne die Grenzen, aber auch die Möglichkeiten der Musik. 

  • Wirkt sich das auch auf das Schreiben aus?

  • Nein. Ich rappe jetzt seit 18 Jahren und beherrsche mein Handwerk. Schreiben und Flowen sind für mich wie Essen und Trinken – ich mache mir da gar nicht mehr so viele Gedanken drüber. Das kann ich und da kille ich einfach.

  • »Ein MC sollte eigentlich auf jeden Beat rappen können.«Auf Twitter teilen
  • Wie muss ein Cr7z-Beat denn klingen oder besser: aussehen?

  • Ich bin ja ein Kind der 80er und 90er Jahre. Dementsprechend habe ich viele Einflüsse aus diesen Epochen in meiner Musik. Ich hatte immer das Gefühl, dass Leute wie Nana oder Down Low in den Neunzigern schöne Melodien in den Hooks hatten, aber die Raps waren scheiße. Eine meiner Grundintentionen beim Musikmachen war schon immer, schöne Beats killer zu berappen und auf Instrumentals gut zu klingen, die sich für Rap im ersten Moment eigentlich gar nicht so gut eignen. Ich bin der Meinung, ein MC sollte eigentlich auf jeden Beat rappen können. Wie Savas schon gesagt hat: »Ich rappe auch auf Volksmusik und ficke jede Pseudo-Crew zu Rauch wie 20 Jahre Krieg.« (lacht)

  • Das Album trägt ja den Namen »Sieben Weltmeere«. Was für ein Verhältnis hast du denn eigentlich zum Wasser?

  • Auf dem Cover von »An7ma« war ich ja im Weltraum zu sehen, weshalb wir es für »Sieben Weltmeere« wieder runter auf die Erde geholt haben – damit ich nicht ganz so abhebe, sage ich immer im Spaß. (lacht) Es gibt ja eigentlich auch mehr als sieben Weltmeere, aber die Sieben steckt ja auch in meinem Namen und das Wasser steht ein bisschen dafür, was ich in meinen Texten vermittele. Hinzu kommt, dass ich selbst eine echte Wasserratte bin. Ich war diesen Sommer oft an Seen unterwegs und bin dort stundenlang geschwommen. Einmal bin ich sogar durch den kompletten Simssee geschwommen. Der hat einen Durchmesser von 1,7 Kilometern und ich war ungefähr 50 Minuten unterwegs. Nach der Hälfte habe ich mich umgedreht und dachte: »Scheiße, jetzt hast du richtig Kacke gebaut: Zurück geht nicht mehr, du musst auf jeden Fall nach vorne.« Meine körperliche Verfassung ist nicht die beste – ich bin ja auch starker Raucher… Da hatte ich den Hauch einer Nahtoderfahrung, kann man sagen. Aber dann und wann habe ich Ruhepausen genommen, mich treiben lassen und es so bis zum Ende geschafft.

  • Ein bisschen wie das Leben leben, oder?

  • Ja, voll. Da auf dem See habe ich wirklich gelebt.